Natalia Klitschko singt für die Ukraine
Schon 2014 berührte sie mit ihrer Stimme die Welt
Es waren ergreifende Töne. Töne der Trauer, Töne der Bestürzung, aber auch Töne des Muts. Natalia Klitschko hat bei einem Benefizkonzert in Hamburg für den Frieden in der Ukraine gesungen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Frau von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko die Welt mit ihrer Stimme berührt. 2014 singt sie vor einem WM-Kampf ihres Schwagers Wladimir die ukrainische Nationalhymne. Kurz zuvor hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert. RTL-Sportchef Andreas von Thien war bei dem emotionalen Auftritt dabei und erinnert sich.
Ton-Probleme können Natalia nicht aufhalten
Es ist der 26. April 2014: In Oberhausen wartet die Arena auf den WM-Kampf von Wladimir Klitschko gegen den Australier Alex Leapai. Der Abend steht unter besonderen Vorzeichen – nicht nur sportlich: Eine handfeste Krise erschüttert damals die Ukraine. Hinter dem Land liegen die blutigen Proteste auf dem Maidan, der umstrittene Präsident Wiktor Janukowytsch war abgesetzt worden und aus dem Land geflüchtet, gleichzeitig annektierte Russland völkerrechtswidrig die Halbinsel Krim, entfachte im Osten des Landes einen Krieg.
Die Klitschkos wollen an diesem Abend in Oberhausen ein Zeichen setzen. Allen voran Natalia, die Ehefrau von Vitali, der als Politiker bei den Protesten dabei war, dabei teils angegriffen wurde.
Der legendäre Ringsprecher Michael Buffer ruft einen „Special Guest“ für die Hymne der Ukraine auf. Es ist Natalia. Ein Moment der Stille, die Arena wartet gebannt. Natalia steht auf einer roten Treppe in einem gelben Kleid, hinter ihr ist auf einer riesigen Leinwand die ukrainische Flagge zu sehen. Kurz gibt es noch Probleme mit dem Mikrofon, dann legt sie los und schmettert die Hymne ihres Heimatlandes.
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Video: Natalia Klitschko singt für die Ukraine
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"Es war ihr wichtig, dort aufzutreten"
„Sie hat das total cool durchgezogen und mit ihrer Stimme für einen echten Gänsehaut-Moment gesorgt. Es war wirklich etwas sehr Außergewöhnliches“, erinnert sich Andreas von Thien, der den Abend vor Ort erlebte. Gebannt lauschen die 12.000 Zuschauer. „Da hätte man eine Stecknadel fallen hören können“, sagt von Thien.
Ein bewegender Auftritt, den Natalia unbedingt machen wollte. Für Wladimir, für Vitali, für die Ukraine. „Ich hatte mir ihr gesprochen, sie war sehr aufgeregt, aber es war ihr sehr wichtig aufzutreten. Sie hat trotzdem die Nerven bewahrt. Vitali hat sie danach in den Arm genommen und war stolz auf seine Frau“, erzählt von Thien.
Der Text der Hymne schallt durch die Halle. „Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben, noch wird uns lächeln, junge Brüder, das Schicksal. Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne, und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein“, singt sie.
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Vitali Klitschko mittendrin
Rückblick: 2013 starten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew Massenproteste. Die Demonstrierenden gehen für die Demokratie und eine Annäherung an die EU auf die Straße. Kurz davor hatte der damalige Präsident Wiktor Janukowytsch das EU-Assoziierungsabkommen nicht unterschrieben. Ein EU-Beitritt rückte in weite Ferne. Eine Spezialeinheit der Polizei attackiert Menschen auf dem Maidan. Die Proteste eskalieren. Insgesamt 100 Menschen verlieren bei den Protesten ihr Leben. Die Ukraine – ein Pulverfass.
Während dieser Zeit lässt Russlands Staatspräsident Wladimir Putin russische Truppen auf der Krim einmarschieren – die Halbinsel wird annektiert. Ein völkerrechtswidriges Vorgehen. Kurz darauf entbrennt der Krieg in der Ostukraine, zunächst offiziell ohne russische Soldaten. Doch es ist klar: Russland unterstützt die prorussischen Milizen.
Und mittendrin in Kiew ist Vitali Klitschko, Ex-Box-Champion und jetzt als Politiker aktiv. Zunächst war er Teil der Opposition, kurz nach Ende der Proteste wurde er Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt. „Wir kämpfen für Unabhängigkeit, für Demokratie. Wir kämpfen für ein modernes europäisches Land Ukraine“, sagte er damals im RTL-Interview.
Video: Vitali Klitschko besucht Hochzeit an der Frontlinie
Der Kampf geht weiter
Schon damals an seiner Seite: Bruder Wladimir. Für ihn war der Kampf im April 2014 ein Wechselbad der Gefühle, Vorbereitung auf den Fight gegen Leapai, die Nachrichten aus der Ukraine. „Es waren brutale Bilder. Ich wünsche mir, dass so etwas nie wieder in Europa oder der Ukraine passiert“, sagt er. Sein Land leidet.
Mit dem Sport wollte er auch seinen Bruder in Kiew unterstützen. „Ich widme diesen Kampf den mutigen Menschen vom Maidan. Deswegen kämpfe ich heute auch für meinen Bruder Vitali und die Ukraine“, sagte er vor dem Kampf. Sein Bruder Vitali flog nur für den Boxabend nach Deutschland ein. Immer an der Seite des Bruders.
Den sportlichen Kampf gewann Wladimir 2014 mit Leichtigkeit, Gegner Alex Leapai hatte keine Chance. K.o. in der fünften Runde. Die Schwergewichtsgürtel blieben in der Familie Klitschko. Der Kampf um die Ukraine aber ging weiter, erreichte durch den russischen Angriffskrieg im Februar 2022 einen traurigen Höhepunkt.
Und so werden jetzt wieder Erinnerungen wach an jenen Abend im April 2014. Wie schon vor acht Jahren sind Vitali Klitschko und sein Bruder mittendrin. „Gerade jetzt kommen bei mir diese Gefühle wieder hoch, wenn man daran denkt. Da macht man sich auch große Sorgen um die beiden, die mitten im Sturm sind. Dass sie hoffentlich lebend rauskommen. Sie werden bis zum Äußersten gehen. Sie meinen es ernst und kämpfen für die Freiheit“, sagt Andreas von Thien.
Schon 2014 betonten die Klitschko-Brüder ihr Credo: „Gemeinsam sind wir stark“. Im März 2022 gilt es mehr als je zuvor. (msc)