Aus Angst bleibt sie auch in ihren schlimmsten Momenten bei ihm

Mit Desinfektionsmittel übergossen und angezündet: So grausam erlebt Evelyn ihre eigene Beziehung

Gericht verurteilt den Mann zu 7 Jahren und 8 Monaten Haft
Unglaubliche Beziehungstat: Evelyns Freund übergießt sie mit Desinfektionsmittel und zündet sie an
Privat
von Samina Faizi und Cathleen Bergholz

Hinter Evelyn liegt eine Beziehung voller Eifersucht, Kontrolle und Gewalt. Eine Beziehung, die sie sogar fast das Leben gekostet hätte. Denn eines Tages rastet ihr Exfreund Mario aus, übergießt sie mit Desinfektionsmittel und zündet sie an. Statt ihr zu helfen und sie in ein Krankenhaus zu bringen, lässt er sie zwei Tage mit schweren Verbrennungen in der Wohnung liegen. Das Berliner Landgericht hat den 35-Jährigen dafür nun zu 7 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt. Mit RTL-Reporterin Samina Faizi hat Evelyn erstmals außerhalb des Gerichts über ihr Martyrium gesprochen.

Vom netten und hilfsbereiten Freund zum eifersüchtigen Kontrollfreak und Gewalttäter

Im ersten Monat war noch alles gut, Evelyn und Mario führen eine harmonische Beziehung. Mario ist „nett und hilfsbereit“, berichtet die 43-jährige Evelyn RTL-Reporterin Samina Faizi. Doch schon nach wenigen Wochen ändert sich alles: Marios Eifersucht bestimmt plötzlich die Beziehung. „Er hat mir ständig unterstellt, dass ich ihm fremd gehe – obwohl ich die ganze Zeit mit ihm zusammen und zu Hause war“, erzählt Evelyn und erinnert sich: „Wenn er rausgegangen ist, hat er die Tür abgeschlossen, damit ich nicht raus gehe oder keinen reinlasse. Das Telefon hat er mir auch weggenommen, damit ich keinen Kontakt führe.“ Wollte Evelyn dann selbst das Haus verlassen, war auch das nur unter Marios Aufsicht möglich. „Wenn ich zum Beispiel zu meiner Oma gehen wollte, hat er mich dahin gebracht, damit er sicher ist, dass ich da bin und hat mich dann auch wieder abgeholt“, schildert die gebürtige Polin.

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Privat

Kontrolle – zu Hause und außerhalb der eigenen vier Wände – das war das Eine. Doch es dauerte nicht lang, da folgte auch die körperliche Gewalt. Schläge wurden zur Normalität. Vor allem wenn Mario getrunken oder Drogen genommen hat, wurde er handgreiflich. „Haben Sie jemals daran gedacht: Das ist nicht der Richtige, ich trenne mich!?“, fragt RTL-Reporterin Faizi verwundert. „Ich wollte!“, erwidert Evelyn. „Aber ich hatte dann irgendwann Angst, weil er gedroht hat, dass er mich umbringt, dass er meine Kinder umbringt, meine komplette Familie umbringt.“

Evelyn über die Horrortat: "Das waren Sekunden, da habe ich schon gebrannt"

Aus Angst bleibt Evelyn bei Mario. Sie erfährt immer wieder Gewalt – und muss dann sogar um ihr Leben bangen. Es ist der 10. März 2022, Mario hat wieder einmal viel getrunken, als Evelyn gerade aus der Dusche kommt und im Bademantel auf der Couch einschläft. Was dann passiert, weiß sie nur noch in Bruchstücken, große Teile ihrer Erinnerungen sind verschwunden. „Ich weiß , dass er im Badezimmer war. Er kam mit dieser Desinfektionsflasche, hat sich erstmal die Hände desinfiziert und danach hat er wie von nichts die Flasche genommen und über mich gegossen.“, erinnert sich Evelyn dunkel. Sie habe noch das Feuerzeug gesehen und ihren Ex-Freund gefragt, was er da mache. Im nächsten Augenblick brannte sie schon. Ab hier verschwimmen die Erinnerungen von Evelyn. Sie kommt erst wieder im Schlafzimmer zu sich- nackt und nass. Denn Mario habe- so erzählte er es ihr nach dem Angriff- versucht, den Brand zu löschen- erst mit einer Decke, dann mit Badewannenwasser. Und tatsächlich: das Feuer erlischt.

Doch zu spät: Evelyns Körper ist zu 18 Prozent verbrannt. Sie muss dringend in ein Krankenhaus. Und genau an diesem Punkt geht die 43-jährige erneut durch die Hölle. „Ich habe ihn gebeten , den Krankenwagen zu holen oder einen Arzt zu holen. Er wollte nicht. Er ist zur Apotheke gegangen, hat mir Bepanthen geholt. Er meinte, wir bekommen das hin. Er hat mir kalte Umschläge gemacht- also nasse Handtücher auf den Körper gelegt. Mein ganzer Körper war total am Zittern.“, beschreibt Evelyn ihr Martyrium. Mario lässt seine Freundin noch zwei Tage zu Hause liegen, bevor er den Krankenwagen holt. „Ich habe nur gesagt, ich bin gleich weg. Da hat er Angst bekommen.“

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Evelyn soll für ihren Freund lügen, nicht von der Tat berichten

Nach dem Brandanschlag ist Marios größte Angst von seiner Freundin verraten zu werden. Er redet auf sie ein, eine Falschaussage zu machen, nichts von seiner Tat zu erzählen. „Erst mal hat er gesagt, dass ich erzählen soll, dass ich irgendwas gebraten habe und mich am Öl an der Pfanne verbrannt habe“, berichtet Evelyn im Interview mit RTL. Die Geschichte findet sie selbst unglaubhaft und erzählt den Sanitätern, sich an einer Kerze verbrannt zu haben. Auch jetzt nach dieser schrecklichen Tat traut sie es nicht, die Wahrheit über ihren Freund zu sagen. „Weil ich Angst hatte“, so Evelyn. „Weil er meinen Schlüssel hatte, weil er wusste, wo meine Familie ist.“

Die Angst beherrscht weiterhin Evelyns Leben. Und so kontrolliert Mario auch im Krankenhaus die toxische Beziehung. „Ich musste ständig am Telefon sein“, so Evelyn. Wenn ein Pfleger reinkam, wollte er wissen, was das für ein Mann sei.

Sieben Operationen, vier Wochen Krankenhausaufenthalt

Insgesamt muss die 43-jährige sieben Operationen über sich ergehen lassen, eine davon war die Transplantation der Haut. Bis heute leidet sie unter Juckreiz, muss sich ständig eincremen. An machen Tagen fühlt sich der Schmerz an wie viele kleine Nadelstiche. Und da ist da noch der seelische Schaden. „Jeder, der zu mir nach Hause kommt, muss sich erst mal telefonisch anmelden oder wenigstens eine Nachricht schreiben. Ich mache die Tür nicht auf, wenn es unten klingelt“, beschreibt Evelyn die Folgen des Angriffs. Bei unangekündigten Besuchern tut sie oft so, als sei sie nicht zu Hause.

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Bergholz, Cathleen [RTL NEWS], RTL

Den Absprung von ihrem Freund gelingt Evelyn erst zwei Wochen nach ihrem Krankenhausaufenthalt. Zunächst holt sie Mario noch aus der Klinik ab, fährt mit ihr nach Hause und setzt seine Gewaltausbrüche fort. „Der hat sich jedes Mal entschuldigt. Er hat geschlagen und sich gleich wieder entschuldigt – ein paar Minuten später oder ein paar Sekunden später“, berichtet Evelyn. Eine letzte Gewalt-Eskalation erlebt Evelyn dann auf einem Supermarktparkplatz. Heute sei das ihr Glück gewesen, erzählt sie. Denn Passanten greifen ein und rufen die Polizei. An diesem Tag bricht die 43-jährige endlich ihr Schweigen, nachdem die Polizei eindringlich auf sie einredete, die Wahrheit zu sagen.

Ab jetzt reagieren die Behörden ganz schnell: Mario kommt in Untersuchungshaft, es folgt der Gerichtsprozess und das Urteil: sieben Jahre und acht Monate Haft. Für Evelyn eine Erlösung. „Ich kann endlich atmen“, sagt sie drei Tage nach dem Urteil. Und sie kann endlich wieder schlafen. „Ich hatte richtig Schlafprobleme. Manchmal habe ich eine ganze Nacht nicht geschlafen, bin dann nachmittags vielleicht für eine Stunde eingeschlafen. Nachts ging es wieder nicht“, so Evelyn. Die 43-Jährige ist auch froh, nicht mehr all die Fragen über ihr Martyrium erneut beantworten zu müssen und gedanklich noch einmal alles durchzuspielen. Vor allem zur Ruhe zu kommen ist nun ihr größter Wunsch.

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen - kostenlose Beratung in 18 Sprachen

Betroffenen von Gewalt, Beleidigung, Nötigung und Stalking kann nur geraten werden, Hilfe zu suchen und diese in Anspruch zu nehmen. „Etwa zwei Drittel aller sexuellen Übergriffe finden im näheren sozialen Umfeld der Frau statt“, erklärt Sigrid Bürner vom Notruf für Frauen in Kiel. Doch es gibt etliche Anlaufstellen, die Wege aus toxischen Beziehungsverhältnissen aufzeigen. So gibt es in Deutschland die Nummer des Hilfetelefons bei „Gewalt gegen Frauen“, unter der anonyme und kostenlose Beratung in 18 Sprachen erhältlich ist.

Hilfe finden Sie unter der Telefonnummer 08000 1160 16 oder unter www.hilfetelefon.de/.