Ehemalige Sekretärin (97) in über 11.000 Fällen wegen Beihilfe zum Mord angeklagt
KZ-Überlebende berichtet von Kannibalismus: Grausame Details im Stutthof-Prozess gegen Irmgard F.

Die Fortsetzung im Stutthof-Prozess gegen Irmgard F. hat weitere prekäre Details aus dem Leben im deutschen Konzentrationslager offenbart. Am Dienstag hat die Überlebende Risa Silbert am Landgericht in Itzehoe ausgesagt und die Unmenschlichkeit im Lager verurteilt. Der große Hunger hätte zu Kannibalismus geführt.
Zeugin erzählt: "Stutthof war die Hölle"

Am Dienstag war die Überlebende Risa Silbert als Zeugin geladen und für ihre Aussage von ihrem Wohnort in Australien aus zugeschaltet. Für die 93-Jährige war Stutthof „die Hölle“ und ein Ort der Unmenschlichkeit. „Wir hatten Kannibalismus im Lager, die Leute waren hungrig und haben die Leichen aufgeschnitten, und sie wollten die Leber herausnehmen. Das war jeden Tag so“, sagte die Zeugin und Nebenklägerin über ihre Dolmetscherin. Jeden Morgen hätten die Gefangenen um 4.00 oder 5.00 Uhr zum Appell antreten müssen. Wer dabei nicht stillstand, sei von den SS-Aufseherinnen mit der Peitsche geschlagen worden. Um sich vor den SS-Aufseherinnen zu verstecken, hat sich die damals 15 Jahre alte Risa Silbert zusammen mit ihrer großen Schwester unter den Leichen vergraben. Wegen einer Typhus-Epidemie im Jahr 1944 hätten überall Tote herumgelegen.
Irmgard F. schweigt zu den Vorwürfen
Angeklagte im Prozess vor dem Landgericht in Itzehoe ist die 97 Jahre alte Irmgard F. Sie soll von Juni 1943 bis April 1945 als Zivilangestellte in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof gearbeitet haben. Neben Risa Silbert hat in dem Fall auch schon der Ex-Wachmann Bruno D. ausgesagt. Er stand bereits 2020 in Hamburg vor Gericht und wurde wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 5000 Fällen verurteilt. Der 95-Jährige hat seine Strafe bereits verbüßt und das verübte Unrecht im Konzentrationslager zugegeben. Die Staatsanwaltschaft wirft Irmgard F. vor, durch ihre Schreibarbeit Beihilfe zum systematischen Mord an mehr als 11.000 Gefangenen geleistet zu haben. Die Angeklagte hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert. (dpa/cto)