Krise auf der Krim: Ukrainischer Besitz wird vereinnahmt

Die selbst ernannte Führung der Krim will die im Hafen der Halbinsel stationierten ukrainischen Kriegsschiffe beschlagnahmen und nicht an die Regierung in Kiew zurückgeben. Die Fahrrinne in Sewastopol sei bereits blockiert, sagte der moskautreue Regierungschef Sergej Aksjonow. "Die dortige ukrainische Flotte wird in vollem Umfang verstaatlicht - wir sind nicht im Begriff, die Schiffe herauszugeben", sagte er.

epa04119247 Ukrainian servicemen work as the Ukrainian Navy ship 'Slavutivh' is towed in the harbor of Sevastopol, Crimea, Ukraine 10 March 2014. The USA and European Union have threatened sanctions against Moscow over the military standoff in the strategic Crimean peninsula, and are urging Russia to pull back its forces in the region and allow in international observers and human rights monitors. Crimea, which has a majority ethnic Russian population, is strategically important to Russia as the home port of its Black Sea Fleet. EPA/ZURAB KURTSIKIDZE +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die moskautreue Krim-Regierung will die ukrainische Flotte auf der Schwarzmeer-Halbinsel beschlagnahmen.
dpa, Zurab Kurtsikidze

Die völkerrechtlich zur Ukraine gehörende Halbinsel entscheidet am Sonntag in einem Referendum über einen Beitritt zu Russland. Die prowestliche Führung in Kiew sowie die Europäische Union und die USA halten die kurzfristig angesetzte Befragung für verfassungswidrig.

Aksjonow kündigte an, dass außer der Flotte auch Kraftwerke und der Energieversorger Tschernomorneftegas beschlagnahmt würden. "Es gibt eine ganze Liste von derzeit ukrainischen Objekten", sagte er. Privateigentum sei nicht betroffen. Ukrainische Soldaten, die nicht die Seite wechseln wollten, müssten die Halbinsel verlassen.

Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew sagte, Russland habe der Autonomen Halbinsel eine Soforthilfe von einer Milliarde US-Dollar (etwa 720 Millionen Euro) in Aussicht gestellt. Die Führung in Simferopol wolle die Tranche für Gehälter und Renten nutzen, nachdem die Zentralregierung in Kiew den Geldhahn zugedreht habe.

Mit Spannung wird eine Erklärung des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch erwartet. Der nach Russland geflüchtete Politiker wollte nach tagelangem Schweigen in Rostow am Don vor die Presse treten, meldeten russische Medien.

Diplomatische Bemühungen laufen weiter

In persönlichen Telefonaten auf höchster Ebene bemüht sich US-Präsident Barack Obama weiter um eine Beilegung des Konflikts. In einem Gespräch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy lobte Obama die gemeinsame Haltung der EU und der USA, teilte das Weiße Haus mit. Beide bezeichneten das geplante Referendum über einen Anschluss der ukrainischen Halbinsel Krim an Russland als verfassungswidrig.

Das prorussische Parlament der Krim hat die Halbinsel deswegen formell für unabhängig von der Ukraine erklärt. Zur Begründung hieß es, der Schritt sei juristisch notwendig für den geplanten Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wie auch für die Durchführung des umstrittenen Referendums darüber am 16. März. Laut ukrainischer Verfassung dürfen einzelne Gebiete keine Volksabstimmungen beschließen.

In einem weiteren Telefonat beriet sich Obama mit dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Der US-Präsident habe ihn ermutigt, sich aktiv für eine friedliche Lösung der Krise einzusetzen.

US-Vizepräsident Joe Biden telefonierte unterdessen mit Zyperns Präsidenten Nikos Anastasiades, um über Wege aus dem Konflikt zu beraten. Beide bekräftigten, dass die Souveränität der ehemaligen Sowjetrepublik unterstützt und ihre Grenzen anerkannt werden müssten.

Zur Beobachtung der Lage in der Ukraine entsendet die Nato Aufklärungsflugzeuge an die Grenzen der früheren Sowjetrepublik. Das Bündnis beschloss, Awacs-Maschinen über Polen und Rumänien patrouillieren zu lassen.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will in den Ländern des Baltikums über Auswirkungen der Krise beraten. Die Europäische Union droht der Regierung in Moskau wegen ihres Verhaltens schärfere Sanktionen an.

In Estland sowie den anderen beiden Staaten Lettland und Litauen besteht die Sorge, dass Moskau hier ebenfalls versuchen könnte, seinen Einflussbereich auszudehnen. "Die Sorgen unser baltischen Partner teilen wir und nehmen wir sehr ernst", sagte Steinmeier. Erforderlich seien "gemeinsame europäische Antworten". Estland ist die erste Station seiner eintägigen Reise.

Der entmachtete ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat sich aus Rostow am Don noch einmal zu Wort gemeldet und seinen Gegnern vorgeworfen, einen Bürgerkrieg im Land zu planen. Eine "Bande von Ultranationalisten und Neofaschisten" stelle in Kiew die Regierung. "In den Städten patrouillieren Menschen mit Masken und Armbinden, es regiert die Willkür", sagte Janukowitsch. Er rief die ukrainischen Soldaten zur Befehlsverweigerung auf.

"Das Handeln gegen mich war Terror", sagte Janukowitsch. Er sei weiterhin der rechtmäßige Präsident und Oberbefehlshaber. "Wenn es die Umstände zulassen, kehre ich nach Kiew zurück."