Russland feiert militärische Erfolge im Donbass
Massive Angriffe und große Gebietsgewinne: Gewinnt Russland im Osten der Ukraine die Oberhand?

Wochenlang sah es so aus, als würde Russland in der Ukraine kaum noch Erfolge feiern können, es schien, als würden die ukrainischen Truppen womöglich sogar die Oberhand gewinnen. Im Osten des Landes gelangen dem russischen Militär nun allerdings wichtige Gebietsgewinne, Luhansk steht mittlerweile fast komplett unter russischer Kontrolle. Gewinnt Russland im Donbass also die Oberhand? Nicht unbedingt.
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Ukraine im Gebiet Luhansk: Die Lage ist "extrem schlecht"
Im Osten der Ukraine bringen massive russische Angriffe mit Artilleriebeschuss und Luftangriffen die ukrainischen Verteidiger immer weiter in Bedrängnis. Die Großstadt Sjewjerodonezk wurde am Mittwoch über den ganzen Tag beschossen. Das Verwaltungsgebiet Luhansk sei mittlerweile zu 95 Prozent von russischen Truppen erobert, sagte Gouverneur Serhij Hajdaj. Die Lage sei „extrem schlecht“.
Sjewjerodonezk und das benachbarte Lyssytschansk sind die letzten großen Städte, die im Gebiet Luhansk noch von ukrainischen Truppen gehalten werden. Russland will das Gebiet vollständig erobern, um es der so genannten Volksrepublik Luhansk hinzuzufügen. Diese hat Moskau als unabhängigen Staat anerkannt - genauso wie die Volksrepublik Donezk. Ausländische Beobachter befürchten, dass mehrere ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk eingekesselt werden könnten.
Am Mittwoch und Donnerstag haben russische Truppen nach ukrainischen Angaben mehr als 40 Städte im Donbass angegriffen und bedrohen damit den letzten großen Fluchtweg für die Zivilbevölkerung aus dem Osten der Ukraine. In den Regionen Donezk und Luhansk seien mehr als 47 zivile Einrichtungen zerstört oder beschädigt worden, teilten die ukrainischen Streitkräfte am Donnerstag auf Facebook mit. Darunter seien 38 Wohnhäuser und eine Schule.
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Selenskyj: Russlands Truppen im Donbass teilweise "zahlenmäßig weit überlegen"
"Als Folge des Beschusses wurden fünf Zivilisten getötet und zwölf verletzt“, teilte die Ukraine mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, die russischen Soldaten seien den eigenen Truppen in einigen Teilen des Ostens "zahlenmäßig weit überlegen".
Russland konzentriert seine Offensive auf den Donbass, nachdem es nicht gelungen ist, die ukrainische Hauptstadt Kiew oder die zweitgrößte Stadt Charkiw einzunehmen. Nun versuchen die Truppen, den Donbass vollständig zu erobern, wo bereits seit 2014 pro-russische Separatisten die dortigen Regionen Donezk und Luhansk weitgehend unter Kontrolle haben.
Russland hat Tausende Soldaten in das Gebiet geschickt und greift von drei Seiten an. Ziel ist es, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln, die sich in Siewierodonezk und Lysytschansk aufhalten. Fielen die Zwillingsstädte, erhielte Russland die Kontrolle über die gesamte Region Luhansk. Für die Führung in Moskau wäre damit ein wichtiges Kriegsziel erreicht.
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Experte glaubt noch nicht an klaren Vorteil Russlands im Donbass
Gewinnt Russland im Donbass also die Oberhand im Kampf mit der Ukraine? Dem Russlandexperten Michael Kofman zufolge birgt der kürzlich erfolgte russische Durchbruch bei der Kleinstadt Popasna tatsächlich das Potenzial, um die Ukraine in Luhansk gehörig unter Druck zu setzen. Inwieweit das tatsächlich gelingt, hänge jedoch davon ab, wie schnell Russland weitere Kräfte mobilisieren könne, um seinen Vorstoß fortzusetzen.
Vor allem dank der Waffenlieferungen aus dem Westen sei die Ukraine im Krieg mit Russland immer noch im Vorteil, so Kofman. Inwieweit dieses Kräfteverhältnis auch im Donbass zur Geltung kommen werde, könne aktuell allerdings nur schwer vorhergesagt werden.
Denkbar ist, dass die Ukraine weitere Truppen in den Osten des Landes schicken wird, um den russischen Vorstoß zu stoppen. Das Land könnte allerdings auch Territorien vorübergehend abgeben, um Verluste zu verhindern und diese mit einer eigenen Offensive später zurückgewinnen.
Kofman glaubt, dass man den russischen Durchbruch bei Popasna vorerst nicht überbewerten sollte. Entscheidend für den Kampf im Donbass sei vor allem, ob Russland die eigenen Gewinne langfristig halten kann – oder ob die Ukraine schon bald mit einer eigenen Offensive erfolgreich zurückschlägt. (jda, dpa)