Jagd auf die Millionen der Clans
Warum die Razzien die kriminellen Großfamilien empfindlich treffen
Von RTL-Experte für organisierte Kriminalität: Michael Ortmann
Jahrelang schien es unmöglich, den kriminellen Clans in Deutschland das Handwerk zu legen. Zu kompliziert waren ihre Geschäfte, zu undurchsichtig ihr ausgeklügeltes System. Vorbei an Justiz und Gesellschaft gingen sie in der Regel unbehelligt ihren kriminellen Machenschaften nach. Bis jetzt.
Razzien in Berlin und Hamburg
Es ist 6 Uhr am Donnerstagmorgen, als 500 Einsatzkräfte der Polizei zeitgleich in Berlin und Hamburg zuschlagen. Schwer bewaffnete Einheiten sind angerückt. Die GSG 9, spezialisiert auf Terrorbekämpfung, hochgerüstete Sondereinsatzkommandos und reguläre Polizeikräfte aus den Ländern und dem Bund. Massive Polizeipräsenz also, auf alles vorbereitet. 27 Durchsuchungsbeschlüsse haben sie im Gepäck und drei Haftbefehle.
Im Visier Mitglieder des Abou-Chaker-Clans und die Rockergang Hells Angels. Sie sollen eine kriminelle Vereinigung gegründet haben. Es geht um Geldwäsche und Immobilien, um kriminelle Machenschaften und Mafia ähnliche Verbindungen zwischen den Clans und der Rockergruppe.
Neuer Ansatz der Ermittler
Follow the money, folge dem Geld. Das ist seit drei Jahren der einheitliche Marschbefehl in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Hatte man sich die Jahre zuvor auf einzelne Straftaten konzentriert, so wollten die Staatsanwaltschaften jetzt wissen, woher die Großfamilien eigentlich genau ihr Geld haben. Womit bezahlen sie ihre Häuser, ihre Grundstücke und ihre Nobelkarossen. Schnell wurde klar: Es geht um Millionen und es geht um Geldwäsche im ganz großen Stil. Und die Strafverfolger wissen: Kommen wir an das Geld der kriminellen Clanmitglieder, dann wird es für sie eng.
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Millionen der Clans im Visier
Zunächst musste also der Geldfluss beobachtet werden. Es waren zum Beispiel Überfälle, wie 2014 auf eine Sparkassenfiliale in Berlin. Fast 10 Millionen Euro wurden damals erbeutet. Aber Beute ist “heiß“ und muss schnell weg. Dabei sind dann die international vernetzten Clanmitglieder sehr hilfreich. Das Geld wandert oft zunächst ins Ausland und kommt von dort dann wieder zurück. Als Leihgabe, eines hilfreichen Familienmitgliedes, als Kredit oder was auch immer. Hier in Deutschland wird das Geld nun angelegt, in Immobilien. Das garantiert Mieteinnahmen und zusätzlich einen steigenden Wert der Immobilie.
Wollten die Behörden früher den Weg des Geldes nachvollziehen, dann mussten sie zunächst den Nachweis erbringen, dass die Immobilien mit dem Geld zum Beispiel aus dem Bankraub gekauft wurden. Dieser Beweis war kaum zu erbringen. Denn die ausländischen Banken hätten den Transfer und Kundendaten offenlegen müssen und deren Interesse, gute Kunden zu vergraulen, war naturgemäß eher verhalten. 2017 wurde es dann der Politik zu bunt. Sie brachte ein Gesetz auf den Weg, mit dem die Justiz nun deutlich leichter Immobilien beschlagnahmen können. Nun können Vermögenswerte einbehalten werden, selbst wenn noch nicht genau klar ist, wo das Geld für den Kauf der Häuser herkommt. Und man traf Vereinbarungen mit den ausländischen Banken. Man versprach Ihnen einen Teil des konfiszierten Geldes, wenn sie Einblicke in den Zahlungsverkehr liefern. Einige Banken sollen sich darauf auch eingelassen haben.
Erste Erfolge
Seitdem wurden fast 80 Immobilien allein in Berlin beschlagnahmt. Und die ersten Gerichtsurteile lassen hoffen. Im Stadtteil Alt-Buckow hatte die Staatsanwaltschaft 2018 eine feudale Immobilie beschlagnahmt. Dagegen hatte die Familie gerichtlich Beschwerde eingelegt. Ohne Erfolg. Das Haus und ein weiteres gehören jetzt dem Land Berlin. Und auch die Mieteinnahmen der knapp 80 Immobilien wurden richterlich beschlagnahmt. Sollten die Gerichte weiterhin die Gewinnabschöpfung genehmigen, dann wird den kriminellen Clanmitgliedern vor allem das entzogen, was sie am meisten schätzen: ihr Geld.