Kerry vor Treffen mit Lawrow: "Glauben wir, dass die Krim einen Atomkrieg wert ist?"

Zwei Tage vor dem umstrittenen Krim-Referendum über den Anschluss an Russland bemüht sich US-Außenminister John Kerry weiter, die explosive Lage in der Ukraine zu entschärfen. Bereits zum dritten Mal innerhalb von zehn Tagen trifft er heute seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, um über die Krise in der osteuropäischen Republik zu sprechen. Ihre vorherigen Gespräche in Rom und Paris waren nahezu ergebnislos verlaufen, auf eine gemeinsame Linie einigten sich die beiden Chefdiplomaten nicht.

Russia's Foreign Minister Sergei Lavrov (L) and U.S.Secretary of State John Kerry meet  to discuss the Ukraine crisis, at the Conference on International Support to Libya,  in Rome March 6, 2014. It is the second meeting in as many days between Kerry and Lavrov, who met in Paris on Wednesday to talks about the crisis over the crisis in Ukraine's Crimea Peninsula. REUTERS/Kevin Lamarque (ITALY - Tags: POLITICS TPX IMAGES OF THE DAY)
US-Außenminister Kerry (links) trifft heute in London erneut seinem russischen Amtskollegen Lawrow, um über die Krise auf der Krim zu sprechen.

In einem kurzen Telefonat hatte Kerry sein Gegenüber gewarnt, dass eine weitere Eskalation einen "Preis" haben werde. Zugleich stellte er bei einer Anhörung im Kongress allerdings klar, dass die USA eine diplomatische Lösung des Konflikts vorziehen würden. "Glauben wir, dass die Krim einen Atomkrieg wert ist?", reagierte er auf eine Frage im Außenausschuss des Repräsentantenhauses. Sowohl die USA als auch die US-Bürger hätten auf diese Frage eine klare Antwort.

Auch im Umgang mit der Übergangsregierung in Kiew versuchten die USA weiterhin, eine mögliche militärische Konfrontation zu verhindern. Laut einem Bericht des 'Wall Street Journal' lehnten sie ein Gesuch Kiews ab, Militärhilfen wie Waffen und Munition in die Ukraine zu senden, um die Spannungen mit Russland nicht weiter anzuheizen. Ein hoher US-Beamte präzisierte nach Angaben des Blattes zur Frage einer Militärhilfe für die Ukraine: "Es ist kein Nein für immer, sondern ein Nein fürs Erste".

Gemeinschaft soll "legitimes" Interesse Russlands an der Krim anerkennen

Vor dem Londoner Treffen gab das Weißen Haus bekannt, mit welcher Strategie die USA auf Russland zugehen werden. Kerry habe Lawrow ein Angebot gemacht, sagte Regierungssprecher Jay Carney. Es biete Russland die Möglichkeit, den Konflikt beizulegen. Demnach solle die internationale Gemeinschaft anerkennen, dass Russland "legitime" Interessen und eine Marinebasis in der Ukraine hat. Die Welt solle auch anerkennen, dass beide Länder wegen der in der Ukraine lebenden ethnischen Russen tiefe kulturelle und historische Bindungen haben.

Eine "robuste" Überwachungsmission soll zudem sicherstellen, dass sowohl ukrainische als auch russische Interessen geachtet werden, sagte Carney. Mit diesem Schritt reagiert Washington auf Moskaus Vorwurf, dass die ethnischen Russen in dem ehemaligen Sowjetstaat unfair behandelt würden.

Zudem wollen die USA die ukrainische Abhängigkeit von russischem Gas etwas eindämmen. Der US-Gasexport nach Europa wäre ein "Hammer über Russland" und ein "starkes Signal", sagte der Abgeordnete Edward Royce. Die Energiebehörde habe bereits sechs Lizenzen für den Export von täglich insgesamt 240 Millionen Kubikmeter erteilt, sagte Kerry. Der Gasexport im großen Umfang werde allerdings erst im Jahr 2015 anlaufen. Langfristig sei man jedenfalls darauf vorbereitet, die ukrainische Abhängigkeit im Energiesektor zu kippen.

Truppenbewegungen auf der Halbinsel Krim würden "jeden Tag sehr, sehr genau" beobachtet, versicherte Kerry. Nach US-Schätzungen befinden sich dort derzeit rund 20.000 Truppen, den geltenden Abkommen zufolge seien aber bis zu 25.000 erlaubt. Aktuell habe Russland auch nicht die nötigen Mittel, um "einzumarschieren und die gesamte Ukraine zu übernehmen" - was sich aber sehr schnell ändern könne, so Kerry. Auch in diesem Fall sei eine direkte Konfrontation mit russischen Truppen eher unwahrscheinlich, würde nach Einschätzung der Ukraine aber zu einem "Langzeit-Aufstand" führen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF), der die finanziell schwer angeschlagenen Ukraine stabilisieren will, kündigte unterdessen eine Verlängerung seiner Mission in Kiew an. Die Experten sollen noch bis 21. März dort bleiben, teilte IWF-Chefin Christine Lagarde in Washington mit. Das Land will seinen finanziellen Kollaps mit Kredithilfen der internationalen Geldgeber abwenden.