"Die Russen machten Jagd auf uns. Sie hatten eine Liste mit Namen."

Journalisten in Mariupol gelingt Flucht vor russischen Soldaten

A car damaged by shelling that was used by Associated Press journalists to escape from the Mariupol blockade sits parked in Ukraine, Thursday, March 17, 2022. (AP Photo/Mstyslav Chernov)
Das notdürftig reparierte Auto, mit dem die beiden Reporter aus Mariupol fliehen konnten.
deutsche presse agentur

Sie galten als die letzten Journalisten, die noch in der belagerten Stadt Mariupol im Südosten der Ukraine ausharrten. Nun ist zwei ukrainischen Reportern der Nachrichtenagentur „Associated Press“ die Flucht aus der Stadt mit Hilfe ukrainischer Soldaten gelungen. Die beiden Journalisten waren zuvor von der russischen Armee gejagt worden, wie einer der beiden in einem Bericht schreibt.
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"Sie hatten eine Liste mit Namen"

Associated Press videographer Mstyslav Chernov reads news on his phone three days before the start of Russian invasion in Volnovakha, Ukraine, Monday, Feb. 21, 2022. On the evening of Feb. 23, Chernov headed to Mariupol with colleague Evgeniy Maloletka. (AP Photo/Evgeniy Maloletka)
"AP"-Reporter Mstyslav Chernov drei Tage vor dem russischen Überfall auf die Ukraine. Foto: Evgeniy Maloletka
MC, AP, Evgeniy Maloletka

Der ukrainische Journalist Mstyslav Chernov und sein Kollege, der Fotograf Evgeniy Maloletka, konnten nach eigenen Angaben mit dem Auto aus der belagerten Stadt Mariupol fliehen. Zuvor seien sie von russischen Soldaten gejagt worden. "Die Russen machten Jagd auf uns. Sie hatten eine Liste mit Namen, darauf auch unsere, und sie kamen immer näher“, schreibt Chernov für die Nachrichtenagentur „Associated Press“. Der Grund: „Wenn sie dich erwischen, werden sie dich vor die Kamera holen und dich dazu bringen, zu sagen, dass alles, was du gefilmt hast, eine Lüge ist“. So beschreibt Chernov den Moment, als ukrainische Verteidiger der Stadt die beiden Reporter vor den herannahenden Russen warnten und in Sicherheit brachten.

Chernov und Maloletka blieben zuvor in der Stadt, um die Zerstörung und die Blockade durch Putins Truppen zu dokumentieren: „Ohne Informationen aus einer Stadt, ohne Bilder von zerstörten Gebäuden und sterbenden Kindern, konnten die russischen Streitkräfte tun, was sie wollten. Ohne uns gäbe es nichts.“ Das habe beide dazu verleitet, in der Stadt zu bleiben. „Das hat Russland wütend genug gemacht, uns zu jagen“, so Chernov.

Mit vermitteltem Auto aus der Belagerung

Am Tag, als sie schließlich doch Mariupol verließen, seien Chernov und Maloletka mit einer dreiköpfigen Familie in einem Auto aus der Stadt gefahren. Die ukrainischen Streitkräfte hätten sie vermittelt. Weil am gleichen Tag rund 30.000 Menschen aus Mariupol fliehen konnten, seien die beiden Journalisten im Auto des Kleinwagens nicht aufgefallen. An 15 Checkpoints der russischen Armee seien sie vorbei gefahren. Chernov begriff dabei nach eigener Aussage, weshalb Mariupol nicht von der übrigen ukrainischen Armee befreit werde: „Ich verstand, dass die ukrainische Armee so viel Boden durchbrechen musste, um die Stadt zu erreichen. Und das würde nicht passieren.“

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Zwei Wochen harrten Chernov und Maloletka aus

09.03.2022, Ukraine, Mariupol: Ukrainische Rettungskräfte und Freiwillige tragen eine verletzte schwangere Frau aus einer Entbindungsklinik, die durch Beschuss in Mariupol, Ukraine, beschädigt wurde. (zu dpa «Schwangere und ungeborenes Kind nach Angriff in Mariupol gestorben») Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Das berühmte Bild einer verletzten, schwangeren Frau, die nach dem Raketenangriff auf eine Geburtenklinik in Mariupol wenig später starb. Fotograf Maloletka schoss das Bild.
Evgeniy Maloletka, AP, AP

Die beiden Berichterstatter verbrachten die ersten zwei Wochen des Krieges in Mariupol. In ihrem Bericht, den Chernov für die Agentur „Associated Press“ nach ihrer Flucht veröffentlichte, schildert er die schreckliche Lage in der Stadt ausführlich. Sie berichteten zuvor auch über den Angriff auf eine Geburtenklinik, der weltweit für Empörung sorgte. Russische Botschafter in London und bei der UN versuchten daraufhin, die Bilder und Berichte der beiden als Fälschungen darzustellen. (jak)