NSU-Akten veröffentlicht

Transparent oder rechtswidrig? Hessische Parteien uneinig über Böhmermann-Leak

Geheime Akten des deutschen Geheimdienstes sind seit vergangenem Freitag nicht mehr ganz so geheim. Eigentlich hätten die Berichte des hessischen Verfassungsschutzes noch 30 Jahre lang unter Verschluss bleiben sollen. Jan Böhmermann und sein „ZDF Magazin Royale“-Team sahen diese Entscheidung etwas anders und haben die Informationen für Zuschauer und andere Interessierte im Netz preisgegeben, was sich mittlerweile zum Nachteil für den Verfassungsschutz und seine Arbeit selbst entwickelt hat.

Rolf Vennenbernd
30 Jahre unter Verschluss - das war Böhmernann und seinem Team wohl zu lang. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
deutsche presse agentur

Hessische Politiker äußern sich

Während die Veröffentlichung der NSU-Akten online für große Aufregung sorgt, spaltet sich die Meinung hessischer Parteien zu dem vermeintlichen Skandal. Die SPD fordert schon seit Jahren eine vernünftige Aufklärung über die Dokumente und auch die Linke positioniert sich jetzt deutlich FÜR diese Bekanntgabe: „Wir finden es natürlich gut, dass dieser Bericht jetzt endlich das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Das sind wir den Opfern schuldig.“, so Torsten Felstehausen heute in unserem RTL-Interview.

Ein Kommentar von Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bleibt bisher aus, dafür kritisiert Holger Bellino von der CDU den Böhmermann-Vorgang aber scharf: „Es gibt dennoch auch rechtliche Grenzen. Vor allen Dingen gibt es auch ethische Grenzen.“

CDU-Politiker Holger Bellino im RTL-Interview.
Holger Bellino von der CDU steht der Veröffentlichung kritisch gegenüber.
rtl.de

Die berühmten Akten

Bei den veröffentlichten Dokumenten handele es sich um Beweise rund um den Zusammenhang von ausgeübtem Rechtsextremismus und dem NSU. Unter dem Namen „Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen im Jahr 2012“ sollten die Papiere eigentlich anfangs für ganze 120 Jahre, später für wenigstens 30 Jahre geheim gehalten werden.

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Fall NSU und der Verfassungsschutz

Der Nationalsozialistische Untergrund, kurz NSU, bezeichnet eine rechtsextreme Terror-Bande in Deutschland. Diese Gruppierung wird für den Mord an zehn Menschen hauptsächlich türkischer Herkunft verantwortlich gemacht. Die grundsätzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Gefahren wie Extremismus und Terrorismus zu erkennen und die innere Sicherheit im Land zu gewährleisten. Laut der Linken, der SPD und laut Böhmermann soll der Geheimdienst dabei auf ganzer Linie versagt haben. Schließlich war es der Terror-Gruppe über sieben Jahre ohne Konsequenzen möglich, unerkannt das Leben Unschuldiger zu nehmen.

Fehler oder Komplettversagen?

Genau das sollen die offenbarten Akten beweisen. Denn so schlimm es das „Magazin Royale“-Team auch darstellt, viele der in den Akten enthaltenden Informationen seien zumindest den Ausschuss-Mitgliedern längst bekannt gewesen. Neue schockierende Erkenntnisse über die Täter selbst könne man laut der Linken nicht in ihnen lesen. Viel mehr zeigen sie laut Günter Rudolph (SPD) genau das auf, was auch Böhmermann mit seiner Recherche ans Licht bringen wollte: Die „schlechte“ und „schlampige Arbeitsweise“ des Verfassungsschutzes.

Innerhalb der Akten gibt der Verfassungsschutz selbst zu, im Umgang mit der rechts veranlagten Szene gravierende Fehler gemacht zu haben. Der Meinung ist auch Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und bezeichnet es als „Komplettversagen“. In einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur sagt sie, man „sei Hinweisen nicht nachgegangen und hätte schlichtweg einfach nichts getan.“ Basay-Yildiz vertrat im Prozess die Familie des allerersten NSU-Opfers. (mma/dpa)