Messina Denaro nach 30 Jahren gefasst

Erst der Krebs brachte Italiens Super-Mafioso hinter Gitter

HANDOUT - 04.07.2011, Italien, Palermo: ARCHIV - Das am 04.07.2011 von der Polizei veröffentlichte Phantombild zeigt Matteo Messina Denaro, auch bekannt als Diabolik. Das Bild wurde gealtert, um ein früheres Phantombild aus dem Jahr 2007 zu aktualisieren. Wie die italienische Polizei am 16.01.2023 mitteilte, wurde der Chef der sizilianischen Cosa Nostra und meistgesuchte Verbrecher Italiens in Palermo festgenommen. Foto: Police/ANSA/epa/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Mit diesem Phantombild aus dem Jahr 2011 suchte die italienische Polizei Messina Denaro.
PicPool
von Udo Gümpel

30 Jahre Dienst als Mafia-Boss sind für Matteo Messina Denaro zu Ende. Wie sein Vorgänger Toto Riina vor drei Jahrzehnten wurde er in Palermo festgenommen. Drei Jahrzehnte, in denen es den Ermittlern nicht gelang, Denaro dingfest zu machen. Am Ende war es der Krebs, der ihn hinter Gitter brachte: Der 60-Jährige wollte sich unter falscher Identität in einer Privatklinik behandeln lassen – Spezialkräfte nahmen ihn dort fest.

Messina Denaro galt als unauffindbar

A screengrab taken from a video shows Matteo Messina Denaro the country's most wanted mafia boss after he was arrested in this handout photo obtained by Reuters on January 16, 2023. Handout via REUTERS ATTENTION EDITORS THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY.
Matteo Messina Denaro nach der Festnahme.
deutsche presse agentur

Denaro stand als Superboss der ehrenwerten Gesellschaft der sizilianischen Mafia vor, die sich selbst gar nicht "Cosa Nostra" nennt, wie wir es tun. Sondern ganz einfach "die Organisation". Der 2017 gestorbene Riina hatte zu Lebzeiten im Gefängnis Gerüchte gestreut, Denaro sei "wohl ins Ausland gegangen". Wohl nur ein Ablenkungsmanöver, denn Riina wusste natürlich, dass er in allen Gefängnisräumen abgehört wird.

Messina Denaro galt als unauffindbar, er hatte kein Handy, keinen Computer, nichts, was ihn im Internet verraten konnte. Der 60-jährige Boss aus Castelvetrano hatte über Jahrzehnte ein sehr einfaches System der Kommunikation mit der "Organisation" – über Zettel, auf denen per Code "Ein Steak" bestellt wurde, "Glückwünsche" ausgerichtet wurden, dem Onkel das Beste gewünscht wurde: In der Regel waren dies in Wirklichkeit Todesurteile oder Anweisungen, an wen Drogen zu liefern seien oder wie Erpressungsgelder zu verteilen waren.

Mafia-Boss fühlte sich im Krankenhaus in Palermo sicher

Eine ganz besondere Beziehung hatte die Cosa Nostra – wir bleiben beim geläufigen Namen – zum Gesundheitswesen. Das liegt in Italien in der Zuständigkeit der jeweiligen Region: ein unerschöpflicher Topf von staatlichen Zuwendungen, die die Mafien Italiens gerne anzapfen. So kosten Einwegspitzen in Sizilien mal schnell das Zehnfache im Vergleich zu Bozen. Auch zählt die Historie: Michele Navarra, der Boss von Corleone, dessen Mafiagruppe seit dem Kriegsende die Cosa Nostra dominiert, hatte das kommandierende "Mandamento" gegründet, wie die streng hierarchisch aufgebaute Cosa Nostra die territorialen Basiseinheiten nennt: Navarra war der Haus- und Familienarzt von Corleone.

Kein Wunder also, dass sich Matteo Messina Denaro in einem Krankenhaus von Palermo, dem Day Hospital La Maddalena, sicher fühlte, dort regelmäßig zur Behandlung eines Tumors erschien. Natürlich stellt sich die Frage, ob man ihn nicht so eher hätte fangen können. Natürlich gab es in der Vergangenheit Ermittlungspannen. So ließ man den Boss Bernardo Provenzano einige Male wohl bewusst durch die Kontrollen rutschen, weil man, so rechtfertigten die Carabinieri-Offiziere das damals, seine Mittelsmänner fangen wollte. Auch wurde bei der Verhaftung von Toto Riina vor 30 Jahren dessen Versteck nicht sofort durchsucht, weil man, das erklärte ein am Einsatz beteiligter Carabinieri-Offizier in diesen Tagen, eben Hintermänner anlocken wollte.

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Italien: Messina Denaro war Drahtzieher der Bombenanschläge auf zwei Staatsanwälte

All the identikits released by investigators, over the years, of Matteo Messina Denaro, 60, boss of the Sicilian Mafia, Italy's most wanted man, captured in Palermo, in a private clinic.
Pictured: Matteo Messina Denaro
Ref: SPL5515316 160123 NON-EXCLUSIVE
Picture by: DAPRESS / SplashNews.com




World Rights, No Bulgaria Rights, No Estonia Rights, No Czechia Rights, No Greece Rights, No Croatia Rights, No Hungary Rights, No Italy Rights, No Slovakia Rights, No Montenegro Rights, No Serbia Rights, No Romania Rights, No Russia Rights, No Slovenia Rights, No Turkey Rights, No Ukraine Rights
Die Ermittler brauchten 30 Jahre, um den Mafia-Boss dingfest zu machen.
action press, ActionPress

Als man dann das luxuriöse Versteck von Toto Riina ausräumte, war es feinsäuberlich von allen Spuren gereinigt worden. Dumm gelaufen. Aber Korruption oder gar Zusammenarbeit mit der Mafia, wie eine der Anklagen gegen die beteiligten Carabinieri hieß, war es nicht: Die langjährigen Prozesse gegen höchste Offiziere endeten am Ende alle mit Freisprüchen, auch wenn unzweifelhaft festgestellt wurde, dass die Cosa Nostra auch im Polizeiapparat ihre Informanten hatte.

Trotz alledem oder gerade deswegen ist die Verhaftung von Denaro Messina ein großer Erfolg für den Staat, allein wegen der Symbolkraft des Namens. Messina Denaro ist für 20 Morde rechtskräftig verurteilt worden, darunter auch als Drahtzieher für die Bombenanschläge auf die beiden Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino und deren Eskorten 1992.

Macht der Cosa Nostra in Italien ungebrochen

Aber Messina Denaro wollte dann mit den Bombenanschlägen nicht mehr weitermachen. Darüber beklagt sich dann auch Riina. Denaro Messina wollte wieder nach dem alten Motto der Cosa Nostra leben: Wenn die Flut über dich kommt, das Knie beugen und dann wieder aufstehen. Unerkannt arbeiten. Tatsächlich erkannte Denaro Messina die Zeichen der Zeit. Er investierte massiv in Windräder, ließ sie überall aufstellen – auch da, wo kaum Wind weht. Aber um erneuerbare Energien ging es ihm ja weniger als vielmehr um die Subventionen bei deren Bau. Das hat den Bau von Windkraftanlagen in Süden natürlich in einen gewissen Verruf gebracht.

Dass Matteo Denaro Messina so lange den Fänger-Einheiten der Carabinieri entgehen konnte, ist kein Beweis für deren Korruption, sondern für die anhaltende Stärke der Cosa Nostra, die sich auf eine immer noch breite Zustimmung, tausende von Zuträgern und stillen Mitarbeitern stützen kann. Warum? Einfach, weil sie viel Geld zu verteilen hat. Diese Macht der Cosa Nostra ist immer noch intakt.

Nun hat ihn der Krebs zur Strecke gebracht, die Notwendigkeit, sich regelmäßig an einem Ort zu einer bestimmten Stunde einzufinden. Das Gegenteil der Überlebensregel im Untergrund.