Internationale Beobachter auf der Krim: Auch Bundeswehr soll Lage sondieren
Kleiner Hoffnungsschimmer in der Krim-Krise: Internationale Beobachter sollen nun Klarheit über den umstrittenen Militäreinsatz Kreml-treuer Truppen auf der ukrainischen Halbinsel im Schwarzen Meer schaffen. An der unbewaffneten militärischen Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beteiligen sich auch zwei Bundeswehrsoldaten. Die unbewaffneten Militärbeobachter seien zusammen mit ihren Kollegen aus anderen Ländern auf dem Weg in die Ukraine, teilte das Verteidigungsministerium mit. Bis zum kommenden Mittwoch sollen sie dort militärische Aktivitäten Russlands beobachten. Ob die Gruppe Zugang zur Krim bekommt, ist nach wie vor unklar. Unterdessen läuft die Krisen-Diplomatie auf Hochtouren.

Erstmals seit der Eskalation der Lage auf der Krim treffen heute Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry zusammen, teilte ein russischer Diplomat der Agentur Interfax mit. Offizieller Anlass ist ein Treffen der Unterstützergruppe für den Libanon in Paris. An den Gesprächen beteiligen sich auch die Außenminister Frank-Walter Steinmeier (Deutschland/SPD), William Hague (Großbritannien) und Laurent Fabius (Frankreich). Sie sollen die geforderte Kontaktgruppe zur Lösung des Konfliktes bilden. Unsicher ist, ob auch der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschiza dabei sein wird. Ein erster Versuch, ihn und Lawrow an einen Tisch zu bringen, war zuvor in Madrid gescheitert.
"Die Menschen auf der Krim hoffen natürlich, dass es keinen Krieg gibt. Und es gibt so etwas wie ein ganz leichtes Aufatmen", berichtet RTL-Reporter Dirk Emmerich aus Sewastopol. "Putin hat gestern erklärt, ein großangelegtes militärisches Eingreifen in der Ukraine steht erst einmal nicht bevor. Hier auf der Krim ist das anders, hier hat die Intervention ja eigentlich schon stattgefunden – auf dem Parlament weht seit einer Woche die russische Fahne."
Heute befasst sich in Brüssel überdies auch der Nato-Russland-Rat mit der heiklen Lage. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte sich zuletzt sehr alarmiert geäußert: "Trotz wiederholter Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft verletzt Russland weiterhin die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit und missachtet die eigenen internationalen Verpflichtungen."
Sicherheitsvorkehrungen an Atomanlagen verstärkt
"Die große Gefahr ist im Augenblick, dass die Emotionen zwischen den Volksgruppen hier weiter aufkochen", schildert RTL-Reporter Emmerich von der Krim. "Plötzlich spielt es eine Rolle ob man Russe ist, Ukrainer ist, oder womöglich irgendwann aus der West-Ukraine hierher eingereist ist. Es gibt hitzige Diskussionen unter den Menschen – ein Funken könnte genügen, das hier weiter eskalieren zu lassen. Die Kriegsgefahr ist noch lange nicht gebannt."
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führte ein langes Telefonat mit US-Präsident Barack Obama "zur nach wie vor besorgniserregenden Lage in der Ukraine", wie Regierungssprecher Steffen Seibert sagte. Dabei habe Einvernehmen in der Beurteilung der jüngsten Entwicklungen bestanden und der Schlussfolgerungen, die daraus zu ziehen seien.
Kerry forderte nach politischen Gesprächen in Kiew, Moskau müsse seine Truppen zurück in die Kasernen rufen. Sonst würden die USA und ihre Partner Russland "politisch, diplomatisch und wirtschaftlich isolieren". Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten könnten schon morgen Sanktionen beschließen. Infrage kommt etwa, Gespräche mit Moskau über Visa-Erleichterungen auszusetzen oder gar Einreiseverbote zu verhängen sowie Bankkonten einzufrieren.
Die USA beschuldigen den Kreml, in den vergangenen Tagen mit Tausenden Soldaten, die aus Kalkül keine Abzeichen tragen, die überwiegend von Russen bewohnte Halbinsel besetzt zu haben. Wie Präsident Putin bestritt dies nun auch Außenminister Lawrow: Russland könne die bewaffneten "Selbstverteidigungs-Gruppen" auf der Krim nicht zurückkommandieren, denn es sei kein russisches Militär. Das Personal der russischen Schwarzmeerflotte halte sich in den Stützpunkten auf. Zudem sei es Sache der Behörden der Krim und der Ukraine zu entscheiden, ob sie internationale Beobachter zuließen.
Die USA sicherten der nahezu bankrotten Ukraine eine Milliarde US-Dollar (726 Mio Euro) Hilfe für die Energieversorgung zu. Kiew ist von Gaslieferungen aus Russland abhängig. Die Europäische Union will Finanzhilfen in Höhe von insgesamt elf Milliarden Euro bereitstellen. Diese Summe ergebe sich aus verschiedenen Maßnahmen in den kommenden Jahren, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Wie besorgt die neue ukrainische Führung derzeit ist, zeigt eine andere Maßnahme. Sie hat wegen der anhaltenden Krise die Sicherheitsvorkehrungen an ihren Atomanlagen verstärkt. Grund sei die "ernste Bedrohung der Sicherheit" durch das russische Militär, teilte die Regierung der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien mit. In dem Land sind 15 Atomreaktoren an vier AKW in Betrieb.