„Placebo-Effekt"

Schnell einen Ingwer-Shot, dann ein Heißgetränk als Immunbooster? Arzt fällt vernichtendes Urteil!

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Verbraucherschützer warnen aktuell wegen zu viel Zucker vor Immunbooster-Produkten aus dem Handel.
Bill Oxford, iStockphoto

Es ist nasskalt, wir versuchen weniger zu heizen und fühlen uns der Jahreszeit entsprechend leicht verschnupft – ist doch klar, dass wir uns da schnell und unkompliziert etwas Gutes tun wollen. Wie wäre es also zum Beispiel mit einem Ingwer-Shot aus dem Handel? Kann man machen, so hilfreich sind die Inhaltsstoffe oft aber leider nicht – warnt aktuell die Verbraucherzentrale NRW. Kunden müssten darauf achten, nicht in die Zucker-Falle zu tappen. Medizinjournalist und Arzt Dr. Christoph Specht fällt ein vernichtendes Urteil zu Immunbooster-Heißgetränken und Shots.
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Nahrungsergänzungsmittel: „Booster für das Immunsystem ist nicht zu erwarten“

Zeit für einen Immunbooster oder für „einen Löffel Gesundheit“? Heißgetränke, Direkt-Sticks, Kindersäfte und Shots mit Granatapfel, Holunder, Sanddorn, Salbei, Echinacea oder Zitrone sollen die Abwehrkräfte in Schwung bringen. Was verlockend klingt, hat jedoch mehrere Haken, warnen Verbraucherschützer.

Diese Nahrungsergänzungsmittel können nämlich eine ganze Menge Zucker liefern und die Hersteller sind nicht verpflichtet, das auf der Verpackung anzugeben, erklärt die Verbraucherzentrale NRW in einer aktuellen Mitteilung. Zudem helfen sie höchstens bei einer Unterversorgung, ein Booster für das Immunsystem ist nicht zu erwarten. In einem Marktcheck hat die Verbraucherzentrale insgesamt 19 solcher Produkte unter die Lupe genommen.

„Wir haben mehrere Probleme festgestellt”, sagt Angela Clausen, Referentin für Lebensmittel im Gesundheitsmarkt, „und das erste ist der Zucker.” Die ausgewählten Produkte aus Drogerien und Apotheken enthalten bis zu 14 Gramm Zucker pro Portion.

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„Löffel voller Gesundheit“: Immunbooster-Produkte aus Drogerien und Apotheken in der Kritik

„Das sind 28 Prozent der Höchstmengenempfehlung von 50 Gramm pro Tag für Erwachsene, also mehr als ein Viertel davon. Das Kinderprodukt eines Herstellers enthält sogar 30 Prozent mehr Zucker als die Produkte für die Großen.“ Ein anderer Hersteller nennt als Hauptzutaten für den „Löffel voller Gesundheit“ Zucker, Wasser, Zuckersirup, Saftkonzentrat und Malzextrakt.

Während auf der Verpackung eines Nahrungsergänzungsmittels die wertgebenden Inhaltsstoffe wie Vitamine oder Mineralstoffe pro Tagesmenge aufgeführt sein müssen, darf laut Gesetz auf folgende Angaben verzichtet werden:

  • Kalorien

  • Fett

  • Zucker

Dabei kann so ein Immunbooster-Heißgetränk durchaus bis zu 60 kcal liefern, so die Verbraucherschutz-Experten. Zwar seien auch Hersteller auf dem Markt zu finden, die diese Angaben freiwillig nennen. In der Untersuchung hätten sie jedoch auf 13 der 19 Produkte gefehlt.

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„Eindeutig eine Lücke im Gesetz“: Hersteller dürfen auf Kalorien-Angaben verzichten

„Das ist eindeutig eine Lücke im Gesetz“, sagt Angela Clausen.

Ihr Tipp: Wer keine Angaben zu Kalorien oder Zucker auf der Packung findet, sollte in der Zutatenliste auf folgende Begriffe achten:

  • Zucker

  • Glukosesirup

  • Fruchtzucker

  • Fruktosesirup

  • Honig

  • Dextrose

  • Malzextrakt

  • Maltodextrin

  • Fruchtpulver und -konzentrate

  • Säfte

Manche Produkte enthalten stattdessen oder zusätzlich Süßstoffe wie Sucralose, Steviolglykoside, Aspartam oder Saccharin.

„Ein Booster für das Immunsystem ist nicht zu erwarten“

Ein weiteres Problem bei den Produkten: Das Versprechen, es helfe der Gesundheit. Auch wenn Granatapfel, Zitrone oder Sanddorn den Produktnamen bestimmen, gibt es für diese Pflanzen keine erlaubten gesundheitsbezogenen Angaben mit Blick auf eine Stärkung des Immunsystems. Die Nennung ist eher als Geschmacksangabe zu verstehen. Entscheidend sind die zugesetzten Nährstoffe wie Vitamin C oder Zink. Für diese sind Aussagen erlaubt, wie „trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei“. „Das hilft bei einer Unterversorgung, mehr aber nicht.

„Ein Booster für das Immunsystem ist nicht zu erwarten“, so Clausen. Aussagen wie „zur Vorbeugung und Bekämpfung von Erkältungen, Viren und grippalen Effekten“ oder „hilft bei der Entwicklung von Abwehrzellen“ sind für Lebensmittel verboten.

Auch ein „Viel hilft viel“ nützt nicht wirklich. Überflüssiges scheidet der Körper im besten Falle einfach direkt wieder aus, im schlimmsten Fall sammelt er es an. Wer solche Produkte nutzt, sollte daher auf die Prozentangaben neben der Tagesdosis achten, hier sollten 100 Prozent (für Erwachsene) nicht überschritten werden.

Ihre Meinung ist uns wichtig: Was halten Sie von Nahrungsergänzungsmitteln?

Arzt sieht Nahrungsergänzungsmittel als Immunbooster noch kritischer: „Bringt nichts“

„Es bringt einfach nichts“, fasst der Medizinjournalist und Allgemeinmediziner Christoph Specht sein Urteil über die Immunbooster-Getränke und Shots im RTL-Gespräch zusammen. Der Arzt schließt sich damit der Zucker-Warnung der Verbraucherzentrale an. Es gehe bei den Produkten einfach nur ums Verkaufen. Viele Menschen hätten ein schlechtes Gewissen, weil sie vermeintlich zu wenig Vitamine zu sich nehmen, oder sich zu wenig bewegen – darauf fußt das Geschäftsmodell, kritisiert der Arzt.

„Insbesondere die Shots im Supermarkt haben keine besondere Wirkung und funktionieren höchstens über den Placebo-Effekt“, so Specht weiter. Alles, was die Produkte bringen würden, sei tatsächlich oft die Extra-Portion Zucker.

„Die Menschen denken, dass sie sich mit solchen Produkten etwas Gutes tun. Die Erwartungen an Nahrungsergänzungsmittel sind viel zu hoch. Sie nutzen nur Patienten mit einem nachgewiesenen Mangel und die kommen selten vor. Mit der Ausnahme von Vitamin D“, erklärt Mediziner Dr. Christoph Specht auf RTL-Nachfrage.

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Dr. Christoph Specht - Allgemeinmediziner und Medizinjournalist
Dr. Christoph Specht - Allgemeinmediziner und Medizinjournalist.
Moritz Jansen, photoMo

Arzt appelliert: Vitamin-D-Mangel müssen wir tatsächlich entgegenwirken

Uns allen fehlt es in der kalten Jahreszeit an Sonnenlicht. Hier sollten wir auf natürlichem Wege entgegenwirken, schildert der Arzt. „Wir sollten einfach täglich einen Spaziergang machen, um Vitamin D zu tanken, rät er weiter. „Sportliche Aktivität, das Haus verlassen und sich bewegen, egal bei welchem Wetter, das hilft der Gesundheit mehr als sogenannte Immunbooster aus dem Handel“, so Specht.

Und hat dabei noch einen Ernährungs-Tipp: „Viele von uns haben im Winter einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel, das ist für das Immunsystem nicht förderlich. Vitamin-D-Mangel kann uns alle betreffen. „Viel Lachs essen, Makrelen, oder Aal. Fettiger Fisch ist ein guter Vitamin-D-Lieferant“ rät der Mediziner.

Wer ganz konkret einen Vitamin-D-Mangel testen will, könne dies beim Arzt mit einem Bluttest überprüfen lassen. Das sei jedoch keine Kassen-Leistung.

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Im Video: Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel?

Nahrungsergänzungsmittel Zink mit nachgewiesen guter Wirkung

Was sich laut Dr. Specht als Nahrungsergänzungsmittel-Ausnahme eignet, sei jedoch Zink. „Die Einnahme von Zink kann sogar die Dauer einer Erkältung reduzieren – wenn man es innerhalb von 12 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome einnimmt“, so der Mediziner.

Studien würden zeigen: Menschen, die gleich zu Beginn einer Erkältung Zink zu sich nehmen, seien am siebten Tag häufiger beschwerdefrei als Patienten, die das nicht tun. Auf die Schwere der Beschwerden habe es jedoch keinen Einfluss.