Im Podcast "heute wichtig"
Experte: "Telegram erlaubt, bis auf sexuelle Ausbeutung von Kindern und IS-Propaganda, so ziemlich alles"
Ist der Messenger Telegram so schlecht wie sein Ruf?
Blackbox Telegram – außerhalb der rund acht Millionen Deutschen, die den Messenger nutzen, wissen wohl die wenigsten, wie dieses soziale Netzwerk funktioniert. Was in Deutschland viele damit verbinden, sind Menschen wie Attila Hildmann und Michael Wendler, die ihre Inhalte nahezu ungefiltert dort verbreiten, während das Netzwerk selbst kaum Konsequenzen zieht. Mehr Einblick hat Prof. Matthias Kettemann, Programmleiter am Leibniz-Institut für Medienforschung. Er erklärt im Podcast "heute wichtig" die Unterschiede zu anderen Diensten.
Telegram besonders für geheime Kommunikation attraktiv
Whatsapp ist vor allem für die Kommunikation zwischen Einzelpersonen – Facebook ist für große Gruppen. Und Telegram? Sei beides in einem, so Kettemann. Das macht Telegram für die Behörden bisher zu einer tatsächlichen Blackbox, denn Auskünfte werden von den Verantwortlichen konsequent verweigert, behördliche Briefe und Forderungen schlicht ignoriert.
In Deutschland ist die Plattform deshalb besonders attraktiv für Gruppen, die im Geheimen kommunizieren wollen. Von gefälschten Ausweisen bis Waffen kann man dort fast alles kaufen, wenn man nur weiß, wo. Hass und Hetze wird wild verbreitet, nicht nur in den Gruppen von Hildmann und Co: "Telegram erlaubt bis auf sexuelle Ausbeutung von Kindern und IS-Propaganda so ziemlich alles", sagt der Experte für digitale Kommunikationsräume Prof. Kettemann. Der Wert des Messengers sei die absolute Meinungsäußerungs-Freiheit.
Telegram wurde von einem Russen entwickelt
Doch genau deshalb hat das Netzwerk in anderen Ländern einen ganz anderen Ruf – wird vor allem von Oppositionellen und kritischen Stimmen in Russland oder Weißrussland genutzt. Denn dahinter steckt sozusagen der russische Mark Zuckerberg, so Prof. Kettemann: "Herr Durow, der Gründer von 'VKontakte'. Das ist ein russisches Facebook-Äquivalent. Er ist ein Startup-Millionär und hat vor acht Jahre Telegram gegründet, als eine datenschutzsensible Alternative."
In Deutschland machen sich diese Vertraulichkeit andere Gruppierungen zunutze. So flogen beispielsweise in Dresden radikale Impfgegner auf, die über Telegram Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer verbreiteten.
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Die meisten Inhalte bei Telegram sind verfassungskonform
Doch so negativ Telegram in der Berichterstattung zur Zeit auftaucht – ein Großteil der Inhalte ist rechtskonform. Kettemann ist darum auch gegen ein Verbot der App. Der Experte antwortet Podcast-Host Michel Abdollahi: "Wir wollen nicht in einem Staat leben, der eine ganze Plattform verbietet, nur weil diese ihren Pflichten nicht nachkommt. [...] 90 bis 95 Prozent der Inhalte sind gänzlich unproblematisch. Das wäre ein schrecklicher verfassungswidriger Beifang."
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