Hypertonie ist kein reines Alte-Leute-Problem

Ich bin in den 30ern, Marathonläufer, Nichtraucher - und habe Bluthochdruck

Bluthochdruck in jungen Jahren
Viel in Bewegung, aber trotzdem chronisch krank: Unser Autor ist Bluthochdruck-Patient.
RTL.de/iStock

Symptome spüre ich nicht, und genau das ist das Gefährliche

Jeden Morgen stelle ich mir die gleiche Frage. Und zwar immer gegen 6:30 Uhr nach dem Duschen. Dann drücke ich eine kleine pinke Pille aus einer Aluminiumhülle. Candesartan, 8 Milligramm. Ich nehme die Tablette zwischen die Finger und denke: Wie kann es eigentlich sein, dass ich Bluthochdruck habe? Ich – Ende 30, schlank, Nichtraucher, Hobby Marathonlaufen. Der Witz ist: Ich spüre die „Krankheit“ nicht, habe null Symptome. Und genau das ist das Gefährliche. Denn Bluthochdruck gilt als stiller Killer. Meine halbe Familie hat er wahrscheinlich schon auf dem Gewissen.

von Sebastian Priggemeier

Täglich eine Herztablette. Seit knapp vier Jahren schlucke ich diese kleine Lebensversicherung jetzt schon. Warum? Bluthochdruck (Hypertonie) ist ein Wegbereiter für die häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter – Herzinfarkt und Schlaganfall. 20 bis 30 Millionen Menschen sind laut Robert-Koch-Institut in Deutschland betroffen, die meisten sind über 65 Jahre alt. Aber es gibt auch Kinder und Jugendliche, die darunter leiden. Wobei „leiden" der falsche Begriff ist, denn in jungen Jahren ist Bluthochdruck kaum spürbar.

Im April bin ich 39 geworden. Dass mit meinem Blutdruck etwas nicht stimmt, habe ich aber schon mit 18 erfahren – bei der Musterung für die Bundeswehr. „Lassen Sie das mal abklären“, sagte die Ärztin. „Es könnte auch das ‚Weißkittel-Syndrom’ dahinterstecken. Die Aufregung vor der Untersuchung.“ Ja, das wird es sein, dachte ich mir. Weißkittel-Syndrom. Das war in den Jahren danach meine Ausrede, wenn mal wieder ein Arzt über meinen Blutdruck staunte.

Richtig ernst genommen habe ich meine Krankheit erst mit der Geburt meiner Tochter

Ein paar Jahre später zum Beispiel, beim ärztlichen Check-up vor meinem Sportstudium. „Essen Sie häufig Lakritze?“, fragte mich der Doc. Ich nickte. „Lassen Sie das mal sein, das treibt den Blutdruck hoch.“ Meine Werte beim Belastungs-EKG waren bestens, „nur“ der Blutdruck nicht. Also, Stempel drauf wie bei der Bundeswehr – tauglich, sportlich und gesund, vom Arzt bescheinigt. Trotzdem wusste ich mit Anfang 20, dass mit meinem Herz-Kreislauf-System etwas nicht stimmt. Laktritze habe ich seit diesem Tag übrigens nie mehr gegessen.

Der Blutdruck blieb weiter zu hoch. Trotz Sportstudium, trotz Marathon-Training, trotz gesunder Ernährung. Nichts zu machen. Richtig ernst genommen habe ich meine Krankheit erst mit der Geburt meiner Tochter vor vier Jahren. Ich wollte sie gerne aufwachsen sehen. Also, ab zum Hausarzt, Langzeit-Blutdruckmessung, medikamentöse Einstellung. Diagnose: Erblich bedingte Hypertonie. Das Problem hatte einen Namen, der Arzt einen Plan. Gerettet? Oder habe ich zu spät gehandelt? Ein Großteil meiner männlichen Verwandtschaft liegt schon auf dem Friedhof. Herzinfarkt mit Anfang 50, Feierabend. Kann also sehr gut sein, dass auch ich frühzeitig ins Gras beiße.

Das sollten Sie über Bluthochdruck wissen 5 Fakten
01:17 min
5 Fakten
Das sollten Sie über Bluthochdruck wissen

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Im Video: Was Sie über Bluthochdruck wissen sollten

Ja, ich habe Bluthochdruck. Genau wie fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland. Und unheimlich viele Menschen wissen gar nichts von ihrer Erkrankung. Oder sie wollen es nicht wissen, so wie ich lange Zeit.

Zum Hypertonie-Tag (17. Mai) wünsche ich mir, dass jeder einfach regelmäßig seinen Blutdruck checkt - und einen Arzt um Rat fragt, wenn der Blutdruck auffällig ist (ab einem Messwert von 140/90 mmHg). Worauf Sie beim Blutdruckmessen genau achten sollten, ist hier aufgelistet. Dank der Tabletten haben meine Werte sich schnell normalisiert. Und vielleicht schenkt mir das Mittel ja ein paar zusätzliche Jahre mit meiner Familie.