Hoeneß-Geständnis am 1. Prozesstag: 18,5 Millionen an Steuern hinterzogen
Als Uli Hoeneß den Saal 134 im Münchner Justizpalast betritt, ist es ganz still. Bis auf das hektische Klicken der Kameras ist kaum etwas zu hören. Mit bedächtigen Schritten geht der Präsident des FC Bayern auf den Stuhl zu, auf dem er in den kommenden Tagen auf das Urteil in seinem Steuerprozess warten muss. Dann bleibt er stehen, hebt den Kopf und schaut direkt in die Kameras. In der ersten Reihe verfolgt seine Frau Susi das Verfahren.

Und dieses beginnt mit einem regelrechten Knaller: Hoeneß hat mehr Steuern hinterzogen als ihm bislang vorgeworfen wurde. Der 62-Jährige räumte eine Steuerhinterziehung von gigantischen 18,5 Millionen Euro ein. Am ersten von vier Verhandlungstagen gestand er damit einen Betrag, der rund fünfmal so hoch ist wie die von der Staatsanwaltschaft angenommenen 3,5 Millionen Euro. "Ich bin froh, dass jetzt alles auf dem Tisch liegt. Ich werde alles dafür tun, dass dieses für mich bedrückende Ereignis abgeschlossen wird", betonte Hoeneß. Die Beträge dürften auch an den weiteren Prozesstagen eine Rolle spielen. Offizieller Bestandteil der Anklage sind sie nicht.
Der Bayern-Präsident berichtete in einem der wohl außergewöhnlichsten Steuerprozesse in Deutschland von seiner Zockerei an der Börse. Er habe seinerzeit über ein Züricher Konto der Schweizer Vontobel-Bank mit Devisen spekuliert und die Gewinne in Wertpapiere angelegt. Über 50.000 Transaktionen habe er zwischen 2001 und 2010 gehabt. "Es war immer klar, dass das Konto hauptsächlich zum Zocken da war", sagte Hoeneß. Die Beträge seien immer extremer geworden. "Das war der pure Kick, das pure Adrenalin." Ab dem Jahr 2006 habe sich das Glück dann gewendet. "Es wurde richtig eng." Sein Freund, der frühere Adidas -Chef Robert Louis-Dreyfus, habe ihm mit Millionenbeträgen aus der Patsche geholfen.
Insgesamt hätten sich die Kapitalmarktgeschäfte nicht gelohnt. "Unter dem Strich habe ich von 2003 bis 2009 einen Millionenverlust erlitten." Zudem habe er keine Dokumentation über seine Schweizer Geschäfte angelegt. "Ich hatte keinen Überblick. Letztlich war alles ein großes Durcheinander." Dass die Münchner Staatsanwälte trotz der Selbstanzeige einen Haftbefehl und eine Hausdurchsuchung erwirkten, habe ihn schockiert. "Die Folgen für mich und meine Familie waren katastrophal." Er habe sogar Morddrohungen erhalten. "Ich bin aber kein Sozialschmarotzer", rief Hoeneß. In den letzten Jahren habe er an die fünf Millionen Euro für soziale Zwecke gespendet und in den letzten zehn Jahren mehr als 50 Millionen Euro an Steuern in Deutschland gezahlt.
RTL-Umfrage: Mehrheit glaubt nicht an Gefängnisstrafe für Hoeneß
Ein Stuttgarter Steuerbeamter sagte als Zeuge, er habe bereits 2012 einen Hinweis bekommen. Ein Journalist habe sich mit Fragen gemeldet. Dem Journalisten habe jemand mit der Aussage gefehlt, dass ein Schweizer Nummernkonto dem FC Bayern gehöre. Andererseits seien die Angaben zu vage gewesen, um sie weiter zu verfolgen. Der Journalist habe auch die Nummer des Kontos nicht herausgeben wollen.
"Der Name Hoeneß, das kann ich definitiv sagen, ist zu keinem Zeitpunkt gefallen." Er habe seine Münchner Kollegen informiert. Der dort damit betraute Steuerbeamte habe nach "Ausschlussverfahren" vermutet, dass es sich um Uli Hoeneß handeln könnte. Er habe am 17. Januar 2013 einen Aktenvermerk geschrieben - am Morgen dieses Tages war bereits die Selbstanzeige eingegangen. Der dritte Zeuge wollte nicht vernommen werden, es wurde eine frühere Vernehmung verlesen.
Staatsanwalt Achim von Engel warf Hoeneß vor, etwas mehr als 33 Millionen Euro an Kapitalerträgen, Spekulationsgewinnen und sonstige Einkünften verschwiegen zu haben. Damit habe er rund 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen (Az: W5 KLs 68 Js 3284/13). Weiterhin habe der Angeschuldigte zu Unrecht Verlustvorträge privater Veräußerungsgeschäfte in Höhe von rund 5,5 Millionen Euro erhalten, hieß es im Anklagesatz. Damit kann unter dem Strich der steuerpflichtige Betrag aus Veräußerungsgewinnen gedrückt werden.
Insgesamt wird Hoeneß beschuldigt, "durch sieben selbstständige Handlungen gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt zu haben", heißt es in der Anklageschrift. Es geht um Delikte zwischen 2003 und 2009. Dazu kommen die selbst aufgeworfenen Vergehen in Millionenhöhe. Richter Rupert Heindl wollte wissen: "Ab wann haben Sie entschieden, dass Sie steuerehrlich werden wollen?". Die Antwort blieb unklar.
Die Kernfrage des Verfahrens bleibt: Wird die Wirtschaftskammer am Landgericht München II die Selbstanzeige von Hoeneß von Anfang 2013 ganz oder zumindest teilweise als strafbefreiend bewerten? Im schlimmsten Fall droht Hoeneß eine Haftstrafe. Unter Umständen muss er tatsächlich ins Gefängnis, sollte die Strafe zwei Jahre überschreiten.
In einer von RTL in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage glauben 44 Prozent der Befragten, dass Hoeneß in dem Verfahren aufgrund seiner Bekanntheit vom Richter besser als ein unbekannter Angeklagter behandelt wird. 78 Prozent glauben zudem, dass er nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird.
Einige Experten gehen davon aus, dass sein bisher untadeliger Lebenswandel, sein großes soziales Engagement und auch die - wenngleich fehlerhafte - Selbstanzeige strafmildernd wirken. Die Wirtschaftskammer hat damit auch einen Präzedenzfall. Denn bisher gibt es keine Urteile, wie eine missglückte Selbstanzeige eines Prominenten zu bewerten ist.