"Sie haben auch eine Vorbildfunktion"

Hass auf Fußballer - Sportpsychologe warnt und nimmt Fans in die Pflicht

ARCHIV - 11.02.2023, Sachsen, Leipzig: Fußball, Bundesliga, RB Leipzig - 1. FC Union Berlin, 20. Spieltag, Red Bull Arena. Fans von Union Berlin halten Banner mit der Aufschrift "Red Bull heilt Burnout! Eberl, die Sau. Wird zum Bullenschwein!". Sportpsychiater Valentin Markser sieht in Anfeindungen eine Gefahr. (zu dpa: «Anfeindungen gegen Eberl: Enke-Psychiater appelliert an Fans») Foto: Robert Michael/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Hassrede gegen Max Eberl: Fans von Union Berlin sorgten in Leipzig mit diesem Banner für einen Skandal.
dpa, Robert Michael

Fußball ist ein emotionaler Sport. Doch auch Emotionen haben Grenzen. Anfeindungen und Hass sollten nicht Teil des Spiels sein - die Realität jedoch anders aus.

"Diese Kommentare sind schwer zu lesen und zu hören"

Dumme Kommentare und Hass sind im Fußball längst keine Seltenheit mehr – leider. Zahlreiche Fußballprofis sind mittlerweile Opfer von Hassreden, Hetze und Morddrohungen geworden. Nur wenige von ihnen setzen sich zur Wehr und wagen den Schritt an die Öffentlichkeit.

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Der FC Barcelona hat es getan. Anlässlich des Weltfrauentages machten die Katalanen auf das Thema Hatespeech im Netz aufmerksam. Vor der Kamera las Barça-Star Robert Lewandowski Hasskommentare gegen die Frauenmannschaft des Clubs vor. „Geh in die Küche!“, „Frauenfußball ist kein Fußball“ oder „Du bist so heiß, Baby“ waren dabei noch Bemerkungen der harmloseren Art – wenn man das in diesem Fall überhaupt sagen kann. "Diese Kommentare sind schwer zu lesen und zu hören", sagte Lewandowski und atmete beim Lesen einmal tief durch. Allerdings gehen manche Kommentare noch tiefer unter die Gürtellinie, das zeigen Beispiele aus der Bundesliga.

Hasskommentare richten sich nicht nur gegen Fußballprofis

Immer wieder werden Sportstars zur Zielscheibe. Grenzen scheint es dabei nicht zu geben, wie Mainz-Profi Dominik Kohr erfahren musste. Er fand sogar eine Morddrohung in seinem Postfach „Du Hurensohn, ich bring dich um.“ Statt die Kommentare zu ignorieren – insofern das überhaupt möglich ist – entschied sich Kohr dafür, weitere niveaulose Nachrichten zu veröffentlichen. Damit gab der 29-Jährige Einblick in die psychische Belastung, der Fußballprofis neben ihrem eigentlichen Beruf ausgesetzt sind.

Lese-Tipp: Dominik Kohr macht Hass-Nachrichten gegen ihn öffentlich

Allerdings konzentriert sich das Problem von Hasskommentaren nicht allein auf aktive Sportler, wie Ex-Fohlen-Sportchef Max Eberl erfahren musste. Als bekannt wurde, dass der 49-Jährige wenige Monate nach seinem erschöpfungsbedingten Ausscheiden bei Borussia Mönchengladbach bei RB Leipzig unterschreibt, folgte die öffentliche, oft beleidigende Entrüstung.

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Erneute Anfeindungen gegen Eberl zu befürchten

Valentin Markser behandelte Robert Enke. Foto: Jochen Lübke
Valentin Markser war ebenfalls ein erfolgreicher Profisportler, Als Sportpsychiater beriet er unter anderem auch Robert Enke.
DPA

Am Samstag sind wohl erneute Anfeindungen gegen den RB-Sportchef zu befürchten, das hat die Vergangenheit gezeigt. RB Leipzig empfängt Borussia Mönchengladbach. Sportpsychiater Valentin Markser nimmt die Anhänger in die Pflicht: „Die Fans haben auch eine Vorbildfunktion, die sie in diesem Fall nicht gut wahrnehmen. Möglicherweise hat das eine Wirkung auf Leute, die sich dann vielleicht nicht trauen, zu ihren Problemen zu stehen. Nicht etwa in der Öffentlichkeit, sondern in erster Linie sich selbst gegenüber.“

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Der frühere Psychiater von Robert Enke betont, dass sich Fans ihre Verantwortung oft gar nicht „bewusst machen“. Hier sieht Markser eine besondere Gefahr.

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"Alles hat seine Grenzen"

Im Fall von Max Eberl erkennt der Sportpsychologe einen Vorteil. Eberl war Fußballprofi und ist laut Markser deshalb besser gegen Anfeindungen gerüstet: „Sportler sind professionelle Kämpfer. Sie trainieren sich in ihrer Laufbahn an, damit umzugehen.“ Der Sportpsychologe muss es wissen, er war erfolgreicher Handball-Profi.

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Allerdings fällt der Umgang mit Hassrede nach dem Karriereende vielen Sportlern deutlich schwerer, weil sich diese während der aktiven Karriere zumeist auf die Dauer des Wettkampfs, zum Beispiel die Länge eines Fußballspiels, beschränken. Hier sieht Markser Verbesserungsbedarf: „Was Spieler nicht lernen, ist, wie man mit persönlichen Anfeindungen nach Wettkämpfen oder nach der Karriere umgeht. Eine Profi-Laufbahn kann helfen, aber alles hat seine Grenzen.“

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Verbesserungsbedarf zum Thema Hass gibt es allerdings nicht nur bei Spielern, sondern auch bei „Fans“. Denn Aktionen, wie die des FC Barcelona, sollten bei einem respektvollen Miteinander eigentlich nicht mehr notwendig sein. Offenbar ist die Realität aber eine andere. (dpa, rdr)