Urteil bei Prozess in Gütersloh

Kevin (14) starb bei einer einfachen Knie-OP: Narkosearzt zu Bewährungsstrafe verurteilt

Kevin (14) starb nach einer Knie-Operation.
Kevin (14) starb nach einer Knie-Operation.
BLP

Viktors und Nataljas Sohn Kevin soll am Knie operiert werden. Eine Routine-OP – eigentlich. Doch bei dem Eingriff kommt es zu Komplikationen, zwei Sauerstoffschläuche werden vertauscht, der 14-Jährige fällt ins Koma, einen Tag später stirbt er. Kevins Eltern fordern Gerechtigkeit, werfen dem diensthabenden Narkosearzt (47) vor, grobe Fehler begangen zu haben. Das Amtsgericht Gütersloh hat den Anästhesisten am Donnerstag zu einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Direkt nach dem Schuldspruch wurde der Arzt ohnmächtig.

Urteil gegen Narkosearzt noch nicht rechtskräftig

Neben der Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung soll der 47-Jährige ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro an die Eltern des toten Jungen zahlen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Mit dem Spruch schloss sich der Richter der Forderung der Staatsanwaltschaft an.

Der Verteidiger sah in seinem Plädoyer – anders als das Gericht – den Vorwurf der fahrlässigen Tötung als nicht erfüllt an. Er sprach sich deshalb für eine Geldstrafe aus. Der Anwalt der Eltern forderte eine Haftstrafe von zwei Jahren.

Der Gutachter sprach von unglücklichen Strukturen in dem Krankenhaus in Gütersloh. Neben einem zentralen OP-Bereich gibt es dort ein Ambulantes Operationszentrum. Die dort eingesetzte Helferin hatte demnach keine spezielle Qualifikation für den OP-Bereich. Der verantwortliche Oberarzt war nach Überzeugung des Gutachters nicht schnell genug für den Notfall erreichbar.

Kevins Eltern werfen Krankenhaus Fehler vor: „Die haben mir meinen Sohn genommen“

„Die haben mir meinen Sohn genommen“, sagt Kevins Vater Viktor. „Ich werde hier nie wieder hinkommen. Und meine Kinder auch nicht.“

Kevin habe sehr viele Freunde gehabt, verrät seine Mutter Natalija. Immer wieder waren sie zum Essen oder zum Übernachten bei der Familie zu Gast. „Er war immer lustig, immer laut und präsent“, sagt Natalja. „Das vermisse ich unglaublich.“

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Kevins Eltern wollen nach seinem Tod Gerechtigkeit.
Kevins Eltern wollen nach seinem Tod Gerechtigkeit.
RTL

Vor mehr als drei Jahren verletzt sich Kevin beim Boxtraining schwer, der Meniskus im rechten Knie reißt. Der 14-Jährige muss operiert werden, mit Vollnarkose. Vor der OP gibt eine Krankenschwester Kevin noch eine Spritze, erinnert sich Viktor. „Das Schlimmste hast du jetzt schon überstanden“, soll sie gesagt haben.

Doch es kommt anders. Bei der Operation treten unerwartet Komplikationen auf. Eine Krankenschwester vertauscht die Schläuche für Sauerstoffzu- und abfuhr, der zuständige Anästhesist Armen H. bemerkt den Fehler nicht. Jegliche Hilfe für Kevin kommt zu spät.

Kevin habe bei der Operation wohl eine allergische Reaktion gehabt, sagt ein Arzt unmittelbar nach der OP zu Kevins Eltern. Als Natalja ihren Sohn endlich sehen darf, glaubt sie zunächst, dass er nur schläft. Doch Kevin liegt im Koma. Am nächsten Tag stirbt er im Alter von 14 Jahren.

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Vor Gericht: Familie wirft Anästhesist „grobe Behandlungsfehler“ vor

Das Verfahren gegen die Krankenschwester wurde gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt, doch Armen H. wurde nun verurteilt. Kevin sei durch „fahrlässiges Handeln“ getötet worden, sagte der Anwalt der Familie vor dem Prozess. Armen H. habe „grobe Behandlungsfehler“ begangen.

Der Assistenzarzt sprach der Familie sein Mitgefühl aus und gab auch zu, Fehler gemacht zu haben. Den Großteil der Schuld an Kevins Tod wies er jedoch von sich: „Ein Check der Geräte war damals nicht gefordert“, sagte er vor Gericht. „Eine Einweisung auf die Geräte gab es auch nicht.“

Mehrere Ärzte hätten ihm zufolge Fehler gemacht, die Abläufe im Krankenhaus seien allerdings verbessert worden. „Ich weiß jetzt mehr als vorher“, sagte er.

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Im Krankenhaus in Gütersloh wurde Kevin operiert.
Im Sankt Elisabeth Hospital in Gütersloh wurde Kevin operiert.
RTL

Für Viktor und Natalja ist das jedoch kein Trost. „Ich wünsche keinem so etwas erleben zu müssen“, sagt die Mutter. „Ganz, ganz, ganz schrecklich.“

„Ich denke immer an meinen Sohn“, so Natalja. „Ich habe ihn am Tag der Operation geweckt und er hat gesagt, dass er keine Lust hat. Hätte ich doch bloß verschlafen. Wir haben ihn so geliebt.“ (jda)