Keine Maßnahmen mehr trotz steigender Infektionszahlen!
Für Englands Premier Boris Johnson ist die Pandemie vorbei

Das lässt aufhorchen: Obwohl die Corona-Zahlen in Großbritannien weiter ansteigen, will Premier Boris Johnson künftig auf Abstandsregeln, Maskenpflicht und Homeoffice verzichten. Schon ab dem 19. Juli soll Schluss sein – das geht aus einer Pressemitteilung der Regierung vom Montag hervor. Johnson will noch abends die Pläne in einer Pressekonferenz vorstellen. Aber schon jetzt kommt heftige Kritik an dem Plan.
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Kritik an Ende der Maskenpflicht

Die Regierung in London will keine Vorschriften mehr bei der Pandemiebekämpfung machen. Doch besonders ein Ende der Maskenpflicht finden viele bedenklich. Experten befürchten, dass der Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) nun wieder starke Probleme bekommen könnte. In Großbritannien steigen die Infektionszahlen schon seit Wochen wieder stark an. Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Neuinfektionen pro 100 000 Menschen binnen einer Woche, lag zuletzt bei 252,7 (Stand: 5. Juli). Das entspricht 23.896 Neuinfektionen. Grund für diese hohen Fallzahlen ist die hochansteckende Delta-Variante, die in Großbritannien inzwischen fast ALLE Fälle ausmacht.
Wenig Todesfälle - hohe Impfquote

Gleichzeitig bleibt die Zahl der Todesfälle mit 15 Covid-Toten innerhalb einer Woche (bis zum 5. Juli) noch relativ niedrig. Auch die Krankenhauseinweisungen steigen bislang nicht im selben Maße wie die Ansteckungen. Die Regierung führt das auf die erfolgreiche Impfkampagne zurück. Inzwischen sind 67 Prozent der Erwachsenen in Großbritannien mindestens einmal geimpft. Knapp 50 Prozent der über 18-Jährigen haben bereits beide Impfungen.
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„Mit dem Virus leben"

Die Regierung in London geht davon aus, dass die Infektionszahlen weiter steigen, doch müsse man nun lernen, mit dem Virus zu leben. Die Eindämmung der Pandemie soll künftig den Menschen selbst überlassen werden. „Während wir lernen, mit dem Virus zu leben, müssen wir alle weiterhin umsichtig mit den Risiken durch Covid-19 umgehen und Abwägungen im täglichen Leben treffen“, sagte Johnson. Die geplante Aufhebung der Corona-Regeln gilt zunächst für den größten Landesteil England. Schottland, Wales und Nordirland entscheiden selbstständig über ihre Maßnahmen.
„Ziemlich angespannte Situation"

Kritische Stimmen kommen jedoch von Experten und Vertretern des chronisch unterfinanzierten Gesundheitsdiensts NHS (National Health Service). Saffron Cordery vom Krankenhausverband NHS Providers warnte, der Gesundheitsdienst sei in einer „ziemlich angespannten Situation“. Zwar seien die Zahl der Covid-Patienten nicht so hoch wie in früheren Wellen, aber es gebe auch eine enormen Rückstau an anderen Behandlungen, die in der Pandemie aufgeschoben wurden. Vor allem das geplante Ende der Maskenpflicht können viele nicht nachvollziehen. Der Chef der Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA), Chaand Nagpaul sagte im BBC-Radio, es sei nicht nachvollziehbar, dass man in einer Zeit hoher Infektionszahlen, „Menschen wissentlich einem Infektionsrisiko aussetzt“. (dpa/mma)