Galeria Karstadt Kaufhof
Mindestens 45 Filialen schließen, neue Staatshilfen könnten nicht zurückgezahlt werden
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Ist es das Ende der großen Warenhäuser in den Innenstädten? Mal wieder muss sich Deutschlands größter Warenhauskonzern unter einem Schutzschirm retten und wieder soll es zahlreiche Filialschließungen geben, mindestens 45 sollen es diesmal sein. Bei dem nächsten Kahlschlag steht allerdings das gesamte Geschäftsmodell auf der Kippe. Denn nicht einmal Steuergelder können den schwer angeschlagenen Konzern retten. Laut dem Galeria-Chef wäre das Unternehmen nicht in der Lage, die Finanzspritze zurückzuzahlen. Auf die Beschäftigten kommen schwere Zeiten zu.
Ein Drittel der 131 Galeria-Filialen sollen schließen
Der letzte große deutsche Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will im zweiten Insolvenzverfahren innerhalb von gut zwei Jahren mindestens ein Drittel der 131 Filialen aufgeben. Inflation und gestiegene Energiepreise hätten zu einer „historisch negativen Konsumstimmung und damit allgemeinen Kaufzurückhaltung der Kunden geführt“ begründete Geschäftsführer Miguel Müllenbach in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) den zweiten Anlauf zu einer Sanierung unter dem Schutzschirm des Insolvenzrechts. Dabei werde es unter den 17.400 Beschäftigten auch Kündigungen geben. "Das ist leider unumgänglich, um in dieser Situation den größeren Teil des Unternehmens zu retten." Neuerliche Staatshilfen seien nicht sinnvoll, erklärte er, weil Galeria sie in absehbarer Zeit nicht zurückzahlen könnte.
Ein Sprecher des erneut als Sanierer engagierten Wirtschaftsprüfers Arndt Geiwitz sagte der Nachrichtenagentur Reuters, es gehe darum, bei Karstadt "aus sich heraus tragfähige Strukturen zu schaffen". Er bestätigte, dass Galeria Karstadt Kaufhof beim Amtsgericht Essen ein Schutzschirmverfahren beantragt habe und sich in Eigenverwaltung sanieren wolle. Geiwitz war als Insolvenzverwalter der Drogeriekatte Schlecker bekannt geworden. Wie 2020, als die Corona-Pandemie Galeria in Schieflage gebracht hatte, soll der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus den Prozess als Sachwalter begleiten.
Für die Gläubiger bedeutet das konkret: „Dass Galeria Karstadt Kaufhof seine Schulden nicht zurückbezahlen wird“, so der Handelsexperte Bernhard Heidel im Gespräch mit RTL. „Das Geschäftsmodell scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein“, fasst Heidel die prekäre Lage des Warenhauskonzerns zusammen. Helfen könnten Vermietungen, eine Art Shopping-Center – und Konzentration auf das Wesentliche.
Große Wut und Enttäuschung bei Galeria-Beschäftigten
Vor zwei Jahren hatte Galeria Karstadt Kaufhof gut 40 von damals 172 Filialen geschlossen, wobei rund 5000 Mitarbeiter ihre Stellen verloren. Diesmal könnten laut Müllenbach noch mehr Warenhäuser zumachen, ein Drittel wären rechnerisch 45: "Unter den aktuellen Rahmenbedingungen (muss) das bestehende Filialportfolio deutlich reduziert werden, um sich von Häusern zu trennen, die in diesem volkswirtschaftlichen Umfeld - und damit anders als nach dem ersten Schutzschirmverfahren angenommen - nicht mehr profitabel zu betreiben sind", sagte er der Zeitung.
Stefanie Nutzenberger, die im Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi sitzt, sagte: „Für uns geht es jetzt darum, möglichst jeden Arbeitsplatz zu erhalten. Die Wut und die Enttäuschung ist groß bei unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort."
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Für Filial-Umbau fehlt das Geld
Galeria hatte begonnen, die verbliebenen Filialen unter dem Motto "Galeria 2.0" umzubauen. Doch dieser Plan blieb angesichts der prekären Lage in den Anfängen stecken, wie Müllenbach sagte: „Uns hat (...) schlicht das notwendige Geld für eine schnelle Modernisierung einer kritischen Masse an Filialen gefehlt.“ Die Pandemie habe dazu geführt, dass grundsätzlich weniger Menschen in den Innenstädten unterwegs seien und weniger bei stationären Händlern einkauften“, schrieb er in einem RTL vorliegenden Brief an die Belegschaft. „Und es ist bis heute keine wirkliche Trendwende erkennbar.“
Der Konzern hatte in dem von den Corona-Lockdowns geprägten Geschäftsjahr 2020/21 (bis Ende September) 622 Millionen Euro Verlust geschrieben und rechnete auch für 2021/22 mit einem niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenverlust. Dennoch glaubt Müllenbach an das Warenhaus: „Galeria ist zukunftsfähig, sein Geschäftsmodell mit den notwendigen Modernisierungen der Filialen und weiteren inhaltlichen Feinjustierungen tragfähig und wird, frei von unverschuldeten Belastungen, am Markt erfolgreich sein können."
Viele Einzelhandelsexperten zweifeln allerdings an dem Konzept von Kaufhäusern mit großen Flächen in den teuren Innenstädten.
Galeria Karstadt Kaufhof erhielt bereits 680 Millionen Euro vom Staat
Müllenbach bestätigte Gespräche mit der Bundesregierung über erneute Staatshilfen. Man sei aber in Gesprächen mit dem staatlichen Rettungsfonds WSF zu dem Schluss gekommen, dass weitere Kredite nicht sinnvoll wären. „Ein neuer Kredit hätte uns wegen Zinsen und Tilgung noch weiter belastet, ohne dass uns gleichzeitig Entlastungen möglich gewesen wären, wie sie ein erneutes Schutzschirmverfahren bieten", schrieb der Galeria-Chef an die Belegschaft. Der WSF muss nun voraussichtlich auch einen großen Teil der 680 Millionen Euro abschreiben, die er im vergangenen und in diesem Jahr an Galeria Karstadt ausgereicht hatte.
Müllenbach sagte der „FAZ", grundsätzlich wäre auch ein Staatseinstieg durch einen Tausch von Schulden in eine Beteiligung möglich. In Unternehmenskreisen hieß es, auch der Eigentümer von Galeria Karstadt, der österreichische Immobilien-Unternehmer Rene Benko, werde im Zuge der Sanierung weiteres Geld geben. Darauf dringt auch Verdi-Vertreterin Nutzenberger: „Es muss jetzt zusätzliches Geld ins Unternehmen. Da gibt es klare Erwartungen an den Eigentümer." Der Galeria-Chef sagte, Benkos Signa-Holding habe bereits fast eine Milliarde Euro in den Konzern investiert. "Ohne die Signa gäbe es schon längst keine Warenhäuser mehr in Deutschland. Ich gehe davon aus, dass Signa uns auch weiterhin mit Investitionen unterstützen wird." (rts/aze)
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