Polit-Kolumne von RTL- Chefreporterin Franca Lehfeldt
Lichtverschmutzung & Liebesentzug: Der Moment, als ich Mitleid mit Armin Laschet empfand....

„Mitleid ist das falsche Wort, Mitleid hat sie nicht mit ihm“, erklärt ein Abgeordneter der Unionsfraktion. Mit „sie“ ist keine geringere gemeint als die Bundeskanzlerin. Angela Merkel verstehe und kenne den Druck, unter dem der Kandidat Armin Laschet stehe. Ausrutscher wie der unglückliche Lacher stünden nicht im Zentrum ihrer Beobachtung. Die Kanzlerin sehe eher eine Schwäche, wenn es um „Management Skills“ gehe, erklärt der Politiker weiter.
Diese Überlieferung klingt nahezu einfühlsam, gemessen an der verbalen Sabotage, die Laschet aus Bayern entgegenschlägt. Sechzehn Tage vor der Bundestagswahl verkündet der CSU-Generalsekretär Markus Blume: „Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da.“ Rumms. Aber ist dieses Verhalten der „Schwesterpartei“ wirklich neu? Wobei man über die Definition „Schwesterpartei“ in diesem Kontext streiten oder promovieren könnte. Nein, das Verhaltensmuster der Christlich Sozialen Union ist nicht neu, es hat nur einen neuen Tiefpunkt erlangt.
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Merkel wird wie ein Schulmädchen vorgeführt

Unvergessen ist der CSU-Parteitag 2015. Damals führte der heutige Innenminister Horst Seehofer die CSU an. In seinem Verhalten der damaligen CDU-Chefin gegenüber steht er Markus Söder im Verhältnis zu ihrem CDU-Nachfolger jedoch nicht nach. Die Bilder erscheinen wie ein Film im Kopf: Merkel steht auf der Bühne, erneuert ihre Ablehnung gegenüber einer Flüchtlingsobergrenze vor den CSU-Delegierten. Anschließend betritt Seehofer die Bühne und setzt an: „Jetzt will ich Dir einfach meine Überzeugung sagen, damit die Standpunkte klar sind.“
Es vergehen 13 Minuten, die sich anfühlen wie 130 Minuten. Die Bundeskanzlerin, die damals mächtigste Frau der Welt (laut „Forbes“), steht wie ein Schulmädchen neben dem bayerischen Ministerpräsidenten, der eine Begrenzung der Zuwanderung fordert. Anders als Merkel erntet Seehofer in der gefüllten Halle tosenden Applaus. Für ihn ein Heimspiel.
CSU klärt Schuldfrage bereits vor der Wahl
Die Situation ist nur ein Beispiel für die durchaus spezielle Beziehung von CDU und CSU.
Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen damals und heute:
2015 waren zwei politische Schwergewichte im Konflikt. Immerhin, die peinliche und denunzierende Szene spielte sich auf Augenhöhe, von Angesicht zu Angesicht ab. Immerhin.
2021, sechzehn Tage vor der Bundestagswahl, sieht die Lage anders aus. Markus Söder macht sich vordergründig nicht die Hände schmutzig. Im Vorfeld des CSU-Parteitags in Nürnberg, zu dem selbstverständlich auch Armin Laschet reisen wird, darf sich sogar Markus Blume, seines Zeichens Generalsekretär, reiben. Eine politische Abwertung sondergleichen.
Die Botschaft ist unmissverständlich: Die CSU klärt die Schuldfrage bereits vor der Wahl. In Bayern glaubt man ganz offensichtlich nicht mehr an den Wahlerfolg und kümmert sich derweil um die Kür des Sündenbocks. Im Drehbuch steht in der Besetzung nur ein Name: Armin Laschet. Vielleicht erleben wir sogar schon die Vorbereitung für die Kanzlerkandidatur von Markus Söder im Jahr 2025.
Der Moment, als ich Mitleid mit Laschet hatte...
Nun kann man die Kanzlerin verstehen, der Job eines Spitzenpolitikers ist nichts für Zartbesaitete. Und wer will schon Mitleid als Geschenk?
Dennoch gestern Abend kam er, dieser Moment, in dem ich aus tiefster Seele Mitleid für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet empfand. In der ZDF-Sendung „Klartext, Herr Laschet“ kam das Publikum zu Wort, stellte Fragen und Laschet schlug sich wacker. Er interagierte, suchte den Dialog, zeigte, dass er in unterschiedlichen Themenfeldern trittsicher ist. Für den angeschlagenen - und von der Schwesterpartei geschlagenen - Kandidaten ein solider Auftritt.
Zum Ende der Sendung kamen dann Bürger zu Wort, die nicht im Studio saßen. Eine junge Frau blickte in die Kamera und fragt: „Herr Laschet, ich wollte Sie fragen, ob Sie sich schon mit dem Thema Lichtverschmutzung auseinandergesetzt haben?“
Da war es so weit, ich hatte Mitleid mit Laschet und gleichzeitig mit unserer Gesellschaft. Natürlich ist das Bewusstsein um die Thematik Klima- und Katastrophenschutz in den vergangenen Monaten in den Vordergrund getreten. Aber die Frage, ob sich ein Ministerpräsident, Parteichef und Kanzlerkandidat neben dem Pandemiemanagement, der Flutkatastrophe und dem Wahlkampf um die Alltagsthemen und Sorgen der Deutschen auch noch mit der „Lichtverschmutzung“ befassen muss, erscheint mir befremdlich.
Trotzdem würde Armin Laschet selbst sich vermutlich lieber mit der Lichtverschmutzung als dem Liebesentzug seiner Schwesterpartei beschäftigen. Das sagt alles über die Lage.