Arbeiter mit Erfahrung wichtiger denn je

Warum Aston Martin Vettel unbedingt halten möchte

 Sebastian Vettel GER, Aston Martin Aramco Cognizant F1 Team 5 in der Box, Großer Preis von Großbritannien, Silverstone, Motorsport, Formel 1, Großer Preis von Großbritannien, Silverstone, Motorsport, Formel 1, Foto: Knab / Eibner Towcester *** Sebas
Weitermachen oder aufhören - was hat Sebastian Vettel im Kopf?
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von Martin Armbruster

Mike Krack ist als Überzeugungstäter gefordert. Der Luxemburger will Sebastian Vettel eine weitere Saison in der Formel 1 bei Aston Martin schmackhaft machen. Und zwar „mit Taten und nicht Worten“, wie Krack im RTL/ntv-Interview betont. Soll heißen: Aston Martin arbeitet daran, dem viermaligen Weltmeister endlich ein Auto hinzustellen, mit dem Vettel wieder so richtig Spaß hat und vorne mitfahren kann.

Rückschlag in Silverstone-Qualifying

Der zu Saisonstart schwer lahmende AMR22 müsse in einen Bereich gebracht werden, „in dem Sebastian wieder Licht am Ende des Tunnels sieht“, sagt Krack. „Wenn er merkt, da geht was, das ist ein Paket, das funktioniert, wir machen Fortschritte, dann ist die Entscheidung für ihn auch viel einfacher.“ Denn, so der Teamchef: „Ein Sebastian Vettel fährt nicht für Platz 17.“

Nun, der Routinier fährt auch nicht für Platz 18. Dass Vettel im Qualifying zum Großbritannien-GP in Silverstone (Sonntag, ab 15 Uhr, LIVE bei RTL) auf diesem Platz landete, ist für die Überzeugungsarbeit des britischen Werksteams daher nicht gerade förderlich. Schlicht und einfach nicht genug Speed habe sein Renner, gab Vettel nach der Regen-Quali im „Home of British Motor Racing“ bedröppelt zu Protokoll. Weder im Nassen noch im Trockenen.

Nach der Sommerpause wohl Klarheit

Vettels Laune, sein Gefühlsbarometer, dürfte letztlich den Ausschlag geben, ob der 35-Jährige seinen Vertrag bei Aston Martin verlängert und auch kommende Saison in der Motorsport-Königsklasse Gas gibt oder nicht. Er werde schauen, wie die nächsten Rennen laufen, sagte Vettel jüngst in einem virtuellen Call mit RTL/ntv. „Ich glaube nicht, dass wir ewig brauchen werden“, sagte der 53-malige Grand-Prix-Sieger. Auch Krack geht von Klarheit nach der Sommerpause aus.

Doch warum möchte Aston Martin überhaupt, dass Vettel an Bord bleibt? Es ist eine provokante Frage. Schließlich ätzen die Vettel-Kritiker, der Ex-Champion habe den Speed vergangener Tage verloren. Mache zu viele Fehler. Sei zu teuer (Vettel gehört mit geschätzten 15 Millionen Euro Jahresgehalt noch immer zu den Topverdienern der Szene). Und dann sind da ja noch Vettels Herzensangelegenheiten.

Lese-Tipp: Die drei Fragezeichen der „Silly Season“

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Krack: "Die Pace ist immer noch da"

Der Deutsche nutzt die Rennserie vermehrt als Plattform, um auf Themen wie Klimawandel und Umweltschutz sowie die Rechte der LGBTIQ+-Gemeinde aufmerksam zu machen. Aston-Martin-Hauptsponsor Aramco, der größten Erdölfördergesellschaft der Welt mit Unternehmenssitz in Saudi-Arabien, dürften diese Aktivitäten nicht sonderlich gefallen. Warum also will Krack den umtriebigen Vettel unbedingt halten?

Die Antwort: Weil Aston Martin ihn braucht. Der „konstruktive Beitrag“, den sein Fahrer für den Rennstall leiste, „überwiegt bei weitem irgendwelche negativen Schwingungen“, betont Krack. Bei einem „Kaliber wie Sebastian“ müsse man mit „ausgeprägten Meinungen“ leben. In allererster Linie wolle man ja einen schnellen Rennfahrer, so der 50-Jährige. „Und das steht für mich außer Frage. Die Pace ist immer noch da.“

Vettel-Ethos bringt Teamchef zum Schwärmen

Es ist allerdings nicht der Faktor Pace, der den Routinier für Aston Martin so wertvoll macht. Es ist seine Erfahrung. Seine Arbeitsethik, seine Detail-Versessenheit, seine Fähigkeit, die Ingenieure und Techniker bei der Entwicklung eines Autos mit präzisem Feedback zu füttern. Nach der Regel-Revolution zu Jahresbeginn sind diese Attribute besonders wichtig, gerade auch, weil Aston Martins Dauer-Cockpit-Inhaber Lance Stroll (der Sohn von Teameigner Lawrence) in dieser Hinsicht sicher keine Koryphäe ist.

Vettel leistet seinen Beitrag nicht nur auf der Strecke (wo er in Baku mit Platz 6 das beste Ergebnis für Aston Martin einfuhr). Er ist eben auch bei „technischen Themen“ in Fabrik und Garage relevant, ist „in die Weiterentwicklung des Teams mitinvolviert“, so Krack.

Vettels Gesamtpaket macht ihn für ein im Aufbau befindliches Team wie Aston Martin so attraktiv. Spricht Krack über dieses Gesamtpaket, gerät er ins Schwärmen. „Wenn wir die Rennstrategie diskutieren, sagt Sebastian manchmal: ‚Mach’ mal meinen Block von 2014 auf oder von 2016, da hatte ich das und das und das, lass uns das noch einmal anschauen.‘ Das sind für uns so wertvolle Inputs, die nur zustande kommen, wenn jemand diese Arbeitsmoral und diese Arbeitsethik hat. Es gibt nicht viele Top-Rennfahrer mit dieser Erfahrung, die diesen Arbeitseinsatz überhaupt noch zeigen. Wir sind super zufrieden mit ihm. Uns wäre am liebsten, er hätte gestern unterschrieben.“

Der Stift liegt bei Sebastian Vettel.