Experte sieht dennoch Gefahr für Mercedes-Ruf
Danner: Protest von Mercedes „völlig legitim“

Mehr als vier Stunden dauerte die „Verlängerung“ am Grünen Tisch. Nach dem Doppelprotest von Mercedes gegen die Wertung des Abu-Dhabi-GP gaben die Rennkommissare kurz nach 23.00 Uhr Ortszeit ihre Entscheidung bekannt: Beide Proteste wurden abgewiesen – Max Verstappen bleibt damit Rennsieger und Weltmeister 2021. Den Versuch von Mercedes beurteilt RTL-Experte Christian Danner dennoch als „völlig legitim“.
„Es ist ganz normal, dass man sich wehrt"
„Es ist ganz normal, dass man sich wehrt, wenn man denkt, nicht fair behandelt worden zu sein“, so Danner. „Man muss Mercedes verstehen, wenn die durch ihre Rechtsberatung, die vor Ort ist, gesagt bekommen: Das schaut ganz anders aus, als es sich darstellt.“ Mercedes wollte beim wilden Finish im Saisonfinale auf dem Yas Marina Circuit mindestens zwei Regelverstöße erkannt haben.
Der Reihe nach: Ein Crash von Williams-Pilot Nicholas Latifi löste sechs Runden vor Schluss eine Safety-Car-Phase aus. Verstappen reagierte sofort, steuerte die Box an und holte sich frische Reifen. Hamilton konnte das nicht, er war zum Zeitpunkt des Latifi-Unfalls gerade an der Boxengasse vorbeigerauscht. Es folgte der Restart in der letzten Runde, in der Verstappen Hamilton kassierte – der Titelverteidiger war auf seinen abgekauten Walzen chancenlos.
"Sinn und Zweck der Regel wurden erfüllt"
Vor dem Restart hatten unterschiedliche Ansagen von Renndirektor Michael Masi zu Irritationen geführt: Am Ende sollten sich doch alle überrundeten Fahrer, die sich zwischen Hamilton und Verstappen befanden, zurückrunden, weitere überrundete Piloten hinter Verstappen allerdings nicht. Eigentlich müssten sich laut Regelwerk vor einem Restart aber alle Fahrer zurückrunden dürfen.
„Dazu muss man wissen“, erklärt Danner: „Die Regel wurde nur gemacht, um sicherzustellen, dass wir einen vernünftigen weiteren Rennverlauf haben werden.“ Seiner Meinung nach wäre der „vernünftige weitere Rennverlauf“ nicht gewesen, wenn sich zwischen Verstappen und Hamilton noch überrundete Fahrer befunden hätten. „Die wären dann im Weg gewesen. Sinn und Zweck der Regel wurden mit diesem Vorgehen durchaus erfüllt“, so Danner.
"Solch einen Fall hat es bisher noch nie gegeben"
Mercedes hätte aber durchaus einen Punkt, wenn sie die Entscheidung von Renndirektor Michael Masi in Frage stellen und Manipulation wittern. Denn hätten sich alle Fahrer regelkonform entrunden dürfen, hätte es keinen Restart mehr gegeben. „Es hätte zu lange gedauert“, sagt Danner. Hamilton hätte hinter dem Safety Car gewonnen und wäre Weltmeister gewesen.
„Michael Masi wollte offensichtlich, dass es nochmal ein Rennen gibt. Er wollte die WM nicht hinterm Safety Car zu Ende fahren lassen“, vermutet Danner. Entscheidend sei, „ob sich Masi einfach auf den Sinn und Zweck der Regel beschränkt hat oder ob es noch andere Dinge dahinter gab, die, wenn man das Reglement exakt juristisch prüft, den Schluss zulassen: Das ging doch nicht.“ Die Stewards urteilten, dass Masi laut Reglement befugt sei, das Safety Car zu kontrollieren, dazu gehöre auch dessen Einsatz und Abzug.
Eine andere Entscheidung hätte Danner gewundert. "Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass das zu einer Ergebnisänderung führt", hatte er schon vor der Urteilsverkündung gesagt. Gleichwohl gab er zu Bedenken: "Solch einen Fall hat es bisher noch nie gegeben."
Danner sieht Mercedes-Ruf in Gefahr
Für den zweiten Mercedes-Protest – Vorwurf: Verstappen hat Hamilton vor dem Restart verbotenerweise knapp überholt – hatte Danner ohnehin keine großen Erfolgsaussicht gesehen. Seine Begründung: „Verstappen ist ja nicht so weit nach vorne gefahren, weil ihn Hamilton so schnell weggefahren ist, sondern weil er fast stehen geblieben ist“, meint Danner. „Das ist eigentlich leicht zu beurteilen.“
Tatsächlich wiesen die Rennkommissare diesen Protest als erstes ab. „Obwohl Verstappen sich für einen sehr kurzen Zeitraum leicht vor Hamilton bewegte, als beide beschleunigten und bremsten, bewegte er sich wieder nach hinten und nicht nach vorne, als die Safety-Car-Phase endete", begründeten sie ihre Entscheidung.
Abgeschlossen ist die Sache damit allerdings immer noch nicht. Mercedes kündigte an, in Berufung gehen zu wollen – zumindest gegen das Urteil die Entrundungen betreffend. Danner befürchtet, dass Mercedes durch sein Vorgehen von der breiten Öffentlichkeit als schlechter Verlierer gesehen wird: „Ich bin mir nicht sicher, ob sich Mercedes damit einen Gefallen tut.“ (msc/wwi)