Ungewohnte Platzierung führt zu ungewöhnlicher Frage

Dieser Funkspruch zeigt die bittere Hamilton-Realität

 44 HAMILTON Lewis gbr, Mercedes AMG F1 Team W13, action during the Formula 1 STC Saudi Arabian Grand Prix 2022, 2nd round of the 2022 FIA Formula One World Championship, WM, Weltmeisterschaft on the Jeddah Corniche Circuit, from March 25 to 27, 2022 in Jeddah, Saudi Arabia - F1 - SAUDI ARABIAN GRAND PRIX 2022 - RACE DPPI/Panoramic PUBLICATIONxNOTxINxFRAxITAxBEL 00122007__V2_4666
Lewis Hamilton.
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von Emmanuel Schneider

Ein Vize-Weltmeister ohne Siegchancen. Lewis Hamilton erlebt einen „Albtraum“ in Dschidda. Es zeigt sich immer mehr, dass der neue Mercedes-Bolide aktuell nicht mit Ferrari und Red Bull mithalten kann. Wie neu die Situation für den Briten ist, verdeutlicht ein Funkspruch kurz nach Rennende in Saudi-Arabien.

Willkommen im Niemandsland

Die Situation für Lewis Hamilton ist ungewohnt. Der siegesverwöhnte Rekordweltmeister landete beim zweiten Saisonrennen in Saudi-Arabien nur auf Rang 10. Mittelfeld. Niemandsland. Wie ungewohnt diese Platzierung war, zeigte sich in einem ungewöhnlichen Funkspruch an die Mercedes-Box.

Kurz nachdem Hamilton über den Strich gerollt war, meldete sich sein Ingenieur Peter Bonnington, kabelte ihm das bittere Ergebnis durch. „Ok Lewis, P10. Ein schei* Resultat bei all der harten Arbeit.“

Hamiltons Antwort: „Gibt es überhaupt Punkte für diese Position?“ Offenbar scherzte der 37-Jährige, wobei er tatsächlich kaum Erfahrung in diesen Punkte-Gefilden hat. In seiner Mercedes-Zeit war er nur zweimal schlechter platziert. 2013 in Barcelona (P12) und 2021 in Baku (P15).

Bonnington löste die rhetorische Fragen sicherheitshalber auf: „Ja. Das gibt einen Punkt.“ Stille.

Schon die Quali war ein Desaster

Womöglich muss sich Hamilton sogar an solch mickrige Punkte-Ausbeuten gewöhnen. Zumindest die Top-Teams scheinen außer Reichweite zu sein. Denn die Konkurrenz von Red Bull und Ferrari ist den Silberpfeilen in der Entwicklung der 2022er Wagen weit enteilt. Den Start in die neue Regel-Ära der Formel 1 hat Mercedes verpatzt.

Schon beim Qualifying am Samstag gab’s eine heftige Schelle für den Mercedes-Mann, als er den Sprung in den zweiten Qualiabschnitt verpasste – erstmals seit 2017. Von einem misslungenem „Experiment“ beim „Setup“ war anschließend sowohl von Hamilton als auch Teamchef Toto Wolff die Rede.

Im Rennen verbesserte sich Hamilton zwar zeitweise nach einem Start auf harten Reifen von seinem Platz 15 auf den sechsten Rang, doch ein verpasstes Zeitfenster für einen Boxenstopp unter dem Virtual Safety Car kostete ihn wieder Plätze. Am Ende reichte es für Hamilton nur zu Platz 10 – und das in dem Rennen, in dem er Michel Schumacher einen weiteren Rekord abluchste. Den für die meisten Starts für ein Team (180 zu 179).

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Motor-Nachteil und Bouncing-Plage

Teamkollege George Russell fuhr immerhin auf den fünften Platz. „Mehr war heute nicht drin“, sagte der neue Mann im Mercedes-Cockpit. Mercedes ist also höchstens dritte Kraft. Und das hat Gründe.

Zum einen haben Ferrari und die von Ferrari belieferten Teams wie Haas oder Alfa Romeo offenbar einen echten Motor-Vorteil. Die Mercedes-Kunden Aston Martin, McLaren und Williams hingegen schwächeln, was sich auch im Klassement zeigt. Zwischen 0,5 Sekunden (Helmut Marko) und einer Sekunde (Russell) sei der Silberpfeil gerade einfach zu langsam.

Eines der größten Probleme: Mercedes kämpft heftig gegen das Porposing bzw Bouncing. Der Renner hoppelt wie wild über die Gerade, wenn die Strömung am Unterboden abreißt. Eine Folge des wiedereingeführten Ground-Effects. „99 Prozent“ der Probleme seien weg, wäre dieses Problem gelöst, ist sich Russell sicher.

Mercedes muss wegen der Hoppelei das Auto zurzeit höher einstellen, daher fehlt aber wieder Anpressdruck. Ein Dilemma. Das auch zu gescheiterten Experimenten wie am Samstag in der Quali führt. Auch mit dem Heckflügel gab es Probleme, wie Teamchef Wolff einräumte. Man habe ein Stück abgebaut, der Luftwiderstand aber sei immer noch zu hoch gewesen.

Hamilton nimmt das Team in die Pflicht: „Ich persönlich habe das Maximum rausgeholt. Als Team weiß ich das nicht. Aber so ist es halt gerade. Wir müssen weitermachen“, sagte er nach dem Rennen. „Uns fehlt die Pace. Wir haben viel Arbeit vor uns.“

Zwar steht Mercedes, der amtierende Konstrukteursweltmeister noch auf Platz 2 dieser Wertung, doch das dürfte sich schon bald ändern. Red Bull fehlen nach dem späten Doppel-Aus die Punkte aus dem Auftakt in Bahrain.

Über dem Start in die neue Ära schwebt also schon ein großer Mercedes-Makel. Nur 2009 ist Hamilton bislang schlechter gestartet (für McLaren). Kurz zuvor hatte es ebenfalls eine Regel-Revolution gegeben. Und der Weltmeister fuhr plötzlich hinterher.

Damals gab es für einen zehnten Platz auch noch keine Punkte.