Vettel und Co. warnen mit drastischen Worten"Irgendwann knallt's" - Brutales Bouncing wird zur echten Gefahr

Ein aerodynamisches Phänomen schüttelt und rüttelt die Formel 1 durch. Das sogenannte Bouncing wird immer mehr so einem ernsthaften Problem der Saison 2022. Lewis Hamilton droht sogar der Ausfall für das kommende Rennen in Kanada, Sebastian Vettel und Pierre Gasly schicken eine deutliche Warnung an die Macher der Rennserie.
Hamilton hat unfassbare Schmerzen
Lewis Hamilton ist zwar schon 37 Jahre alt, am Alter aber lag es freilich nicht, dass er nach getaner Arbeit beim Großen Preis von Aserbaidschan mit höllischen Schmerzen aus seinem Wagen stieg. „Mein Rücken bringt mich um“, funkte er schon während des Rennens an sein Team. Der Mercedes-Pilot wurde durch das Hüpfen seines Wagens und den Vibrationen auf den Geraden brutal durchgerüttelt. Jede Bodenwelle schoss direkt in die Knochen. „Ich habe auf die Zähne gebissen. Ich kann den Schmerz kaum erklären. Am Ende betet man nur, dass es zu Ende ist“, sagte er nach dem Rennen.
Nun ist das Rennen in Baku nicht das erste, bei dem die Hoppelei zum Problem wird und die Piloten leiden. Hamilton war schon mehrfach betroffen. Sein Teamkollege George Russell klagte nach dem Imola-GP über Brust- und Rückenschmerzen.
In Baku stiegen auch Pierre Gasly und Daniel Ricciardo mit Schmerzen am Rücken aus ihren Wagen. "Ich setze hier meine Gesundheit aufs Spiel", beschwerte sich Gasly und erklärte die Folgen. "Ich bin extrem verspannt. Das ganze Wochenende über, jeden Morgen, war die Halswirbelsäule und der Oberkörper so verspannt wie nie."
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RTL-Experte erklärt Bouncing-Folgen
Mit 30 am Stock?
Der Franzose bringt es auf den Punkt. "Ich setze meine Gesundheit für Performance aufs Spiel. Und das würde ich immer tun, denn ich bin ein Rennfahrer und möchte immer das schnellstmögliche Auto haben."
Der AlphaTauri-Fahrer fordert den Weltverband FIA auf, einzugreifen, etwas zu ändern. „Wir bitten sie, Lösungen zu finden, damit wir nicht mit 30 Jahren am Stock gehen."
Das Bouncing entsteht durch den Ground Effect, den es seit dieser Saison wieder gibt. Dadurch werden die Boliden der Saison 2022 zum Asphalt angesaugt bis zum Strömungsabriss, dann schnellt der Wagen wieder nach oben. In vielfacher Ausführung führt das dann zum Hüpfen, zum Bouncen. Die Autos sind niedrig eingestellt, es gibt eine steifere Aufhängung und eine neue Reifen-Generation, die die Vibrationen direkt auf den Fahrer übertragen. Das Hüpfen taucht mal mehr mal weniger auf, je nach Streckenlayout. In Spanien zum Beispiel schien das Problem bei Mercedes eigentlich gelöst. Doch in Aserbaidschan tauchte es umso heftiger wieder auf.
Vettel: "Irgendwann knallt's richtig"
Nun sorgt das Phänomen nicht nur zu physischen Schmerzen und Problemen bei Hamilton und Co., sondern auch zu Sicherheitssorgen. George Russell erklärte bereits am Samstag, dass man durch das Hoppeln teilweise die Bremspunkte nicht richtig erkennen könne. Gasly pflichtete bei und beschrieb, dass die Spiegel extrem wackeln würden. In Zweikämpfen ließen die Fahrer sogar extra mehr Platz, so Gasly, da sich das Lenkrad mitunter von selbst bewege durch die starken Vibrationen.
Beim Mercedes-Kundenteam Aston Martin kämpft man ebenfalls seit Beginn der Saison gegen Bouncing. Sebastian Vettel weiß also, wovon er spricht. Am Rande des GP in Baku fand er deutliche Worte und appellierte bei Servus TV: "Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, aber das Auto hüpft so, dann ändert das Set-up und dann ist gut. Aber ich glaube, wir sollten da nicht uns in die Pflicht nehmen, sondern vielleicht mit den Regeln reagieren“, sagte der viermalige Weltmeister mit Blick auf den Weltverband. „Kann ja auch nicht sein, dass wir jetzt vier Jahre so durch die Gegend fahren. Irgendwann knallt’s und knallt’s richtig und dann steht jeder da und sagt: Ja, wir haben ja schon vorher [mit der FIA] darüber gesprochen."
Hat Aston Martin ein Gegenmittel?
Dass sich etwas ändern muss, steht außer Frage. Gasly erwartet erst 2023 eine wirkliche Besserung. So lange will Hamilton nicht warten. Noch im Renner funkte er an sein Team gerichtet: „Bitte lasst uns auf jeden Fall etwas ändern.“ Die Schmerzen an der Wirbelsäule gefährdeten sogar seinen Start beim kommenden Rennen in Kanada. Inzwischen hat Hamilton aber Entwarnung gegeben und betont, dass er am Wochenende dabei sei.
Immerhin scheint Aston Martin ein Gegenmittel gefunden zu haben. Laut „auto motor sport“ funktioniert der „neue“ Aston Martin (runderneuerte Version seit Barcelona) mit einer weichen Aufhängung und mehr Bodenfreiheit besser. Das Arbeitsfenster sei breiter. Das Bouncing in Baku zumindest geringer. „Mit unserem alten Auto wäre es hier sehr schwierig geworden", sagte Teamchef Mike Krack. (msc)