Kinder sollen ihren Vater nicht vergessen"Menschen sind erst tot, wenn nicht mehr an sie gedacht wird" - Familie feiert Geburtstag von totem Papa

Der Tod gehört zum Leben dazu, das ist richtig. Dennoch scheint er gerade bei jungen Menschen noch immer ein Tabuthema zu sein. Auch Daniela Süß (38) aus Hohenholte bei Münster ist jung Witwe geworden und muss ihre beiden Kinder, fünf und drei Jahre alt, jetzt allein großziehen. Auch wenn sie nur eine kurze Zeit mit ihrem Papa Bernd gemeinsam erleben durften, sollen die beiden ihn auf keinen Fall vergessen. Deswegen hat sich Daniela ein ganz besonderes Ritual einfallen lassen, das auch andere Menschen inspiriert.
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Daniela feiert jedes Jahr mit ihren Kindern den Geburtstag ihres verstorbenen Mannes
Es kommt nicht selten vor, dass ein geliebter Mensch plötzlich mitten aus dem Leben gerissen wird und eine Familie hinterlässt. Dennoch scheint es, als wollen nur wenige Hinterbliebene offen über den Verlust sprechen oder glauben, sie müssten die Trauer allein bewältigen. Deswegen ist Daniela auch ein Teil der „Superhelden“-Community, eine Initiative für junge Sterbende sowie deren Freunde und Familien. Sie möchte durch das Schicksal, das ihr widerfahren ist, anderen Mut machen.
Danielas Mann Bernd ist im Alter von 44 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben, seitdem meistert die alleinerziehende Mutter das Leben mit ihren Kindern und dem Familienhund allein. Als ihr Mann im Jahr 2019 die schreckliche Diagnose erhalten hatte, war Daniela hochschwanger. „Es war das Allerschlimmste, was passieren konnte und ich dachte, die Welt geht unter. Es war unglaublich schwierig“, erzählt Daniela im Gespräch mit RTL.
Genau ein Jahr nach der Diagnose hatte Bernd den Kampf gegen den Krebs verloren und starb. Doch das Ehepaar nutzte die Zeit, die es noch gemeinsam hatte und sprach vor allem viel miteinander – auch über den Tod und wie es danach weitergehen soll. „Bernd sagte: ‘Ich möchte, dass ich noch immer da bin, auch wenn ich es nicht mehr bin’“, erinnert sich die 38-Jährige. Auch Daniela möchte, dass Bernd sowohl in den Herzen als auch in den Köpfen ihrer Kinder weiterlebt und hat sich dafür ein schönes Ritual ausgedacht.
„Am 05.07.2022 haben meine Kinder und ich schon den dritten Geburtstag ohne ihn hier auf der Erde gefeiert. Da wir aber denken, dass Menschen erst richtig tot sind, wenn nicht mehr an sie gedacht wird, feiern wir jedes Jahr ganz bewusst Bernds Geburtstag“, schreibt die Initiative „Superhelden fliegen vor“ auf ihrer Instagram-Seite.
Dabei gestalte sie die Feier jedes Jahr ein wenig anders. „Dieses Jahr haben wir ein Picknick am Grab gemacht, davor eine große Feier mit vielen Freunden und Verwandten. Und wir lassen immer Luftballons zu ihm in den Himmel steigen“, erzählt uns die zweifache Mutter. Das habe sie auch schon bei der Beerdigung so gemacht. Es sei laut Daniela eine Art „Dankeschön dafür, dass er auf uns hier unten aufpasst“.
"Wichtig ist doch zu wissen, wie es der Verstorbene gerne gewollt hätte“
Mit Trauer geht jeder anders um, aber es gibt eine Sache, die Daniela stört. Sie sagt: „Jegliche Trauer ist okay, aber in Deutschland gibt es so ein vorgegebenes Trauersystem, das ist schrecklich. Die Stimmung muss nicht immer negativ sein. Wichtig ist doch zu wissen, wie es der Verstorbene gerne gewollt hätte.“ Deswegen habe sie mit der Familie die Beerdigung auch wie ein großes Fest gefeiert. Und auch die Geburtstage ihres verstorbenen Mannes gestaltet Daniela bunt. Aber was für sie und ihre Kinder „vollkommen normal“ ist, mussten andere erst lernen zu verstehen. „Ihre Freunde aus der Kita haben zu Anfang etwas seltsam geschaut, als sie sagten, dass wir Papas Geburtstag feiern. Aber dann haben wir ihnen gesagt, dass ihr Papa - auch wenn er jetzt im Himmel lebt - trotzdem gerne seinen eigenen Geburtstag feiern möchte und seitdem ist es auch für die Freunde meiner Kinder ‘ganz normal’ geworden, Bernds Geburtstag zu feiern", so Daniela.
Die 38-Jährige hat sich vor einem Jahr an die Initiative „Superhelden fliegen vor“ gewandt, weil sie ihre Geschichte mit anderen teilen und Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen und Kraft geben will. „Es ist für mich unglaublich erfüllend, wenn ich anderen Menschen durch meine Geschichte helfen kann.“ Denn viele Betroffene trauen sich noch immer nicht, genau so zu handeln, wie es für sie vielleicht die beste Art der Trauerbewältigung wäre. Das bestätigt auch Dada Peng (Künstlername), der Gründer der Initiative „Superhelden fliegen vor“ im Gespräch mit RTL. „Viele Menschen trauen sich nicht, wie Daniela mit Luftballons ans Grab auf den Friedhof zu gehen, weil sie vielleicht auch gar nicht wissen, was man darf und was nicht. Aber es findet ein Wandel statt. Die Leute wollen das nicht mehr so wie früher, die Bedürfnisse sind andere“, so der 47-Jährige.
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Der Tod ist vor allem bei jungen Menschen noch immer ein Tabuthema
Heute sehen sich die Hinterbliebenen nicht mehr nur in der Opferrolle, sondern schätzen auch die schönen Momente und Erinnerungen und wollen an ihnen festhalten. Das sagt auch Daniela. „Es ist doch wichtig, sich an die schönen Momente zu erinnern, die man hatte. Ich würde es auch schlimm finden, wenn man nicht mehr über Bernd spricht.“ Dennoch, so Dada Peng, sei das Sterben vor allem in jungen Jahren noch immer ein großes Tabuthema. „Der Tod ist auch fast aus unserem Sichtfeld verschwunden. Viele Menschen sterben im Krankenhaus oder im Heim. Wo sieht man denn noch, dass ein Sarg aus einem Haus getragen wird? Auch in der Schule wird man nicht mit dem Thema konfrontiert. Da trifft es viele oft wie einen Hammerschlag, wenn der Tod ganz plötzlich aus dem Nichts kommt.“
Deswegen will Dada Peng, der bereits Bücher über das Thema Tod veröffentlicht hat, mit der Initiative vor allem den Betroffenen eine Anlaufstelle sowie eine gesellschaftliche Hilfestellung bieten. „Auf unserer Seite können sich sowohl die Kranken selbst als auch die Angehörigen und Hinterbliebenen melden und sich mit anderen Betroffenen vernetzen. Denn sie kennen die Situation am besten. Viele Leute kommen auf ‘Superhelden’ zu, da sie das Bedürfnis haben, mehr darüber sprechen zu wollen und es für viele auch eine Art ‘Erinnerungskultur’ ist“, so der Buchautor.
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Daniela ist schnell zur Inspiration für andere geworden
Auch Daniela hat sich bewusst dazu entschlossen, ihre Geschichte zu teilen und ist innerhalb weniger Stunden schon für viele Menschen zur Inspiration geworden.
So schreibt eine Followerin auf Instagram: „Das ist so ein schönes Ritual und ist auch mein Plan für den ersten Geburtstag ohne meinen Sohn. Das mit dem Picknick machen wir hin und wieder mit Freunden und es tut allen gut.“ Eine andere: „Meiner Tochter und mir steht am Montag der erste Geburtstag ohne meinen Mann bevor, er starb im März mit 35 Jahren an einem Sarkom. Es graut mir vor dem Tag, aber die Idee ist wunderschön! Danke für die Inspiration.“
Auch wenn das Schicksal Daniela und ihre Familie hart getroffen hat, will die 38-Jährige positiv denken. „Natürlich ist das nicht immer leicht, aber man sollte den Tod nicht nur als etwas ‘Grausames’ sehen. Denn man weiß ja nicht, was danach passiert. Ich glaube, es ist wichtig, sich eine eigene Vorstellung aufzubauen und bin wirklich überzeugt, dass Bernd uns aus dem Himmel aus zuschaut. Und er hätte nicht gewollt, dass wir nur weinen“, sagt die alleinerziehende Mutter.
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