Die Gründe für seine Meinung sind überraschend

Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter gibt zu: "Die Wahl von Katar war ein Irrtum"

ARCHIV - 21.06.2018, Russland, Moskau: Der ehemalige FIFA-Präsident Joseph Blatter bei spricht einem Interview. Der Fußball-Weltverband FIFA hat Strafanzeige gegen seinen früheren Präsidenten gestellt. Im Kern geht es um mutmaßliche Straftaten bei der Finanzierung des FIFA-Museums in Zürich, das jährlich hohe Verluste meldet. Foto: Federico Gambarini/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Hält die WM-Vergabe an Katar rückblickend für einen Fehler: Sepp Blatter (Archivbild).
fg pil kde, dpa, Federico Gambarini

Unter seiner Regie bekam Katar im Jahr 2010 zu Zuschlag für die nun bevorstehende WM. Jetzt spricht Ex-FIFA-Präsident Sepp Blatter Klartext und hält die damalige Vergabe für einen Fehler. Im Interview mit dem Schweizer „Tagesanzeiger“ sagte der 86-Jährige: „Die Wahl von Katar war ein Irrtum. Es ist ein zu kleines Land – der Fußball und die WM sind dafür zu groß.“

Der Vorwurf: Die WM ist gekauft worden

Blatter selbst hatte in den vergangenen Jahren mehrfach betont, seine Stimme bei der Wahl den USA gegeben zu haben. Deshalb sagte er nun: „Die Wahl war schlecht (...) Und dafür trug ich als damaliger Präsident die Verantwortung.“ Ursprünglich habe das Exekutivkomitee das WM-Turnier 2018 an Russland und jenes vier Jahre später an die USA vergeben wollen. „Es wäre eine Geste des Friedens gewesen, wenn die beiden politischen Kontrahenten nacheinander die WM ausgetragen hätten“, sagte der ehemalige Fußballfunktionär.

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Wichtige Stimmen seien dann aber zu Katar gewandert, wie Blatter in dem Interview betonte. Als Hauptschuldigen dafür nannte Blatter den damaligen Präsidenten der UEFA, Michel Platini. Dieser habe sich von Nicolas Sarkozy, damals Regierungschef Frankreichs mit guten Beziehungen in den Wüstenstaat, dazu drängen lassen, für Katar zu stimmen.

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Der Vorwurf war von Beginn an: Die WM sei gekauft. Gut eine Woche vor der Abstimmung trafen sich Sarkozy, Platini und Tamim bin Hamad Al Thani, das Staatsoberhaupt des Emirats Katars. Am Ende der Sitzung soll Platini zugesagt haben, im FIFA-Ausschuss für Katar zu werben – und nicht für die USA. Im Gegenzug soll sich der Wüstenstaat unter anderem dazu bereit erklärt haben, in Frankreich eine TV-Sportkette aufzubauen. Sarkozy soll außerdem dafür gesorgt haben, dass heimische Baufirmen den Zuschlag für die Errichtung von Fußballstadien erhielten.

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Walter Bieri
Am 2. Dezember 2010 öffnete der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter einen Umschlag und holte mit einem Lächeln die Karte heraus, auf der „Katar“ gedruckt stand (Archivbild).
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Blatter war fast 20 Jahre FIFA-Präsident

Sepp Blatter war fast 20 Jahre lang Chef der FIFA. Während seiner Amtszeit, die von 1998 bis 2015 ging, wurde auch die umstrittene WM an Katar vergeben. Der Ausrichter steht vor allem wegen seines Umgangs mit den Bauarbeitern der Stadien und der Kriminalisierung der LGTBQ+-Gemeinschaft, in der sich sexuelle Minderheiten zusammengeschlossen haben, in der Kritik. Der jetzige FIFA-Präseident Gianni Infantino hatte die Kritik jüngst in einem Schreiben weggewischt und gefordert, dass das Sportliche im Fokus stehen soll.

Blatter kritisiert im Interview auch seinen Nachfolger Infantino. Er frage sich, warum sein Landsmann in Katar lebe. Blatter sieht darin eine zu große Nähe zu den WM-Organisatoren. „Der FIFA-Präsident müsste die Oberaufsicht haben“, sagte er. „Ein Beispiel: Es gibt ja den Vorschlag, man solle für die verstorbenen Arbeiter und die Hinterbliebenen einen Fonds einrichten. Katar sagt Nein. Was soll jetzt die FIFA dazu sagen, wenn ihr Präsident mit Katar im selben Boot sitzt?“ (jlu/dpa)