Arzt erklärt den ZusammenhangZieht euch warm an, sonst werdet ihr krank! Was ist dran am Kälte-Mythos?

Deutschland bibbert!
Husten, Schnupfen, Halsschmerzen – mit sinkenden Temperaturen steigt die Zahl der Atemwegsinfektionen weiter an. Wer eine Erkältung vermeiden will, sollte sich warm einpacken. So heißt es zumindest. Doch kann Kälte wirklich mit einer potenziellen Erkrankung zusammenhängen? Ein Mediziner klärt auf!
Husten, Schnupfen, Halsschmerzen: Viren fordern unser Immunsystem
„Zieh dich warm an, sonst wirst du krank“ – diesen gut gemeinten Rat hat sicherlich schon jeder einmal gehört. Meist sind es Viren, die typische Symptome wie Husten, Schnupfen und Halsschmerzen auslösen, wenn das Immunsystem die Erreger nicht abwehren kann. Und da sich im Herbst und Winter die Atemwegsinfektionen häufen, scheint es logisch: Wer friert, wird krank. Schließlich heißt es ja auch Erkältung. Doch ganz so einfach ist es nicht.
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Hängen Kälte und Krankheit zusammen? Die Wissenschaft ist sich uneinig!
Der Zusammenhang von Kälte und Krankheit ist in der Wissenschaft umstritten. Schon 1878 dachte Louis Pasteur den Beweis erbracht zu haben, dass Kälte krank macht, weil sein Versuchshuhn nach einem Bad im Eiswasser verendet war. Mitte des 20. Jahrhunderts ließen britische Forscher in einem Experiment Probanden in nassen Badehosen und Socken durch zugige Flure laufen. Anschließend wurden sie und die Kontrollgruppe mit Erkältungsviren infiziert.
Über die Jahre folgten weitere solcher mehr oder weniger schlimmen Studien, mal mussten Probanden dünne Kleidung in kalten Kellern tragen, mal ihre Füße in Eiswasser tauchen. Doch fast alle Experimente führten zu dem gleichen Ergebnis: Versuchsgruppe und Kontrollgruppe wurden etwa gleich häufig krank.
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Erkältung im Winter: Kälte ist nicht der Hauptauslöser
„Erkältung hat mit Kälte erst mal gar nichts zu tun“, sagt auch Präventionsmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht. „Wenn man sich in der Antarktis unbekleidet auf eine Eisscholle setzt, passiert sicherlich alles Mögliche, aber man wird sich auf keinen Fall erkälten.“ Denn Erkältungen sind Infektionskrankheiten und erfordern immer einen Erreger, erklärt der Experte. Meist ist es einer von den 200 verschiedene Erkältungsviren, darunter Rhino- oder Coronaviren. Aber auch Bakterien wie Pneumokokken oder Streptokokken können Entzündungen auslösen.
Allerdings bedeutet das nicht automatisch, dass Kälte für eine Erkältung völlig nebensächlich ist. Denn die Nebeneffekte von niedrigen Temperaturen können den Ausbruch einer Infektion begünstigen. „Schleimhäute werden in der Kälte schlechter durchblutet und sind häufig trockener, sodass sie ihre Schutzfunktion nicht so gut wahrnehmen können“, erklärt Specht. Kalte Nasen können sich also schlechter gegen Viren verteidigen. Das hat erst im vergangenen Jahr ein Forschungsteam in einer Studie im „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ nachgewiesen.
Außerdem bedeute Zittern Stress für den Körper, sagt der Mediziner. „Und wenn der Körper gestresst wird, dann hat er nicht so viel Kapazität für die Immunabwehr.“ Aber auch in der Wärme lauert die Infektionsgefahr. So hält man sich in der kalten Jahreszeit vermehrt in Innenräumen auf, sagt Specht. „Dort hat man mit anderen Menschen und ihren Viren einen viel engeren Kontakt als beispielsweise im Sommer im Park.“ Die Aerosole seien viel höher konzentriert und man stecke sich vergleichsweise häufiger an als im Freien.
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Immunsystem sollte mit Erregern konfrontiert werden
Wer sich nicht anstecken möchte, sollte Menschenansammlungen vermeiden, rät Specht. Auch Masken können kurzfristig helfen, eine Infektion zu verhindern – allerdings nur, wenn sie richtig getragen werden. „Insgesamt hat es jedoch wenig Sinn, durch beständiges Ausweichen Infektionen verhindern zu wollen“, so der Mediziner. Es sei wichtig, dass das Immunsystem mit verschiedenen Erregern konfrontiert werde, um sich dann vor ebendiesen besser schützen zu können.
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Arzt: Warm anziehen schadet nicht
Wer sein Immunsystem abhärten will, kann es auch beispielsweise mit kalten Duschen trainieren. „Man denke nur an die finnische Sauna. Der Wechsel zwischen heiß und kalt stresst den Körper zwar, macht ihn aber gleichzeitig auch widerstandsfähiger“, erklärt Specht. Allerdings dürfe man das nur machen, wenn man gesund sei. Und bis ein Effekt eintrete, dauere es Monate. „Einmal kalt duschen bringt leider gar nichts.“
Einen kleinen Geheimtipp hat der Mediziner allerdings: Zink. „Zink ist eines von den ganz wenigen Spurenelementen, bei denen Studien gezeigt haben, dass sie wirken, wenn man sie prophylaktisch einnimmt. Sie können das Risiko einer Erkältung tatsächlich minimieren“, sagt Specht. Und: „Auch warm anziehen schadet nicht.“
Dieser Artikel erschien zuerst im November 2023 bei n-tv.de