Wirken sie Entzündungshemmend?

Studie zeigt: Erdbeeren könnten gegen Demenz helfen

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Erdbeeren könnten gegen Demenz helfen
von Klaus Wedekind

Eine neue Studie zeigt, dass der tägliche Verzehr von Erdbeeren das Risiko, an Altersdemenz zu erkranken, lindern könnte. Dafür muss man offenbar nicht mal frische Früchte essen, die Probanden erhielten Pulver. Ähnlich soll es sich mit Blaubeeren verhalten. Gesundes Misstrauen ist aber angebracht.

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Erdbeeren sind nicht nur lecker, sondern auch gesund. Dem Bundeszentrum für Ernährung zufolge stecken sie voller Vitamine und Mineralstoffe. Außerdem enthalten sie sekundäre Pflanzenstoffe, die unter anderem vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen, Krankheitskeime abtöten und entzündungshemmend wirken können. Dies gelte vor allem für biologisch erzeugte Freiland-Früchte, so die Bundesbehörde.

Doch Erdbeeren können offenbar auch in Pulverform eine große Wirkung entfalten. Laut einer neuen, begutachteten Studie von Wissenschaftlern der Universität Cincinnati kann der tägliche Verzehr das Demenzrisiko bei übergewichtigen Menschen mittleren Alters senken.

„Demenz ist ein Oberbegriff, der viele verschiedene Krankheiten umfasst, für die es keine Heilmittel gibt“, zitiert „EurekAlert“ Studienleiter Robert Krikorian. „Es ist nicht klar, wann oder ob eine wirksame Therapie zur Verfügung stehen wird; Vorbeugung und Abschwächung durch Ernährungs- und Lebensstil-Entscheidungen sind derzeit der beste Ansatz, den wir haben.“

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Erdbeer-Studie mit überwiegend übergewichtigen Menschen mittleren Alters

An der Studie nahmen insgesamt 30 übergewichtige Personen im Alter von 50 bis 65 Jahren mit einem leichten Abbau kognitiver Fähigkeiten (unter anderem Gedächtnisstörungen) teil, darunter 25 Frauen und 5 Männer. „Wir wollten mit einer übergewichtigen Bevölkerung mittleren Alters arbeiten, da Demenz eine Erkrankung ist, die sich vermutlich über einen Zeitraum von Jahrzehnten entwickelt. Weiterhin sind Entzündungen wahrscheinlich ein Faktor im Zusammenhang mit Stoffwechselstörungen wie Übergewicht/Adipositas, Prädiabetes und Typ-2-Diabetes“, erklärt Krikorian.

Die Probanden wurden in zwei Gruppen geteilt. Eine Hälfte erhielt über einen Zeitraum von zwölf Wochen ein Erdbeerpulver aus gefriergetrockneten gemahlenen ganzen Früchten, die andere ein identisch aussehendes und schmeckendes Placebo.

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Das Erdbeerpulver entsprach 130 Gramm frischen Früchten und enthielt rund 37 Gramm Anthocyane. Sie geben den Beeren ihre rote Farbe, gelten aber auch als starke Antioxidantien, die unter anderem entzündungshemmend sind. Während der Studie durften die Teilnehmenden keine Beerenfrüchte essen oder Säfte trinken, die möglicherweise die gleichen oder ähnliche Substanzen enthalten können.

Die Gruppe, die Erdbeerpulver erhielt, bestand ausschließlich aus Frauen. In der Arbeit heißt es dazu, es habe vor Studienbeginn keine Unterschiede zwischen den teilnehmenden Männern und Frauen hinsichtlich demografischer Faktoren oder den kognitiven Fähigkeiten gegeben.

Erdbeer-Probanden erzielten im Gegensatz zur Placebo-Gruppe bessere Ergebnisse beim Demenztest

Nach Ablauf der zwölf Wochen stellten die Wissenschaftler bei der Gruppe, die Erdbeerpulver zu sich nahm, eine Verringerung der Beeinträchtigung des verbalen Lernens und des Gedächtnisses fest. Konkret machte sie in einem Wortlisten-Test weniger Fehler als die Placebo-Gruppe. Solche Tests können zur Früherkennung von Alzheimer/Demenz genutzt werden. Ein Beispiel ist der DemTect-Test, bei dem Teilnehmende unter anderem vorgelesene Wörter wiederholen müssen.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass die Probanden, die Erdbeerpulver verzehrten, auch weniger depressive Symptome aufwiesen. Die relative Stimmungsverbesserung deute „auf eine verbesserte Fähigkeit zur emotionalen Bewältigung und ein geringeres Stressniveau hin“, schlussfolgern sie daraus.

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Erdbeer-Studie: Stoffwechselfunktion blieb gleich

Shot of pretty young woman eating yogurt while standing in the kitchen at home.
Der tägliche Verzehr von Erdbeeren könnte gegen Demenz helfen
Lifestock, 2019 JOSEP SURIA (2019 JOSEP SURIA (Photographer) - [None], Istockphoto.com

Die Probanden, die Erdbeerpulver bekamen, zeigten keine Verbesserung der Stoffwechselfunktionen, was die Wissenschaftler als Grund für die positiven kognitiven und Stimmungseffekte erwartet hatten. „Unsere Ergebnisse können wahrscheinlich auf die entzündungshemmende Wirkung der in Erdbeeren enthaltenen Anthocyane zurückgeführt werden“, vermutet Krikorian stattdessen.

Die fehlende Stoffwechsel-Reaktion sei möglicherweise auf die geringere Dosis an Antioxidantien im Vergleich zu ähnlichen Studien zurückzuführen, schreiben die Wissenschaftler. Unter anderem sei der Anteil des Wirkstoffs in Erdbeeren deutlich geringer als in Blaubeeren.

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Erdbeer-Studie: Wie aussagekräftig ist diese Untersuchung?

Tatsächlich führten Krikorian und Kollegen in der Vergangenheit vergleichbare Studien mit Blaubeer-Pulver durch, zuletzt 2022. Studienaufbau und -durchführung waren ähnlich, ebenso die Ergebnisse. Wobei die Forscher hier bei der Nicht-Placebo-Gruppe auch eine verbesserte Stoffwechselfunktion feststellten.

Wie aussagekräftig solche Studien sind, ist allgemein umstritten. Ein Grund dafür ist, dass sie häufig von Interessenvertretern finanziert werden. Im Falle der Krikorian-Forschungen waren dies die California Strawberry Commission und das US Highbush Blueberry Council, die jeweils auch die verabreichten Pulver spendeten. Beide Organisationen haben schon viele Studien finanziert, einen Überblick findet man hier und hier.

Dabei handelt es sich nicht um ein US-amerikanisches Phänomen, Lobbyisten finanzieren weltweit Ernährungsstudien. Anfang 2022 unterstützte beispielsweise Karls eine Forschungsarbeit der Universität Rostock zur gesundheitsfördernden Wirkung von Erdbeeren, die „erstaunliche Ergebnisse“ hervorbrachte.

Welches Studien-Format eignet sich besser - RTC oder Kohortenstudie?

Das bedeutet nicht, dass Krikorians Arbeiten unseriös sind, zumal es sich laut Einleitung um sogenannte randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien (RCTs) handelt. In der Ernährungsforschung werden dagegen häufig Kohortenstudien durchgeführt, wobei Teilnehmende regelmäßig untersucht und nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt werden. Dadurch lassen sich mögliche statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Ernährungsgewohnheiten wie regelmäßiger Verzehr von Erdbeeren und wichtigen Endpunkten wie verbesserten kognitiven Fähigkeiten feststellen.

Laut Cochrane Deutschland gelten RCTs speziell in der Medizin als „Goldstandard“. In der Ernährungsforschung seien RCTs aber schwer umsetzbar, heißt es in einem Artikel der Organisation. Studienteilnehmende müssten unter anderem ihre Ernährung über Jahre hinweg umstellen, um Langzeiteffekten auf die Spur zu kommen.

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Holundersaft noch effektiver als Blaubeeren und Erdbeeren

Die Ergebnisse von Kohortenstudien unterschieden sich zwar oft nur wenig von RCTs, schreibt Cochrane mit Bezug auf eine Arbeit des Institut für Evidenz in der Medizin am Uniklinikum Freiburg. Ob die zwölfwöchige Erdbeer-Studie die in beiden Fällen geforderten langfristigen Beobachtungen liefert, ist allerdings fraglich. Auf jeden Fall kann eine gesunde Portion Misstrauen nicht schaden.

Und wenn man große Mengen an Anthocyanen zu sich nehmen möchte, muss man nicht unbedingt Erdbeeren oder Blaubeeren essen. In 100 Milliliter (ml) Holundersaft stecken 1900 bis 6600 Milligramm (mg), in 100 Gramm Beeren bis zu 1000 mg. Der Saft Schwarzer Johannisbeeren liefert 1300 bis 4000 mg Anthocyane, 100 Gramm Brombeeren bis zu 350 mg, die Schalen von Auberginen 700 mg. Blaubeeren kommen auf 10 bis 515 mg, Erdbeeren nur auf 7 bis 50 mg.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst bei ntv.de