Sind Unisex-Klos die Zukunft?
Eine Toilette für Mädchen UND Jungs: Immer mehr Schulen machen es
Wenn es um Verdauungsbedürfnisse geht, scheiden sich die Geschlechter an der Türe. Aber so war es nicht immer. Diese Trennung ist eigentlich erst 150 Jahre alt – und gilt vielen als zivilisatorische Errungenschaft. Doch in manchen Schulen setzt man jetzt wieder auf den Lokus für alle. Und das klappt sogar erstaunliche gut, wie eine Schulleiterin aus Ulm berichtet. Wird das jetzt deutschlandweit Trend?
An den meisten Schulen in Deutschland noch kein Thema
An der Sägefeldschule in Ulm gibt es sie jetzt auch: eine Toilette für alle. Wurde früher noch zwischen WCs für Jungen und Mädchen unterschieden, gibt es an der Grund- und Werkrealschule heute nur noch eine gemeinsame Toilette für alle älteren Schülerinnen und Schüler, wie Schulleiterin Cornelia Euchner erklärt. Und das funktioniere außerordentlich gut. Was an der Ulmer Schule seit diesem Frühjahr zum Alltag gehört, ist abgesehen von Ausnahmen an den meisten Schulen in Deutschland noch kein Thema. Wird es demnächst eins? Die Entwicklungen in einigen Bundesländern sprechen dafür.
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Ulmer Schule entschloss sich bei Neubau für Unisex
Anlass für die sogenannte Unisex-Toilette in Ulm war der „desolate Zustand“ des bisherigen Schulklos, wie Euchner sagt. Das Klo wurde ständig beschädigt und war auf dem Schulhof gelegen auch für Fremde zugänglich. Für einen Neubau kam schnell der Vorschlag für eine „Toilette für alle“ auf. Auch wenn es zunächst Bedenken bei Lehrern wie Schülern gegeben habe, hätten sich alle schnell daran gewöhnt, sagt Euchner. Die neue Toilette verfügt nur noch über Kabinen, die Pissoirs sind passé. Die Waschbecken sind durch bodentiefe Fenster gut einsehbar. Außerhalb der Pausen kommen die Schüler nur mit einem digitalen Chip herein.
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Diskriminierung kommt gar nicht erst auf
Sie habe sich eine Toilette für alle irgendwie anders vorgestellt, sagt Mona aus der Klasse 7a. Inzwischen habe sie sich daran gewöhnt, dass Jungs mit im Raum seien. Ibrahim aus der 9a gefällt vor allem, dass das WC schön neu sei. Schulleiterin Euchner sieht in der neuen Toilette auch eine Wertschätzung der Schüler. Da nun alle denselben Toiletten-Raum nutzten, gerate eine Trennung nach Geschlechtern zudem in den Hintergrund und eine mögliche Diskriminierung komme so gar nicht erst auf. Für die Grundschüler, ein Drittel der rund 300 Schüler, gibt es noch eine weitere Toilette - getrennt nach Jungs und Mädchen.
Landeselternbeirat: Durchaus „pragmatischer Ansatz“
Der Vorsitzende des Landeselternbeirats in Baden-Württemberg, Michael Mittelstaedt, hält sogenannte Unisex-Toiletten an Schulen durchaus für einen „pragmatischen Ansatz“. Bei einem anstehenden Neubau seien sie eine sinnvolle und wirtschaftliche Lösung.
Weit verbreitet sind die geschlechtsneutralen Toiletten an deutschen Schulen bislang aber nicht. Am Goethe-Gymnasium in Freiburg gebe es seit Jahresanfang eine Unisex-Toilette, teilt eine Sprecherin der Stadt mit. In Tübingen liegt der Stadt ein Antrag vor, sie an allen weiterführenden Schulen einzurichten. Auch Berlin hat ebenfalls schon Erfahrungen mit Unisex-Toiletten gemacht.
NRW-Schüler fordern mehr Unisex-Toiletten
In Nordrhein-Westfalen werden Forderungen nach Unisex-Toiletten lauter. Aktuell gebe es noch eher wenige in NRW, sagt Laura Körner, Vorstand LandesschülerInnenvertretung, auf Anfrage. Aber der Wunsch vonseiten der Schüler und Schülerinnen nehme „immer weiter zu“.
Kein Thema sind die geschlechtsneutralen Klos bislang etwa in Sachsen, wie das Landesamt für Schule und Bildung mitteilt. Auch in Bayern sieht Henrike Paede vom Landesvorsitz des Bayerischen Elternverbands bei der breiten Mehrheit kein Interesse an dem Thema. Sie vermute auch nur eine geringe Verbreitung.
Die Ulmer Schulleiterin Euchner ist überzeugt, dass die Gesellschaft sich in Richtung der Toilette für alle bewege. Und bei ihnen sei sie nun eben schon da. (Sebastian Schlenker/dpa/ija)