Michael M. packte Gerät einfach in seinen Wagen

Dreister Blitzerklau oder Irrtum? Mercedes-Fahrer: Ich hielt die Radarfalle für einen Anwohner-Fake

Michael M. Blitzer Struppen
Michael M. behauptet: Ich dachte, es handele sich um einen Fake-Blitzer.
Jens Schwarck

von Sebastian Stöckmann

Klaut jemand ein Radargerät, weil er mit 7 km/h zu schnell geblitzt worden ist? Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Ja, Michael M. (55) hat in Struppen (Sachsen) einen mobilen Blitzer in seinen Mercedes gepackt und ist davongebraust. Doch der 55-Jährige, der als Pin-up-Künstler schon für den Playboy gearbeitet hat, hält dagegen. Mitgenommen habe er das Gerät schon – es aber für eine Attrappe gehalten, einen Unfug der dortigen Anwohner.

7 km/h zu schnell: Radargerät blitzt Mercedes-Fahrer in Struppen

Blitzer Struppen
An dieser Stelle in der Gemeinde Struppen hatte der Mercedes-Fahrer 7 km/h zu viel auf dem Tacho.
RTL

Es ist der 25. November 2020, als das Radargerät Michael M. in seinem Mercedes-Benz GLE fotografiert. Mit 37 km/h statt der erlaubten 30 km/h ist der Künstler durch den Ort gefahren – ein Kavaliersdelikt und kein Grund, eine saftige Strafe oder gar Fahrverbot zu fürchten. Doch M. fährt laut Staatsanwaltschaft zweimal zum Blitzer hin und wieder zurück – bis er schließlich anhält und die Messeinheit samt Akku in seinen Wagen packt.

Ein Mitarbeiter des Landratsamtes konfrontiert den Mercedes-Fahrer mit der Tat. Doch Michael M. verriegelt sein Auto und sucht das Weite, der Mitarbeiter ruft die Polizei. Die Beamten treffen den damals 52-Jährigen an seiner Wohnung an und finden in seinem Auto den Blitzer – Wert: rund 5.000 Euro.

Künstler wollte "Blitzer-Attrappe" angeblich zur Polizei bringen

Blitzer Struppen
Nachstellung der Szenerie aus dem Jahr 2020: Michael M. hielt den vom Zaun baumelnden Blitzer für eine Attrappe.
RTL

Vor dem Amtsgericht Pirna bestreitet Michael M. im Juni 2021 gar nicht, an jenem Novembermorgen etwas in sein Auto gepackt zu haben. Doch die Geschichte, die er präsentiert, klingt abenteuerlich: Er sei von einer Lampe geblendet worden und habe diese für eine Verkehrsgefährdung gehalten. Daher habe er die vermeintliche Blitzer-Attrappe, die mit einem Seil an einem Zaun befestigt war, mitgenommen und zur Polizei bringen wollen.

Die Richterin hält das für ein Märchen und verurteilt den Künstler zu 6.400 Euro Geldstrafe und zwei Monaten Fahrverbot – wegen "Diebstahls in Tateinheit mit Störung öffentlicher Betriebe".

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Michael M. rät Ordnungsamt zu Nachhilfekurs in Sachen Radarfalle

Doch Michael M. will nicht klein beigeben und legt Berufung ein. Am Freitag kommt es vor dem Landgericht Pirna zur Verhandlung. Der 55-Jährige beharrt auf seiner Version von der vermeintlichen Attrappe, die nach seiner Einschätzung Anwohner zur Abschreckung an ihren Gartenzaun gebunden hatten.

Im RTL-Interview rät M. dem Ordnungsamt zu einem Nachhilfekurs in Sachen Radarfalle. Dessen Mitarbeiter wüssten offenbar nicht, wie man die Geräte richtig aufstellt. "Ich glaub, die müssen noch mal in die Schule gehen oder sich die Bedienungsanleitungen richtig durchlesen." Wenn ein Blitzer wie seinerzeit an der Hohe Straße in Struppen "im Wind weht und schwingt", könnten Autofahrer darin durchaus eine Gefahr sehen. "Ich habe es so gedeutet, dass es ein Eingriff in den Straßenverkehr war, der gefährlich sein könnte, wenn sich jemand erschreckt. So wie das bei mir der Fall war, als mich das geblendet hat", erzählt der 55-Jährige. Er habe auch kein Polizeiauto oder Ähnliches gesehen und sei sich sicher gewesen, dass der Blitzer ein Fake ist. Später habe sich sogar die Polizei über die sonderbar aufgestellte Radarfalle amüsiert.

Landgericht Pirna: Verfahren gegen Mercedes-Fahrer gegen Geldauflage eingestellt

Struppen Ortsschild
In einer Tempo-30-Zone in Struppen tappte Michael M. in die Radarfalle.

Und tatsächlich – der Pin-up-Künstler verbucht zumindest einen Teilerfolg: Das Verfahren wird gegen Zahlung einer Geldauflage von 5.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt. Das Gericht habe dies angeregt, erklärt ein Gerichtssprecher. Bei der Beweisaufnahme sei unklar geblieben, ob M. den Blitzer tatsächlich klauen wollte. Letztlich hätte man dem 55-Jährigen höchstens die "Störung öffentlicher Betriebe" nachweisen können. Zudem sei er bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten.

Geld aus Prozess um Blitzerklau geht an die Kinderkrebshilfe

Michael M. Blitzer Struppen
Michael M. ist froh, dass der Prozess zu Ende ist - und die Geldauflage von 5.000 Euro an die Kinderkrebshilfe gespendet wird.
RTL

"Damit bin ich völlig zufrieden, das ist der richtige Weg", sagt Michael M. Vor allem, weil die 5.000 Euro an die Kinderkrebshilfe gespendet werden sollen; er selbst habe das vorgeschlagen. "Besser als in die Staatskasse, wo es für irgendwas verschwendet wird. Dort weiß ich, wo es ankommt – wo es gebraucht wird."

Mehr als zwei Jahre nach dem Blitzerklau ist der 55-Jährige erleichtert, dass der Prozess endlich ein Ende gefunden hat. "Das Ding ist vorbei", sagt Michael M. Einen Seitenhieb kann er sich zum Abschluss trotzdem nicht verkneifen: "Ordnungsamt, kauft euch ein Stativ!"