Athleten haben die Nationalität gewechselt

Diese Sportler kehrten Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges den Rücken

FILE - epa04128788 Russian athletes carry the Russian national flag during the Closing Ceremony of the Sochi 2014 Paralympic Games, Russia, 16 March 2014. EPA/SERGEI CHIRIKOV (zu dpa ««Guardian»: Russische Sportler werden von Paralympics verbannt» vom 06.08.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ist die russische Fahne weitestgehend aus dem Weltsport verschwunden.
sc hm jhe, dpa, Sergei Chirikov
von Arne Draheim

Weil russische und belarussische Athletinnen und Athleten vom Weltsport ausgeschlossen wurden, mussten viele Sportler umdenken. Einige von ihnen wechselten sogar die Nationalität – aus unterschiedlichen Gründen.

Russische und belarussische Olympia-Beteiligung kann nicht mehr ausgeschlossen werden

Nachdem zuletzt mehrere Verbände eingeknickt sind, dürfen Athleten aus Russland und Belarus allmählich wieder an internationalen Sportveranstaltungen teilnehmen. Nach einem knapp einjährigen Ausschluss scheint es nicht unrealistisch, dass die anstehenden Olympischen Spiele in Paris wieder mit Beteiligung beider Nationen stattfinden werden.

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Allerdings verfolgt nicht jeder Sportler das Ziel, wieder für sein Heimatland starten zu wollen. Seit dem 24. Februar 2022 haben sich zahlreiche Sportlerinnen und Sportler dafür entschieden, die russische Staatsbürgerschaft gegen eine andere zu tauschen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Murat Gassijew (Armenien)

Murat Gassijew dürfte unter Box-Fans kein ganz Unbekannter sein. Sein Kampf gegen den Ukrainer Oleksandr Usyk im Jahr 2018 hat seinen Bekanntheitsgrad über die Grenzen Russlands hinaus gesteigert. Der Boxer mit dem Kampfnamen ‘Iron’ steigt aktuell nicht mehr als russischer, sondern als armenischer Staatsbürger in den Ring. Geboren wurde der 29-Jährige in der nordkaukasischen Republik Nordossetien-Alanien, die zur Russischen Föderation gehört.

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Murat Gassijew wurde 2011 zum Profi. Sein jetziges Ziel ist die Weltmeisterschaft im ersten Schwergewicht. Auf dem Weg dorthin besiegte er am 3. März in seinem ersten Schwergewichtskampf den US-Amerikaner Mike Balogan. Zu diesem Zeitpunkt war Gassijew schon Armenier. Seit Oktober könnte Gassijew theoretisch wieder unter russischer Flagge boxen – der Boxweltverband IBA hob die Sperre gegen russische und belarussische Sportler auf.

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Alexandra Kosteniuk (Schweiz)

Schon im Alter von 20 Jahren wurde Alexandra Kosteniuk der Großmeister-Titel, die höchste Auszeichnung des Schachsports, verliehen. Knapp zwei Jahrzehnte lang war sie fester Bestandteil des russischen Schach-Nationalkaders. Doch mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine erfolgte der Bruch zwischen der mittlerweile 38-Jährigen und ihrem Heimatland. Weil sie eine „Protestnote“ setzen wollte, wie sie der NZZ verriet, spielte sie zunächst unter neutraler Flagge. Seit März 2023 tritt die Schachweltmeisterin von 2008 für die Schweiz an. Nicht ganz grundlos.

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Kosteniuk ist schon länger in Besitz der schweizerischen Staatsbürgerschaft. Die Ehe zu ihrem ersten Mann, einem Schweiz-Kolumbianer, wurde aber schon vor einigen Jahren geschieden. Die Staatsbürgerschaft hatte sie durch die Heirat erhalten. Ihr jetziger Ehemann ist in der Schachwelt kein Unbekannter. Pawel Tregubow, ebenfalls ein Großmeister, hat die russische Staatsbürgerschaft abgelegt und tritt nun für Frankreich an.

Anastasia Simakova (Deutschland)

In Russland holte Sportgymnastin Anastasia Simakova 2019 den Weltmeistertitel mit dem Seil. Mit dem russischen Nachwuchsteam gab es sogar Gold in der Nationenwertung. Trotzdem befindet sich die im russischen Omsk geborene Simakova in der Probezeit. Sie beantragte eine Aufnahme am Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik im baden-württembergischen Schmiden.

Die Impulsgeber waren ihre Eltern. Sie sind im Rahmen eines Spätaussiedlerprogramms nach Nürnberg gezogen. Im Oktober des vergangenen Jahres zog Tochter Anastasia nach. Noch im selben Monat erhielt Simakova die deutsche Staatsbürgerschaft.

Noch ist allerdings unklar, ob Simakova tatsächlich auch für Deutschland antreten wird. Zuerst müsse der russische Turnerbund die Freigabe bestätigen, dann könne sich die 18-Jährige sportlich für das Team Deutschland empfehlen.

Natela Dsalamidse (Georgien)

LINZ, AUSTRIA - FEBRUARY 12: (EDITOR'S NOTE: Image has been digitally enhanced) Natela Dzalamidze of Georgia and Viktoria Kuzmova of Slovakia celebrate winning during day seven of the Upper Austria Ladies Linz 2023 on February 12, 2023 in Linz, Austria. (Photo by Alexander Scheuber/Getty Images for MatchMaker)
Natela Dsalamidse (rechts im Bild) ist seit 2022 georgische Staatsbürgerin.
XX / AS, Getty Images for MatchMaker, Bongarts

Die Auswirkungen des Angriffskrieges haben russische und belarussische Sportler vor allem im Tennis zu spüren bekommen. Wer im vergangenen Jahr in Wimbledon unter einer der beiden Flaggen angetreten wollte, wurde vom Turnier ausgeschlossen. Deshalb startete die in Moskau geborene Natela Dzalamidze als georgische Staatsbürgerin. Vor dem Turnier im vergangenen Sommer nahm die Tennisspielerin die Staatsbürgerschaft ihres Vaters an.

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"Ich habe die Entscheidung getroffen, weil ich mich auf meine Karriere konzentrieren und die Chance haben möchte, bei den Olympischen Spielen teilzunehmen", erklärte die 30-Jährige im vergangenen Jahr der englischen Zeitung ‘The Times’. Bei den French Open nahm sie zuvor noch unter neutraler Flagge teil,

E-Sport-Team Team Spirit (Serbien)

Ein Umzug mit Symbolwert: Weil das russische E-Sport-Team „Team Spirit“ sich nach dem russischen Angriffskrieg nicht mehr mit Russland identifizieren wollte, wurde der Standort kurzerhand von Moskau nach Belgrad verlagert:

„Ein Alleinstellungsmerkmal von E-Sports war schon immer seine Zugänglichkeit. Wo auch immer du lebst, egal was du tust, egal was du glaubst, die Türen zum E-Sport standen dir immer offen“, erklärt das Kollektiv im März 2022 in einer Pressemitteilung. „Aber alles ändert sich. Eine dieser Veränderungen ist die aktuelle Situation zwischen Russland und der Ukraine, wo viele unserer Spieler und Mitarbeiter herkommen. Angesichts aller Umstände, unter denen es sowohl praktische als auch ethische gibt, scheint die Entscheidung, den Einsatzort zu ändern, die einzig richtige zu sein "

Noch im Oktober 2021 gewann das E-Sport-Team das Dota-2-Hauptturnier The International. Das Team bestand aus russischen und ukrainischen Mitgliedern.

Mikhail Jakowlew (Israel)

JAKARTA, INDONESIA - FEBRUARY 26: Mikhail Yakovlev of Team Israel celebrates after winning the Men's Sprint bronze medal race during day four of the UCI Track Nations Cup at Jakarta International Velodrome on February 26, 2023 in Jakarta, Indonesia. (Photo by Yong Teck Lim/Getty Images)
9.099 Sekunden im 200-Meter-Sprint: Der Weltrekord von Mikhail Jakowlew wurde international nicht anerkannt.
YL / YL, Getty Images, Bongarts

Vor 22 Jahren wurde Bahnradsportler Mikhail Jakowlew in Russlands Hauptstadt Moskau geboren. In seinen Pässen deutet mittlerweile aber nur noch der Geburtsort auf seine Herkunft hin. Im August 2022 teilte der 22-Jährige dem russischen Radsportverband mit, künftig für ein anderes Land starten zu wollen. Noch im selben Monat nahm Jakowlew die israelische Staatsbürgerschaft an. Zu den Gründen äußerte der 1,99 Meter-Hüne sich nie öffentlich.

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Beim „Großen Preis von Moskau“ stellte er im 200-Meter-Sprint mit 9.099 Sekunden einen neuen Weltrekord auf. Aufgrund der Invasion Russlands wurde diese Bestmarke aber nie vom internationalen Radsportverband UCI anerkannt.

Pavel Sivakov (Frankreich)

COL DE LA COUILLOLE, FRANCE - MARCH 11 : Sivakov Pavel FRA of INEOS Grenadiers crosses the finish line exhausted after stage 7 of the 81th edition of the Paris - Nice cycling race, a stage of 143km with start in Nice and finish at the Col De La Couillole on March 11, 2023 in Col De La Couillole, France, 11/03/2023  Motordriver Kenny Verfaillie - Paris - Nice 2023 - stage 7 PhotoNews/Panoramic PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY
Sohn einer Radfahrer-Familie: Pavel Sivakov ist in Italien geboren und fährt nun für Frankreich
www.imago-images.de, IMAGO/Panoramic International, IMAGO/Nico Vereecken

Weil er „absolut gegen den Krieg und in Gedanken beim ukrainischen Volk“ ist, entschied sich Radrennfahrer Pavel Sivakov für die französische und gegen die russische Staatsbürgerschaft. Ganz überraschend war die Entscheidung nicht. "Ich wurde in Italien geboren und bin nach Frankreich gekommen, als ich ein Jahr alt war", sagte Sivakov in einem Eurosport-Interview.

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Der Weltverband UCI sowie beide Radsportverbände stimmten dem Vorhaben von Sivakov im vergangenen März zu. Sivakov gewann 2019 die Polen-Rundfahrt, noch im selben Jahr war der 25-Jährige Neunter der Gesamtwertung beim Giro d'Italia. 2020 fuhr der Sohn einer Radrennfahrer-Familie seine erste Tour de France.