Kinder- und Jugendpsychotherapeutin klärt aufMythos Christkind: Noch schnell vor dem Schulstart die Wahrheit sagen?

Die Zahnfee versteckt unbemerkt kleine Geschenke unter dem Kopfkissen, das Christkind lässt an Weihnachten die Glocke bimmeln, und der Osterhase hüpft munter durch den Garten - das Leben eines jeden Kindes ist geprägt von zauberhaften, mystischen Figuren. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, einem Kind die Wahrheit zu sagen? Wie lange soll man ihm die Phantasie bewahren? Passend zum Schulstart klärt Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Miriam Hoff im Gespräch mit RTL auf.
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„Märchenhafte Figuren sind für Kinder Identifikationsrollen!"

Mythen und Märchen sind für Kinder sehr wichtig und bieten ihren Orientierung. „Durch Mythen lernen Kinder den Unterschied zwischen Gut und Böse. Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist gerade am Anfang für Kinder unheimlich wichtig“, erklärt Hoff im Gespräch mit RTL. Durch die magischen Geschichten durchlaufen die Kinder einen inneren Reifungsprozess und entwickeln eine eigene Moral. Auf spielerische Art und Weise werden durch Märchen und Mythen Werte und Ziele bereits in jungen Jahren entwickelt. „Märchenhafte Figuren sind für Kinder Identifikationsrollen und unheimlich wichtig. Sie sind Beispiele dafür, wie man als Kind sein möchte“,sagt Hoff.
Entwicklungsphase magisches Denken
Zwischen drei bis acht Jahren befinden sich Kinder in der Entwicklungsphase magisches Denken: „In dieser wichtigen Phase setzen sich die Kinder auf der einen Seite schon mit der Realität auseinander, auf der andere Seite haben die Kinder aber auch das Gefühl, durch magisches Denken etwas eigenes bewirken zu können“, klärt Hoff auf. In dieser Phase seien stabilisierende Figuren wie der Weihnachtsmann oder die Zahnfee sehr wichtig. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, die Kinder über die Wahrheit aufzuklären?
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Kindertherapeutin warnt vor Aufklärung zum Schulstart
„Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für die Wahrheit. Man muss gucken, wie weit das Kind von der individuellen Entwicklung her ist“, sagt Hoff. Oft möchten die Kinder noch in der Phantasiewelt bleiben.
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Die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Miriam Hoff warnt im Gespräch mit RTL davor, die Kinder vor dem Schulstart über die Wahrheit aufzuklären. „Beim Schulstart wird das Kind mit realistischen Anforderungen konfrontiert und braucht die Phantasiewelt dann umso mehr als Rückzugort“, erklärt Hoff. Der Schulstart sei ein großer Entwicklungssprung, da viel von den Kindern erwartet werde. Umso wichtiger sei die Möglichkeit, jederzeit in kleinkindhaftes Verhalten zurück zu fallen. Mithilfe dieser Rückversicherung können Kinder Mut sammeln und sich der nächsten Herausforderung stellen, so Hoff.
Kinder sollen nicht angelogen werden
Doch diese Magie hält leider nicht ewig an. Irgendwann fallen den Kindern Ungereimtheiten auf, und sie beginnen, Dinge zu hinterfragen. Wenn sich das Kind in dieser Phase fragend an die Eltern wendet, sollen die Kinder nicht an angelogen werden. „Wenn der Bedarf nach Aufklärung da ist, ist es wichtig, die Kinder ernst zu nehmen und sie kindgerecht sowie liebevoll aufzuklären“, erläutert Hoff. Oft setzen bei Kindern Selbstschutzmechanismen ein, wenn sie die Wahrheit erfahren, da sie noch länger in der Phanatsiewelt bleiben wollen. „Dieses Verhalten ist auch ein wichtiges Signal der kindlichen Psyche. Die Kinder haben zwar eine leichte Ahnung und Vermutung, möchten aber noch in ihrem Glauben bleiben“, sagt Hoff.