"Wir haben die Ukraine eine gewisse Zeit lang im Stich gelassen" CDU-Politiker Wadephul kritisiert „Zeitenwende in Zeitlupe“

Ein Jahr nach der viel zitierten Rede des Bundeskanzlers zur „Zeitenwende“ fordert der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul vor allem mehr Tempo. Die Bundeswehr brauche schnell mehr Geld, Material und Personal. Dafür müsse die Regierung auch sagen, wo sie an anderer Stelle sparen will.
Mit der Rede zur Zeitenwende habe der Bundeskanzler im Grunde den gesamten Koalitionsvertrag revidiert, aber das sei der Koalition offenbar noch nicht klar geworden.
Lese-Tipp: Alle aktuellen Infos zum Ukraine-Krieg jederzeit im Liveticker

"Die Rede war wichtig. Aber ich habe Zweifel, dass die ganze Regierung das verstanden hat"

Der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul fordert mehr Tempo bei der Umsetzung der Zeitenwende. Die sei bislang mangelhaft, vor allem der Beschaffungsvorgang der Bundeswehr müsse beschleunigt werden, sagte er im RTL/ntv Frühstart.

„Deshalb muss man sagen, die Rede war wichtig. Aber ich habe Zweifel, dass die ganze Regierung das verstanden hat.“, so Wadephul. Bei Verteidigungsminister Boris Pistorius sehe er „gute Ansätze“, aber auch er könne das Jahr unter Lambrecht nicht aufholen.

Was von der Rede geblieben sei? „Eine Zeitenwende in Zeitlupe. Eine große Rede, die im Grunde alles auf den Kopf stellen wollte und sollte, aber die Umsetzung ist bisher mangelhaft.“, so Wadephul. Die 100 Milliarden für die Bundeswehr reichen zudem seiner Meinung nach nicht aus, hier müssten neue Prioritäten im Haushalt gesetzt werden.

Die Koalition müsse jetzt die Kraft finden, an der ein oder anderen Stelle auch zu sagen, wo sie weniger ausgebe. „Zeitenwende durchzuführen und nicht zu sagen, wo man auch spart, wird nicht gehen. Wir leben in einer neuen Zeit. Mit der Rede zur Zeitenwende hat der Bundeskanzler im Grunde den gesamten Koalitionsvertrag revidiert.“, so Wadephul. Das müsse der Koalition aber noch klar werden.

„Wir haben die Ukraine eine gewisse Zeit lang im Stich gelassen“

Die zögerliche Haltung des Kanzlers bei der Lieferungen von schweren Waffen an die Ukraine sei auch mit dem Argument, Scholz habe auf die Zusage der Amerikaner gewartet, nicht zu entschuldigen. „Er hätte vorangehen müssen. Was ist das eigentlich für eine Position, dass ich erst dann liefere, wenn auch die USA liefern? Da steckt doch Zweifel drin.“, sagt er im RTL/ntv Frühstart. Die USA würden ohnehin sehr viel mehr liefern als Deutschland und hätten immer dazu gestanden, uns zu verteidigen, so Wadephul. Deswegen habe er es problematisch gefunden, so viel Druck auf die USA auszuüben. Zudem habe es mindestens ein halbes Jahr gekostet. „Das hat einfach Blut gekostet in der Ukraine, das muss man wissen. Wir haben die Ukraine eine gewisse Zeit lang im Stich gelassen, und das ist auch die Verantwortung dieser zögerlichen Politik des Bundeskanzlers.“, so Wadephul im RTL/ntv Interview.

Gerade erst hat ein Sicherheitsberater von Joe Biden dem amerikanischen Sender ABC gesagt, dass die USA ursprünglich keine Abrams-Kampfpanzer liefern wollten und das nur aufgrund des Drucks aus Deutschland getan haben. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte immer darauf bestanden, nur gemeinsam mit anderen Partnern Kampfpanzer zu liefern.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Ohne allgemeine Dienstpflicht sei es nicht zu schaffen

Auch bei der Frage nach einer allgemeinen Dienstpflicht kritisiert Johann Wadephul die Haltung der Koalition als nicht der Zeit angemessen. Die Bundeswehr solle ab jetzt 30.000 Soldatinnen und Soldaten mehr haben, das sei ohne eine allgemeine Dienstpflicht nicht zu schaffen. Auch die FDP müsse sich fragen, „will sie wirklich eine Zeitenwende?“, so Wadephul. Die NATO, Deutschland und Europa müssten sich verteidigen können. Das sei zwar unangenehm, ließe sich aber nicht vermeiden, erklärt der CDU-Politiker. Es brauche Politiker und Politikerinnen, die das erklären könnten, und es sei schade, „dass jetzt auch die FDP eher zu den Bremsern bei der Zeitenwende in dieser Koalition gehört.“, so Wadephul. Der FDP-Chef Christian Lindner ist gegen eine Dienstpflicht. Seine Partei berät heute über einen Vorschlag, stattdessen die Reserve der Bundeswehr zu stärken.

Das ist auch Sicht Wadephuls aber keine Alternative. Er sei zwar selbst Reservist, „aber ich weiß auch, dass bei aller Leistungsfähigkeit, die ich habe, ich keinen aktiven Soldaten ersetzen kann. Deswegen ist das eine Scheinlösung.“, so Wadephul.

Politik & Wirtschaftsnews, Service und Interviews finden Sie hier in der Videoplaylist

Playlist 50 Videos

Spannende Dokus und mehr

Sie lieben spannende Dokumentationen und Hintergrund-Reportagen? Dann sind Sie bei RTL+ genau richtig: Sehen Sie die Geschichte von Alexej Nawalny vom Giftanschlag bis zur Verhaftung in „Nawalny“.

Außerdem finden Sie Dokus zu Politikern wie die persönlichen Einblicke zu Jens Spahn oder zur aktuellen politischen Lage: „Klima-Rekorde – Ist Deutschland noch zu retten?“

Spannende Dokus auch aus der Wirtschaft: Jede sechste Online-Bestellung wird wieder zurückgeschickt – „Retouren-Wahnsinn – Die dunkle Seite des Online-Handels“ schaut hinter die Kulissen des Shopping-Booms im Internet.