Bruder und Vater töten Vergewaltiger der Schwester - Urteil erwartet

Seit April läuft im Schwarzwald ein Prozess wegen Selbstjustiz - jetzt soll das Urteil fallen. Es ist ein besonders heftiger Fall, der viele bewegt hat: Eine junge Frau wird mutmaßlich von einem ehemaligen Schulkameraden vergewaltigt. Daraufhin töten ihr Bruder und ihr Vater diesen mutmaßlichen Täter auf einem Parkplatz in Neuenburg am Rhein südlich von Freiburg. Beim Prozess geht es vor allem darum, ob die beiden die Tat planten oder im Affekt handelten. Das ist entscheidend für die Länge der Haftstrafe. Außerdem sind zwei weitere Männer vor Gericht, die bei der Tat geholfen haben sollen.

ARCHIV - Die Umrisse des Opfers eines Tötungsdelikts sind am 20.06.2014 bei Neuenburg (Baden-Württemberg) an einem Pendlerparkplatz zu sehen. Foto: Patrick Seeger/dpa (zu dpa «Prozess um Lynchmord am Oberrhein» vom 04.12.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++
An einem Parkplatz lauerten Vater und Bruder ihrem Opfer auf.

Während die Polizei im Dunkeln tappt, findet der Bruder der Frau, Akram Y., den mutmaßlichen Täter mit Hilfe von Freunden in einem sozialen Netzwerk. Sein Vater hatte ihm von der angeblichen Vergewaltigung erzählt, als er auf dem Weg nach Italien war. Sofort kehrte Akram zurück. Sein Freund Timo P. lockt den mutmaßlichen Vergewaltiger - unter dem Vorwand ihm Haschisch zu verkaufen - auf einen Parkplatz. Dort warten Akram und sein Vater Moustapha Y.. Akram tracktiert Patrick H. mit einem Elektroschocker und einem Schlagstock. Schließlich ersticht er ihn mit 23 Stichen. Das 27 Jahre alte Opfer starb noch am Tatort.

Die Oberstaatsanwaltschaft wirft den beiden Hauptangeklagten Akram Y. und seinem 48 Jahre alten Vater Moustapha Y. gemeinschaftlichen Mord vor. Die Tat sei geplant gewesen und der zur Tatzeit 17-jährige Akram sollte die Tat verüben, weil er aufgrund seines Alters mit einer geringeren Haftstrafe rechnen muss.

Zudem stehen zwei mutmaßliche Komplizen im Alter von 19 Jahren und 21 Jahren vor Gericht. Sie sollen geholfen haben, indem sie das Treffen organisierten und das Opfer festhielten, als es attackiert wurde.

"Wir hassen euch nicht, aber ihr habt unsere Familie zerstört."

Der Angeklagte Vater Moustapha Y. (l, blauer Pullover) umarmt am 08.04.2015 im Landgericht in Freiburg (Baden-Württemberg) vor dem Prozessbeginn seinen Sohn Akram. Im sogenannten "Lynchmord"-Prozess soll ein damals 17-Jähriger gemeinsam mit seinem Vater und zwei Freunden den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Schwester in einen Hinterhalt gelockt und mit 23 Messerstichen getötet haben. Foto: Patrick Seeger/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die beiden Hauptangeklagten: Planten sie den Tod von Patrick H.?

Sohn und Vater gestanden die Tat, stritten jedoch ab, einen Mord geplant zu haben. Die Verteidigung sagt, der Schüler habe im Affekt gehandelt: "Er war in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit, die Sache ist aus dem Ruder gelaufen."

Die Staatsanwaltschaft wiederum sagt, es sei ihnen auch darum gegangen, "die vermeintlich verletzte Familienehre wieder herzustellen". Auch in diesem Punkt widerspricht die Verteidigung: die Familie sei noch nicht einmal religiös. Der Plan sein eine Abreibung gewesen, danach wollte man den mutmaßlichen Täter angeblich der Polizei übergeben.

Bei den Schlussplädoyers klagte die Schwester des ermordeten Patrick H. die Täter mit Tränen in den Augen an: "Ihr seid Mörder. Wir hassen euch nicht, aber ihr habt unsere Familie zerstört." Die Familie des Getöteten tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Der Vorsitzende Richter und seine Kollegen standen vor kniffligen Fragen. Unter anderem, ob nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht geurteilt wird. Bei Jugendstrafrecht drohen dem heute 18-Jährigen maximal zehn Jahre Haft. Nur wenn in einem Mordfall eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wird, können es bis zu 15 Jahre sein. Bei Erwachsenenstrafrecht stehen höhere Strafen im Raum, bei Mord lebenslang.

Außerdem wird das Urteil klären müssen, wie der Komplize Timo P. bestraft wird. Auch er streitet ab, dass es um Mord ging. Er sei davon ausgegangen, dass das Opfer nur eine "Abreibung" bekommt. Wenn die Richter ihm nicht glauben, droht auch ihm eine lebenslange Haftstrafe. Timo P. entschuldigte sich bei der Familie des Ermordeten und sagte, er lebe von nun an mit einer Schuld, die ihm niemand verzeihen könne. Daraufhin stand die Schwester des Opfers auf und nahm an der Anklagebank seine Hand. Ob das Gericht sich auch milde stimmen lässt, wird das Urteil zeigen.