Andere sollen ihn sogar beschimpft haben, weil er den Weg versperrte Brasilianischer Bergsteiger erzählt nach Todesdrama am K2: „Wir haben alles versucht, um zu helfen“

Im Schnee liegt ein sterbender Mann, aber alle anderen am Berg drängen sich einfach vorbei!
Gabriel Tarso stockt die Stimme und er reibt sich die Augen, als erzählt, was er auf dem Weg zum Gipfel des K2 erlebt hat. Er soll einer der wenigen sein, die offenbar noch versuchten, dem verunglückten Höhenträger zu helfen – vergeblich.
Andere Bergsteiger beschwerten sich, dass der sterbende Mann den Weg versperrte
Der Brasilianer begleitet als Kameramann die norwegische Bergsteigerin Kristin Harila. Sie stellt am 27. Juli einen neuen Weltrekord auf: In 92 Tagen besteigt sie alle 8.000er-Berge dieser Welt. Der letzte Gipfel, den sie an dem Tag schaffen will, ist der K2 an der Grenze zwischen Pakistan und China. Doch im gefährlichen Flaschenhals (Bottleneck), einer Engstelle auf dem Weg nach oben ereignet sich das Drama: Ein Höhenträger wird in einen lebensgefährlichen Unfall verwickelt.
Im Interview mit Servus TV erzählt Tarso, dass er noch versuchte Mohammad Hassan zu reanimieren. Der dreifache Vater, der aus einem pakistanischen Bergdorf am Fuße des K2 stammt, lag sterbend im Schnee. Doch viele andere Bergsteiger soll das nicht interessiert haben. „Es war der schockierendste Moment für mich, weil wir alles versucht haben, um zu helfen“, berichtet Tarso. Er habe erste Hilfe geleistet, während andere sich einfach vorbeidrängen wollten. „Schafft ihn beiseite, wir wollen zum Gipfel“ – so sei die Stimmung im gefährlichen Flaschenhals gewesen.
Pakistanische Behörden ermitteln wegen unterlassener Hilfeleistung
„In dem Moment dachte ich mir: Was mache ich hier eigentlich?“, erzählt der Brasilianer. Auch bei Instagram lässt er seinen Gefühlen freien Lauf. Am K2 habe er den „intensivsten und traurigsten Moment“ seiner Bergsteiger-Karriere erlebt, schreibt er dort. „Ich hielt eine unschuldige Seele in meinen Armen, die es nicht geschafft hat an diesem Ort zu überleben.“
Inzwischen haben auch die pakistanischen Behörden Ermittlungen wegen unterlassener Hilfeleistung aufgenommen, um zu klären, was genau am K2 passiert ist. Der österreichische Bergsteiger Wilhelm Steindl, der an dem Tag auch am Berg war, berichtet im RTL-Interview: „Die Verhältnisse und auch das Wetter an dem Tag waren wirklich schwierig.“ Er und sein Expeditionsteam hätten darum beschlossen nicht weiterzugehen, sondern umzukehren. Darum seien sie gar nicht bis zu der Stelle gekommen, wo der Höhenträger verunglückt sei.
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Um den Mann zu retten, hätten alle nachfolgenden Bergsteiger absteigen müssen
Er habe erst unten im Camp erfahren, dass oben am Berg ein Mensch gestorben sei. „Die einen sagen, er ist selbst ausgerutscht, die anderen sagen er ist von einer Lawine mitgerissen worden“, so Steindl. Der Mann soll dann eine Dreiviertelstunde lang unterhalb der Spur an einem Seil gebaumelt haben, bis ein oder zwei Leute ihn hochgezogen hätten. Auch Steindl spricht von einem brasilianischen Bergsteiger, der noch versucht habe, dem Mann zu helfen. „Leute haben ihn beschimpft, dass er den Weg verstellt und warum er ihn überhaupt hochgezogen hat“, erfuhr er im Camp, wie er im RTL-Interview berichtet.
Steindl glaubt, dass die Rettung von Mohammad Hassan an dem extremen Druck an dem Tag gescheitert sei. Viele wollten unter allen Umständen den Gipfel erreichen. „Wenn einer an dieser Stelle sagt: ‚Stopp wir helfen dem, wir bringen den jetzt runter‘, bedeutet das für alle an diesem Berg, dass der Gipfeltag beendet ist“, erklärt er. Um den Mann zu retten, hätten alle durch den schmalen Flaschenhals wieder absteigen müssen, um den Weg freizumachen.
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Partys und Feuerwerk am Tag nach dem Unglück
Einen Preis, den offenbar niemand bereit war zu zahlen, um dem verunglückten Bergsteiger zu helfen. Am nächsten Tag seien im Camp sogar noch Partys gestiegen und Feuerwerk abgeschossen worden, um die erfolgreiche Gipfelbesteigung zu feiern, berichtet Steindl.
Der 8.611 Meter hohe K2 in Pakistan ist der zweithöchste Berg der Erde und gilt als weit anspruchsvoller als der Mount Everest, der höchste Berg der Welt. Gründe sind unter anderem die steile Route und die Lawinengefahr. Den K2 haben bisher nur gut 300 Menschen bestiegen. (mit dpa)