Weil sie versprochene Zahlungen nicht erhielten

Russische Soldaten meutern gegen Putins Krieg

MIKHAILOVSK, STAVROPOL TERRITORY, RUSSIA  SEPTEMBER 30, 2022: Mobilised men are seen before being sent for combat training with the 247th Guards Air Assault Regiment. On September 21, Russia's President Vladimir Putin signed a decree on a partial military mobilisation in Russia. Dmitry Akhmadullin/TASS / action press
300.000 Männer wurden im Rahmen der Teilmobilmachung der letzten Wochen zum Kriegsdienst offiziell eingezogen.
action press

Die Mobilmachung von 300.000 frischen Soldaten hat Russlands Machthaber Wladimir Putin gerade für beendet erklärt. Einige von ihnen sind schon jetzt unzufrieden – und zettelten in einem Ausbildungslager sogar eine Meuterei an. Der Grund: ausbleibende Zahlungen, die den Soldaten versprochen wurden. Um die Lage unter Kontrolle zu bringen, musste der Staat sogar die Nationalgarde anfordern.
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Über 100 Soldaten weigern sich zu kämpfen

In einem Ausbildungslager in Uljanowsk (Teilrepublik Tschuwaschien) haben sich über 100 russische, im Rahmen der Teilmobilmachung rekrutierte, Soldaten geweigert, für Russland und Machthaber Wladimir Putin in den Ukraine-Krieg zu ziehen.

Doch ihr Sinneswandel kommt nicht etwa von neu entdecktem Pazifismus. Der Grund des Aufstandes sind ausbleibende Zahlungen, die den rekrutierten Soldaten versprochen worden waren: Mindestens 195.000 Rubel (knapp 3.200 Euro) pro Monat.

"Unser Staat weigert sich, uns die Summe von 195.000 Rubel auszuzahlen, die uns Präsident Wladimir Putin versprochen hat! Warum sollten wir für diesen Staat kämpfen und unsere Familien ohne Unterstützung zurücklassen?! Wir weigern uns, an der ‘militärischen Sonderoperation' teilzunehmen und werden für Gerechtigkeit kämpfen, bis wir das Geld, das uns unsere Regierung unter Führung des Präsidenten der Russischen Föderation versprochen hat, bekommen haben", heißt es in einer Erklärung auf der Menschenrechtsorganisation-Website „gulagu.net“.

Russische Nationalgarde muss eingreifen

 Russia Putin Armed Forces Needs Support Council 8309567 02.11.2022 Russian President Vladimir Putin chairs a meeting of the coordination council to meet the needs of Russia s Armed Forces via a video conference in Sochi, Krasnodar region, Russia. Mikhail Metzel / POOL Sochi Krasnodar region Russia PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xMikhailxMetzelx
Wladimir Putin hatte am 19. Oktober ein Dekret unterzeichnet, das den Rekruten monatliche Zahlungen von 195.000 Rubel zusicherte.
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Auch kursieren Videos im Netz, in denen Wortgefechte zwischen Soldaten und Ausbildern zu sehen sind. Eine Ausbilderin argumentiert dort, dass Abgeordnete ein Gesetz zu einer Einmalzahlung ins Parlament eingebracht hätten, das anschließend wieder von der Agenda gestrichen worden sei. Die Soldaten erzählen, ihnen sei die Zahlung noch im Einberufungsbüro versprochen worden.

Richtig ist: Wladimir Putin hatte am 19. Oktober ein Dekret unterzeichnet, nachdem jede rekrutierte Person eine monatliche Zahlung in Höhe von 195.000 Rubel erhalten soll. Und das bereits während der Ausbildung. Am 1. November trat das Dekret in Kraft.

Die Proteste dauerten nach dem Eklat im Ausbildungslager an. Andere Aufnahmen zeigen protestierende Soldaten am Dienstagabend. Lokale Medien berichteten von weiteren Protesten am Mittwoch. Der Telegram-Kanal „Wütendes Tschuwaschien“ meldete, die Nationalgarde habe die Proteste „beruhigt“.

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Putin erklärte Teilmobilmachung für beendet

Präsident Wladimir Putin hat die Teilmobilmachung, die er Ende September angeordnet hatte, inzwischen wieder beendet. Es würden keine Einberufungsschreiben mehr losgeschickt werden. Laut Verteidigungsminister Sergej Schoigu seien 300.000 Männer aus allen Regionen mobilisiert worden, über 80.000 von ihnen seien bereits an der Front.

Trotzdem befürchten viele Menschen in Russland, dass weiter Soldaten eingezogen werden können. „Das Dekret des Präsidenten nennt keine Fristen. Die Mobilmachung dauert an. Der Verteidigungsminister hat lediglich die Beendigung der Maßnahmen zur Mobilisierung verkündet. Nicht das Ende der Mobilmachung selbst“, sagt Sergej Kriwenko, der Leiter einer Rechtschutzabteilung. Auch könne man den Zahlen zu Rekrutierten des Verteidigungsministeriums nicht trauen. „Vielleicht sind es die 300.000. Vielleicht aber auch 500.000. Vielleicht eine Million oder zwei. Deshalb kommen vielleicht morgen neue Quoten“, befürchtet auch Menschenrechtsanwalt Pawel Tschikow. (jak)