Tomatige Tradition

Auf Festival: RTL-Reporter mit Tomaten beworfen

von Marius Olion und Katharina Seiwert

„Mit Essen spielt man nicht“ – das weiß jedes Kind. Im spanischen Dorf Buñol bei Valencia gilt diese Regel an einem Tag im Jahr nicht. Warum sich dort bei „La Tomatina“ tausende Menschen mit tonnenweise Tomaten bewerfen und wie unsere Reporter Katharina Seiwert und Marius Olion die Tradition erleben, sehen Sie im Video.

Die Ruhe vor dem Sturm

33 Grad, die Sonne knallt. Wir steigen in Valencia aus dem Flieger. Nicht etwa, um kurz darauf am Strand zu liegen oder im Hotelpool schwimmen zu gehen. Nein, wir sind hier, um eines der verrücktesten traditionellen Feste mitzuerleben: La Tomatina. Als wir aus dem Flieger aussteigen, ahnen wir aber noch nicht, wie crazy das alles wirklich werden wird.

Wir fahren von Valencia weiter nach Buñol. Ein Dorf mit rund 10.000 Einwohnern. Hier schlendern wir am ersten Tag unserer Reise noch durch die gemütlichen Gassen. Dass hier zwei Tage später die ganze Welt zu Gast sein wird, ist noch nicht zu sehen. Doch schaut man genauer hin, findet man doch überall Hinweise. Hinweise darauf, dass hier zwei Tage später die größte Tomatenschlacht der Welt steigt. Im Boden sind Steine mit der Aufschrift „La Tomatina“, am Straßenrand stehen kleine Kunst-Figuren mit Tomaten in den Händen, und in Kleidungsgeschäften gibt es extra Ecken mit Merchandise-Produkten. T-Shirts, Tassen, Anhänger – alles mit Tomaten-Symbolen und der Aufschrift „La Tomatina“. Auch wir decken uns mit T-Shirts und einer Handyschutz-Hülle ein. In der Hauptstraße des Dorfes stehen ein paar Bewohner auf der Straße. An den Fassaden stehen große Holzplatten angelehnt.

Ein Dorf bereitet sich vor

Am nächsten Tag ist schon deutlich mehr los auf dieser Hauptstraße. Anwohner nageln ihre Fenster mit den Holzplatten zu, lassen große Plastikplanen an den Hauswänden herunter. Das Geschäft, in dem wir die T-Shirts gekauft haben, ist nicht mehr wieder zu erkennen. Kein Zutritt mehr. Direkt gegenüber herrscht noch reges Treiben in einer Kneipe. Dorfbewohner und ihre Familien, die für das Dorffest rund um die Tomatina zu Besuch gekommen sind, trinken, quatschen, haben Spaß. Kurz darauf ist auch diese Kneipe hinter einer großen roten Plane verschwunden.

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75. Tomatina nach Corona-Pause

Die Tomatina, also die Tomatenschlacht, ist jedes Jahr etwas Besonderes. Nicht nur für die Touristen aus aller Welt, sondern auch für die Anwohner. Sie freuen sich größtenteils auf das Fest und sind gastfreundlich, begrüßen die Welt gerne in ihrem Dorf. Doch dieses Jahr ist es noch etwas besonderer – nach zwei Jahren Corona-Pause freuen sich alle umso mehr auf die Tomatenschlacht und auf das Zusammensein. „Dass die Menschen sich hier begegnen und in den Austausch kommen, ist schön“, sagt ein Anwohner. Vor ein paar Jahren war das Fest etwas außer Kontrolle geraten, viel zu viele Menschen pressten sich in die enge Straße. 2012 waren es rund 50.000. Inzwischen werden Tickets verkauft – begrenzt auf 20.000. Und noch besonderer macht die diesjährige Tomatina, dass es das 75. Jubiläum ist. Ja, wirklich, 75 Mal haben sich die Menschen hier schon mit Tomaten beworfen. In den 50er-Jahren stand das allerdings noch unter Strafe.

Die Entstehung von "La Tomatina"

Es gibt verschiedene Erzählungen über die Entstehungsgeschichte der Tradition. Die Bürgermeisterin Juncal Carrascosa Alonso erzählt uns, eine Gruppe mit Freunden habe damit angefangen, und dann haben immer mehr mitgemacht – trotz Verbots. Eine andere Erzählung ist eine Dorfrauferei. Im Jahr 1945 soll es dort zu einer Massenschlägerei gekommen sein – und das in der Nähe des Marktes. Und so sollen sich die Beteiligten mit Tomaten beworfen haben. Eine andere Theorie ist, dass Jugendliche einen Straßenmusiker geärgert haben, der dadurch so wütend wurde, dass er mit Tomaten um sich schmiss.

Egal, welche Entstehungsgeschichte wahr ist – das Verbot der Tomatenschlacht in den 50er-Jahren hat die Tomatenschlacht groß gemacht. Widerstand reizt eben.

Spaß auf der einen, Kritik auf der anderen Seite

Inzwischen feiern bis zu 20.000 Menschen die Tomatina in Buñol jedes Jahr am letzten Mittwoch im August. In diesem Jahr sind es mehr als 15.000 Menschen, die sich mit 130.000 Kilo Tomaten bewerfen. Und wo Menschen Spaß haben, gibt es natürlich auch Kritiker. Gut, die Kritik liegt nah, wenn 130 Tonnen Tomaten nicht für den Verzehr, sondern für eine Tomatenschlacht angebaut werden. Lebensmittelverschwendung? Davon möchten die Veranstalter nichts hören. Kritiker würden das aus Unwissenheit behaupten, sagt die Stadträtin. Warum die Tomatina den Veranstaltern zu Folge keine Verschwendung ist, sehen Sie im Video.

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Der Tag der Tomatina

Das Dorf ist vorbereitet, die Tomaten sind vorbereitet, wir sind vorbereitet. Glauben wir zumindest. In Gesprächen mit anderen Teilnehmern wird aber schnell klar, wir hätten unsere Ausrüstung (T-Shirt, Handyschutzhülle und Schwimmbrille) durchaus optimieren können. Eine Teilnehmerin hat eine Duschhaube für ihre Haare dabei – so smart. Nun gut, aber sie hat auch Erfahrung. Zwar ist es auch ihr erster Besuch bei der Tomatina, aber in ihrer Heimat Indien hat sie schon das Holifestival gefeiert, bei dem Farbbeutel in die Luft geworfen werden. Dass das Fest wirklich die ganze Welt anlockt, dafür gibt’s spätestens jetzt Beweise. Wir treffen Menschen aus Südafrika, Australien, England, Indien und Kanada. Ein Paar aus Toronto ist extra für die Tomatina aus Kanada angereist. Nochmal: Einmal über den großen Teich, um sich mit Tomaten bewerfen zu lassen.

Und kurz darauf stehen wir auch schon mitten drin. Tomaten fliegen uns um die Ohren, ins Gesicht. Wie wir das verrückte Spektakel erlebt haben, sehen Sie im Video.

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Anmerkung: Dieser Artikel erschien erstmals im September 2022 auf RTL.de.