Ex-Tennisstar (36) kämpft an der Front in der Ukraine
„Könnte ich es mir aussuchen, wäre ich lieber tot”

Einst kämpfte er nur sportlich gegen andere - heute geht es um Leben und Tod.
Alexandr Dolgopolov verdiente Millionen Dollar und spielte gegen die besten Tennisspieler der Welt. Doch dann stellte er sich in den Dienst der Nation. Mittlerweile verteidigt der 36-Jährige sein Vaterland an der Front gegen russische Invasoren. Dort erlebt der Ukrainer den Horror des Krieges.
Ex-Tennisprofi Alexandr Dolgopolov kämpft in der Ukraine
Sein letztes Tennismatch auf der Profitour bestritt Dolgopolov 2018 gegen den Superstar Novak Djokovic in Rom. Danach beendete er seine Karriere, auf der der 36-Jährige insgesamt fast sieben Millionen Dollar verdiente.

Ein komfortables Leben ohne finanzielle Sorgen lag vor ihm - doch es kam alles ganz anders. Die kriegerische Invasion Russlands veränderte das Leben von Dolgopolov komplett.
Dolgopolov meldete sich freiwillig
Als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine angriff, befand sich Dolgopolov mit seiner Familie im Urlaub in der Türkei. Vom ersten Tag an stand für ihn fest, dass er seinem Vaterland beistehen muss: „Mein Gewissen trieb mich, sagte mir: Du musst das jetzt tun. Nur hatte ich keine Ahnung von Waffen. Also habe ich mir in der Nähe von Antalya den nächsten Schießstand gesucht”, schildert Dolgopolov seine erste Erinnerung nach dem Kriegsausbruch dem Spiegel. Er spricht lediglich mit dem Magazin, wahrscheinlich um seinen genauen Standort nicht zu verraten.
Nach der Rückkehr aus dem Urlaub „kaufte mir ein Gewehr vom Typ AR-15, dazu Tarnkleidung und eine Schutzweste und schloss mich ein paar Freunden an, die schon in Cherson dienten”, beschreibt Dolgopolov seinen Weg an die Front.
Als Drohnenpilot eingesetzt
Im Krieg ist Dolgopolov als Drohnenpilot eingesetzt. Dabei erlebt er das tägliche Grauen des Krieges: „Im Spätsommer 2023 war meine Einheit in der Region Saporischschja unterwegs. Wir machten Drohnenaufnahmen vom Terrain, als wir plötzlich beschossen wurden. Wir sprangen in einen Schützengraben, aber die Einschläge kamen immer näher, rüttelten uns heftig durch. Dazu muss man wissen: Wenn Granaten dieser Größe weniger als acht Meter entfernt von einem einschlagen, kann es dir die Eingeweide zerfetzen.”
Lese-Tipp: Zverev findet’s seltsam – Djokovic wittert Beschiss nach Sinners Doping-Sperre
Dennoch sei er „im Grunde genommen froh, mein Land verteidigen zu können.” Sein größter Wunsch sei „nichts mehr als Frieden”.
„Könnte ich es mir aussuchen, wäre ich lieber tot”
Nach einer Druckwelle, ausgelöst durch eine Granaten-Explosion, musste die ehemalige Nummer 13 der Weltrangliste mit starken Kopf- und Ohrenschmerzen sowie einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Ehrlicherweise habe ich größere Angst, verletzt zu werden und ein Leben als Invalide führen zu müssen. Könnte ich es mir aussuchen, wäre ich lieber tot”, gestand er, als er das Leid im Krankenhaus sah.
Video-Tipp: Doping-Skandal im Tennis sorgt weiter für Aufruhr
„Seit ich Soldat bin, plane ich nicht mehr viel. Ich habe gelernt, von Tag zu Tag zu leben, weil jederzeit alles passieren kann”, erläutert der 36-Jährige. Deswegen ist schon den Nachlass mit seiner Familie geregelt.
Lese-Tipp: Schüsse und Tränengas! Tennis-Turnier muss unterbrochen werden
Doch derzeit lebt und kämpft Dolgopolov weiter an der Front. Wie lange noch? Das weiß er nicht. „Im Moment will ich nur überleben. Wenn einem Kameraden bei einer Explosion vor deinen Augen ein Bein abgerissen wird, bekommt dein Blick auf das Leben eine neue Perspektive. Ich wünsche diese Erfahrung niemandem.” (nie)