Urteil nicht vollständig zugestelltJustizpanne in NRW – Drogendealer wieder auf freiem Fuß

Ein Mann ist wegen Drogenhandels zu zehn Jahren Haft verurteilt worden – doch nun ist er wieder auf freiem Fuß. Der Grund: ein formaler Fehler im Verfahren. Das sorgt für Kritik an der Justiz in NRW.

Urteil nicht vollständig – Haftbefehl aufgehoben

Vergangenen Sommer verurteilte das Landgericht Wuppertal einen Mann wegen Handels mit 40 Kilogramm Kokain zu zehn Jahren Haft. Doch obwohl die schriftliche Urteilsbegründung vorlag, kam der Dealer jetzt frei. Grund ist eine Verfahrensverzögerung: Ein zentrales Dokument fehlte. Christina Klein Reesink vom Oberlandesgericht Düsseldorf erklärt: „Vorliegend konnte das Urteil nicht zugestellt werden, weil das Protokoll der mündlichen Verhandlung noch nicht vorlag. Das lag auch sechs Monate nach Urteilsverkündung nicht vor.“ Ein Urteil ist nur dann gültig, wenn es vollständig und fristgerecht zugestellt wird. Der vorsitzende Richter am Landgericht Wuppertal räumt ein, dass er mehr Zeit für die abschließende Bearbeitung eingeplant hatte. Gerichtssprecherin Helena Salamon-Limberg sagt: „Diese Verzögerung bedauert der Vorsitzende und hat aber betont, dass er die rechtlichen Konsequenzen selbst anders eingeschätzt hätte als das Oberlandesgericht.“

Haftentlassung wegen langsamen Verfahrens

Am Ende des Prozesses saß der Dealer schon anderthalb Jahre in Untersuchungshaft. Nach geltendem Recht greift bei langen Verfahren das sogenannte Beschleunigungsgebot – der Angeklagte darf dann nicht weiter in Haft bleiben. Anwalt Arndt Kempgens aus Gelsenkirchen betont: „Wenn die Ausstattung der Justiz eben nicht ordnungsgemäß ist, nicht die personelle Kraft hat, schnell abzuarbeiten, dann darf dadurch der Betroffene nicht länger in Haft sitzen.“ Immer wieder wird kritisiert, dass die Gerichte in NRW überlastet sind. Das Justizministerium will das auf Nachfrage von RTL WEST nicht bestätigen. Zum aktuellen Fall heißt es: „Ob Maßnahmen der Dienstaufsicht erforderlich sind, wird die Präsidentin des Landgerichts in Wuppertal nach Rücklauf der Strafakten aus der Beschwerdeinstanz zu prüfen haben.“ Ganz frei ist der verurteilte Dealer aber noch nicht: Sein Anwalt hat Revision eingelegt. Sollte der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigen, muss der Mann doch noch ins Gefängnis- falls er dann nicht bereits untergetaucht ist.