„Die Ärzte sind so am Limit, dass sie sich nicht kümmern“

RTL und stern undercover in der Charité Berlin: Wie sicher ist Deutschlands berühmteste Klinik?

Mangelnde Ausbildung und schlechte Arbeitsbedingungen: Seit Jahren gehen Mitarbeitende der Charité dagegen auf die Straße.
Ein Team von stern und RTL hat rund ein dreiviertel Jahr recherchiert, wie das mit dem internationalen Ruf von Deutschlands berühmtester Klinik zusammenpasst. Undercover erfahren Investigativ-Reporterinnen auf drei verschiedenen Stationen der Charité, wie Sparmaßnahmen, wirtschaftlicher Druck und die Auslegung auf Profitabilität schon jetzt auf Kosten von Personal und Patienten gehen.

„stern Investigativ: Ein krankes Haus – Inside Charité“ seht ihr heute um 20.15 Uhr bei RTL und im Livestream auf RTL+.

Behandeln Studenten Patienten allein?

Auf der Neurochirurgie erlebt Reporterin Lisa, wie Medizinstudenten im Praktischen Jahr („PJler“) oder Pfleger teils allein schwerkranke Patienten behandeln müssen – und Fachärzte nicht greifbar zu sein scheinen. Bei einem Patienten werden klassische Anzeichen einer Sepsis nicht behandelt und ihm werden auch Fiebersenker verabreicht, auf die er möglicherweise allergisch reagieren kann.

Via Chat teilt eine Insiderin anonym mit: „PJler müssen aufgrund der dünnen Personaldecke manchmal mehr Aufgaben übernehmen, als ihnen eigentlich erlaubt ist. Die Ärzte sind so am Limit, dass sie sich nicht kümmern.“

Mit den Vorwürfen konfrontiert, sagt die Charité:

„Die Behauptung, dass PJler (Praktische-Jahr-Studenten) anstelle von Ärzten den Patienten untersucht haben, wird oft missverstanden. Es ist wichtig zu betonen, dass PJler unter direkter Aufsicht und Anleitung von erfahrenen Ärzten arbeiten. Im Übrigen weist die Charité die Vorwürfe als falsch zurück.“

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„Für mich gefährlich, für meine Patienten gefährlich“

Im Interview berichten zudem Ärzte der Charité offen, wie sie bis zum Rande der Erschöpfung arbeiten: „Wir sind eigentlich permanent am Arbeiten, herumrennen“, so Julian Gabrysch, Assistenzarzt an der Charité. „Das tut mir nicht gut. Es ist für mich gefährlich, es ist für meine Patienten gefährlich. Ich habe da schon auch Sorge, dass ich meiner Verantwortung gegenüber den Patienten nicht gerecht werden kann.“

Dass Patienten teils nur noch notdürftig versorgt werden, erlebt Reporterin Anna auf der Mukoviszidose-Station für Kinder. Statt auf der Kinder-Onkologie wird hier ein krebskrankes Mädchen untergebracht – zusammen mit Kindern, die teils an hochansteckenden Atemwegserkrankungen leiden. Einen für die krebskranke Patientin zuständigen Arzt entdeckt Anna bei ihrem Einsatz nicht, obwohl ein entsprechender Betreuungsschlüssel gegeben sein müsste.

Dazu die Charité:

„Da auf der Station 15 weder Chemotherapien erfolgen noch die schwerstkranken kinderonkologischen Patienten versorgt werden und nicht mehr als fünf kinderonkologische Patienten gleichzeitig betreut werden, ist deren Versorgung mit dem regulären Pflegeschlüssel gut zu bewältigen […] Es erfolgt täglich eine Visite durch den kinderonkologischen Konsiliararzt für alle kinderonkologischen Patienten auf Station 15.“

Konfrontiert mit den Recherchen, sieht sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht in der Lage, die geschilderten Situationen zu bewerten: „Ich kann mich nicht einmischen in die Personalpolitik der Charité“, so der Politiker.

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stern Investigativ: Ein krankes Haus – Inside Charité auf RTL+

Die ganze Reportage „stern Investigativ: Ein krankes Haus – Inside Charité“ könnt ihr nach TV-Ausstrahlung auch jederzeit auf RTL+ streamen. Der stern berichtet außerdem umfassend in seiner aktuellen Printausgabe sowie bei stern+ und stern.de.