Wenn das vermeintliche Glück nur Fassade ist„Smiling Depression” – Psychologe warnt vor versteckter Krankheit

Sie wirken glücklich - doch tief im Inneren sieht es ganz anders aus.
Wer unter Depressionen leidet, ist antriebslos, kapselt sich von Freunden und Familie ab, liegt nur im Bett und weint viel? Das kann so sein. Muss es jedoch nicht. Auch Menschen, die weiterhin feiern, lachen und ausgehen, können unter der schweren psychischen Krankheit leiden, die man dann umgangssprachlich „Smiling Depression” nennt. Ein Psychologe erklärt, welche Warnzeichen es gibt und warum die Krankheit so gefährlich ist.
„Traurige Gefühle hinter positiver Fassade verborgen”
Vorab: „Smiling Depression“ ist kein Begriff, der in der Psychologie offiziell verwendet wird. Stattdessen spricht man medizinisch von einer „atypischen Depression“ oder „larvierten Depression“. Wie es zu der Erkrankung kommt, sei zwar noch nicht genau erforscht. Laut Diplom-Psychologe Michael Thiel sei es aber wahrscheinlicher, dass Menschen, in deren Familien häufiger Depressionen auftreten, eine solche atypische Depression zu entwickeln. Doch wie genau sieht die aus?
Psychologe Thiel erklärt: „Betroffene wirken nach außen hin glücklich und fröhlich, während sie innerlich an Symptomen einer Depression leiden. Diese Menschen funktionieren im Alltag und sind im Beruf in der Regel unauffällig. Sie verbergen ihre traurigen Gefühle oft hinter einem Lächeln und einer positiven Fassade.”
Das mache es für die Umgebung schwierig, zu erkennen, wie sehr die betroffene Person leidet. Und: Mitunter sehen sogar die Erkrankten selbst gar nicht, wie schlecht es ihnen geht.
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Smiling Depression ist sehr gefährlich
Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 15 und 40 Prozent der an Depressionen erkrankten Menschen unter einer Smiling Depression leiden. Besonders problematisch: Die Suizidrate bei dieser Form der Depression ist vergleichsweise hoch. Nicht nur, weil der Leidensdruck sehr hoch ist und man sich missverstanden fühlt - Symptome, die generell für Depressionen gelten. Sondern auch, weil „die Betroffenen mehr Energie haben, ihre suizidalen Gedanken auch in die Tat umzusetzen, als andere depressive Menschen, die unter starker Antriebsarmut leiden”, so Thiel.
Ein weiterer Grund sei, dass das Umfeld oft weniger schnell reagiere, da es nicht erkenne, wie schlecht es um den Erkrankten steht. Der Gedanke: Wie schlimm kann es schon jemandem gehen, der auf den Wochenend-Trip mit den Freunden fährt, auf jeder Hochzeit bis in die Puppen tanzt und immer zu Scherzen aufgelegt ist? Gerade deshalb ist es für Angehörige wichtig, die Symptome einer Smiling Depression zu kennen.
An diesen Anzeichen erkennt ihr eine Smiling Depression
Laut Psychologe Michael Thiel sind folgende Symptome Anzeichen einer „atypischen Depression”:
Starke Stimmungsschwankungen: extreme Verschlechterung bei negativen Erlebnissen, aber auch positive Reaktionen auf schöne Ereignisse
Besonders starke Reaktionen auf Zurückweisungen oder Kritik
Veränderungen im Essverhalten mit Heißhungerattacken
Veränderung im Schlafverhalten mit starkem Schlafbedürfnis oder Schlaflosigkeit
Lähmungsgefühle in Armen und Beinen, die sich oft sehr schwer anfühlen
Betroffene fangen Abends verstärkt an zu grübeln und werden extrem traurig
Was sollte ich tun, wenn ich diese Symptome bei anderen oder bei mir erkenne? Thiel: „Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass die Symptome, die ich habe, auch mit einer depressiven Erkrankung zu tun haben können.” Es sei wichtig, das Leiden nicht kleinzureden. Stattdessen solle man zeitnah zur genaueren Diagnostik Fachleute aufsuchen.
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Da das nicht immer einfach so möglich ist, rät Thiel: „Konkret können Betroffene den ärztlichen Notdienst (116117) anrufen und sich einen Termin für eine ‚Psychologische Sprechstunde‘ geben lassen, wo die Symptome und der eventuelle Bedarf einer Psychotherapie abgeklärt werden kann.” Auch die Deutsche Depressionshilfe biete weitere Hilfen an.
Und ganz wichtig: „Bei Suizidgedanken bitte nicht zögern und sich in die Aufnahme einer psychiatrischen Klinik begeben”, betont Thiel. „Notfalls auch über die 112.”
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Hier findet ihr Hilfe in schwierigen Situationen
Solltet ihr selbst von Suizidgedanken betroffen sein, sucht euch bitte umgehend Hilfe! Versucht, mit anderen Menschen darüber zu sprechen! Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch die Möglichkeit, anonym mit anderen Menschen über eure Gedanken zu sprechen. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.
Wenn ihr schnell Hilfe braucht, dann findet ihr unter der kostenlosen Telefon-Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 Menschen, die euch Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.