Ihr guter Freund kann es immer noch begreifen„Wir hatten so viel vor” – Autofahrerin (66) von XXL-Betonplatte aus dem Leben gerissen

Diese sechs Tonnen schwere Betonplatte beendet das Leben von Anne M. abrupt. Ihr guter Freund denkt jeden Tag an sie.
Diese sechs Tonnen schwere Betonplatte beendet das Leben von Anne M. abrupt. Ihr guter Freund denkt jeden Tag an sie.
RTL
von Valerio Magno und Daniel Kandora

Manche Wunden heilen wohl nie.
Auf der A3 bei Köln wird eine Frau in ihrem Auto von einer tonnenschweren Betonplatte erschlagen. Knapp vier Jahre später ist die Unglücksstelle immer noch nicht ausgebessert. Und auch im Herzen der Angehörigen des Opfers klafft noch eine große Lücke.

Todesopfer war lebensbejahende Frau

„Ich hätte sie noch wahnsinnig gerne hier”, erzählt Kurt Cerny im Gespräch mit RTL. Am Tag vor dem Prozessauftakt gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen erinnert sich der 68-Jährige an seine sehr gute Freundin Anne M. „Sie war eine sehr Spontane; reiselustig, hilfsbereit. (...) Sie war wirklich eine sehr lebensbejahende Person.” Doch das Leben der Kölnerin endet am 13. November 2020 plötzlich und ohne Vorwarnung.

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Tags zuvor hatten Kurt Cerny und sie noch den Nachmittag und den Abend zusammen verbracht. „Sie stand am Auto und da sagt sie, ach komm Kurt, Scheiß-Corona. Hat sie mich umarmt und bin ich nach oben gegangen und hab gedacht, mein Gott, ist das toll, dass es diese Frau gibt”, erinnert sich ihr Freund.

Kurt Cerny war 39 Jahre lang ein guter Freund des Todesopfers.
Kurt Cerny war 39 Jahre lang ein guter Freund des Todesopfers.
RTL

Betonplatte erschlägt Autofahrerin

Doch dann passiert es: Auf der A3 löst sich ein sechs Tonnen schweres Betonteil einer Lärmschutzwand und erschlägt die 66-Jährige in ihrem Auto. Kurt Cerny erfährt auch von dem schrecklichen Unglück. Er hört aber erst durch einen Anruf eines Bekannten, dass es sich bei dem Todesopfer um „seine” Anne handelt. „Kann ich heute noch nicht kapieren. (...) Sie hätte ja nur eine rote Ampel mehr, eine grüne Phase weniger, alles... Das waren ja nun wirklich Sekunden.”

Vor mehr als dreieinhalb Jahren wurde auf der Autobahn 3 bei Köln eine 66-Jährige von einer Lärmschutzwand in ihrem Auto erschlagen - nun kommt es zum Prozess. (Archivbild)
Die Lücke in der Lärmschutzwand wurde bis heute nicht geschlossen. (Archiv)
Rolf Vennenbernd/dpa
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Halterung durchgerostet: Prozess in Köln

Was vor diesen tödlichen Sekunden passiert ist, soll seit diesem Dienstag (13. August) das Landgericht Köln klären. Der schreckliche Verdacht: Es war Pfusch am Bau! Laut Anklage war der Rostschutz der Halterung wegen einer nicht planmäßigen Montage nicht gegeben. Ein 62-jähriger Ingenieur soll dann ein entsprechendes Gutachten zur Tragfähigkeit zurückgehalten haben. Zwei 59-Jährige sollen dieses Gutachten zudem nicht eingefordert haben. Den Männern wird Totschlag durch Unterlassen bzw. fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Wussten sie, dass sich die Betonplatte irgendwann aus ihrer Verankerung lösen könnte?
„Die Staatsanwaltschaft geht wie gesagt davon aus, dass schon unmittelbar nach Errichtung der Wand eine gutachterliche Stellungnahme dahin gehend erfolgt ist, dass diese gewählte Haltekonstruktion unzureichend sei”, meint Hans Logemann, der Sprecher des Landgerichts in Köln, dazu. Am ersten Prozesstag schweigen die Angeklagten zu den Vorwürfen.

Freund denkt jeden Tag an die Tote

„Ich finde es jetzt schon gut, dass der Prozess da ist, dass das mal auch zum Abschluss kommt, aber meine innere Einstellung wird das mit Abstand nicht ändern. (...) Sie wird auf jeden Fall niemals aus meinem Gedächtnis verschwinden”, meint Kurt Cerny am Tag vor dem ersten Verhandlungstag. Jeden Tag denke er an die Anne. „Und seitdem, muss ich ganz ehrlich sagen, verschiebe ich nichts mehr auf übermorgen, weil ich sage, Betonplatte kann jederzeit irgendwo herkommen - egal in welcher Form.”