Sie warten seit Jahren auf GerechtigkeitHorror-Chef quält Hunderte Frauen mit Pipi-Medikament

Wann kommt es endlich zum Prozess?
Hunderte Frauen in Frankreich warten seit Jahren auf Gerechtigkeit. Es sind Frauen, die wohl Opfer eines hochrangigen Ministerialbeamten wurden. Vor sechs Jahren wurde Anklage gegen Christian Nègre erhoben. Einige der Vorfälle liegen schon fast 15 Jahre lang zurück, berichtet der französische Fernsehsender BFMTV.
Er machte Fotos, während seine Opfer versuchten, „dem Harndrang zu widerstehen“
Nègre soll insgesamt 243 Frauen auf perfide Weise manipuliert haben. Seine Masche: er bot ihnen bei Personalgesprächen etwas zu trinken an, mischte ihnen Diuretika in ihr Getränk. Das sind harntreibende Medikamente, die Blutdruck senken und Herzinsuffizienz lindern sollen. Dann wartete der damalige Beamte des Kulturministeriums auf die Wirkung.
Sobald die Frauen dringend auf die Toilette mussten, gab er sich hilfsbereit. Wie eine Praktikantin aussagte, bot er an, sie zur Toilette zu begleiten. Dort habe er sie verhöhnt und herablassend behandelt, berichtet die damals 23-jährige Alizée dem Sender zufolge. Sie habe sich geschämt. Erst Jahre später sei ihr der Verdacht gekommen, unter Medikamente gesetzt worden zu sein, als sie einen Zeitungsartikel über eine Frau las, der Ähnliches widerfahren war. „Ich erkannte mich selbst als Opfer chemischer Betäubung, genau wie diese Person“, sagt sie dem Sender.
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Laut der Zeitschrift „Elle“ soll Nègre auch „die Beine mehrerer seiner Opfer fotografiert zu haben, während diese versuchten, dem Harndrang zu widerstehen.“
Der massenhafte Missbrauch beschäftigt Frankreich nunmehr seit sechs Jahren, ohne dass die juristische Aufarbeitung erkennbar größere Fortschritte machen würde. Bereits im Sommer prangerte die Frauenrechtsorganisation „La Fondation des Femmes“ die „extreme Langsamkeit des Strafjustizsystems bei der Bearbeitung“ an.
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„Dieser Zustand ist skandalös für alle Bürger und für die Justiz“
Wie der Radiosender „France Info“ berichtet, wurde Christian Nègre im Oktober 2019 formell angeklagt und unter richterliche Aufsicht gestellt. Ihm wird vorgeworfen, über einen Zeitraum von fast zehn Jahren mehr als 200 Frauen ohne deren Wissen fotografiert und/oder mit Diuretika betäubt zu haben. BMFTV präzisiert die Punkte der Anklage: „Verabreichung schädlicher Substanzen“, „Verletzung der Privatsphäre“, „Erwerb und Besitz von psychotropen Substanzen“, „Gewalt“ und „sexueller Nötigung“.
Den bekannten Informationen zufolge sind die Indizien gegen den ehemaligen Ministerialen nicht nur wegen der Vielzahl der Betroffenen beeindruckend. So sei auf einem USB-Stick Nègres eine Exceltabelle mit fast 200 Namen gefunden worden. Darin habe er akribisch notiert, wem er wann welches Mittel verabreicht habe. Zudem seien körperliche Daten seiner Opfer festgehalten worden. Eine dieser Frauen aus der Excel-Liste sagte dem Sender: „Es ist 2025, und die Ermittlungen sind noch immer nicht abgeschlossen (…) Dieser Zustand ist skandalös für alle Bürger und für die Justiz.“
Nègres Anwalt habe eine Stellungnahme abgelehnt, so BMFTV. Demnach hoffe die Justiz, den Fall bis 2026 abzuschließen. Je nachdem, welche Anklagepunkte letztendlich bestätigt werden, drohen Christian Nègre mindestens fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von 75.000 Euro.
„Zweigleisiges Justizsystem, das die Notlage noch verschärft“
In einer Mitteilung beklagt die Frauenstiftung: „Der mutmaßliche Täter ist derweil weiterhin auf freiem Fuß, unterliegt nur einer leichten richterlichen Aufsicht und arbeitet weiterhin im Bereich Personalwesen“. Sie spricht von einem „zweigleisigen Justizsystem, das die Notlage noch verschärft.“
Die Organisation befürchtete ihrer Aussage nach, dass die Opfer „die Hoffnung aufgeben, Christian Nègre jemals vor Gericht gestellt zu sehen“. Sie werde sich gleichwohl „gemeinsam mit den Opfern weiterhin dafür einsetzen, dass Gerechtigkeit kein Hindernisparcours mehr ist, sondern ein Ort der Anerkennung und Wiedergutmachung.“
Verwendete Quellen: BMFTV; Elle; France Info; La Fondation des Femmes


