Hauptverdächtiger im Fall Maddie McCann kommt frei „Absolute Top-Liga der Gefährlichkeit” – warum sitzt Christian B. nicht in Sicherungsverwahrung?

von Valerio Magno, Emilio Nigrelli und Aaron Fischer

Frei, auch wenn viele Menschen das nicht nachvollziehen können.
Christian B. hat seine Haftstrafe wegen Vergewaltigung in Deutschland abgesessen und kann das Gefängnis verlassen. Obwohl er unter dem dringenden Verdacht steht, der Mörder von Maddie McCann zu sein. Doch die Hinweise reichen für eine Anklage nicht aus. Was hat Christian B. nach der Haft vor, wie gefährlich ist der Verbrecher? Darüber haben wir mit RTL-Reporter Ulli Oppold gesprochen, der seit Jahren ganz nah dran am Fall und dem Verdächtigen ist.

Staatsanwaltschaft: „Lieber einen Schuldigen frei laufen lassen, als einen Unschuldigen ins Gefängnis bringen”

Das Schicksal von Maddie McCann beschäftigt seit dem Verschwinden des Mädchens im Jahr 2006 die ganze Welt. Bis heute ist unklar, was ihr zugestoßen ist, wer für ihr Verschwinden verantwortlich ist. Hunderte Ermittler aus vielen Ländern sind tausenden Hinweisen nachgegangen, die alle eines gemeinsam haben: zur entscheidenden Erkenntnis, einem unwiderlegbaren Beweis haben sie nicht geführt.

Ulrich Oppold
RTL-Reporter Ulrich Oppold
RTL

Seit fünf Jahren gilt der Deutsche Christian B. als Hauptverdächtiger im Fall des verschwundenen Mädchens, manche Ermittler und viele Menschen sind fest davon überzeigt, dass er das Kind umgebracht hat. Sein Verteidiger Friedrich Fülscher gehört aus naheliegenden Gründen nicht dazu. „Was haben wir da, außer immer wieder Wiederholung der Staatsanwaltschaft, dass es so sei? Nichts. Keine Akteneinsicht, keine Anklage, kein Haftbefehl“, so der Rechtsanwalt.

Sein Widerpart im Fall Maddie ist der Braunschweiger Staatsanwalt Christian Wolters. Er sagt, dass man damit „leben müsse“, lieber einen Schuldigen frei laufen zu lassen, als einen Unschuldigen ins Gefängnis zu bringen. „Daran muss man sich auch halten und das muss man dann akzeptieren“, so der Jurist.

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Gleichwohl hat sich Christian B. mehrfach schuldig gemacht, unter anderem wegen Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und dem Besitz von Kinderpornografie. Deswegen will die Staatsanwaltschaft, dass er in Freiheit eine Fußfessel trägt. Wie gefährlich ist B.? Dieser Frage ist auch unser Reporter Ulrich Oppold nachgegangen. Er recherchiert seit Jahren im Fall McCann und besucht B. vor wenigen Monaten sogar in Haft, kann sich dort selbst ein Bild von ihm machen.

Gutachter sehen hohes Rückfallrisiko

Dabei gewinnt er das Gefühl, mit einem intelligenten Mann zu tun zu haben. Den er nach Kenntnis von Gutachten als gefährlich einstuft. B.‘s Rückfallrisiko werde von Gutachtern als „sehr, sehr hoch“ eingeschätzt, weiß er. Oppold geht davon aus, dass die Öffentlichkeit nicht direkt mitbekommen wird, wie und wann B. genau entlassen wird. Sicher sei jedoch: „Natürlich gibt es da strengste Bewährungsauflagen. Also er muss sich sicherlich regelmäßig, vielleicht sogar ein-, zweimal die Woche, persönlich bei seinem Bewährungshelfer melden. Er darf seinen Wohnort nicht verlassen. Er darf natürlich auf keinen Fall das Land verlassen“, vermutet der RTL-Experte.

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Video-Tipp: Wie geht es nach der Haftentlassung für Christian B. weiter?

Weil die Richterin bei der Verurteilung von Christian B. wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin in Portugal keine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, war klar, dass er nach verbüßter Haft freikommen wird, sofern keine anderen Gründe vorliegen. Eine mögliche Sicherungsverwahrung muss bereits bei Urteilsverkündung verfügt werden.

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Unser Reporter hält B. weiterhin für potenziell gefährlich. „Mein Eindruck ist, dass man es sicherlich mit einem wahrscheinlich Psychopathen zu tun hat. So ähnlich wurde er auch von einem psychiatrischen Gerichtsgutachter beschrieben“, verweist er auf die Einlassung des Experten Dr. Christian Riedemann beim Prozess. Der hatte gesagt, Christian B. sei „ein gefährlicher Psychopath mit pädophilen Neigungen” und er stufte ihn in „die absolute Topliga der Gefährlichkeit” ein, erklärt Oppold.

Christian B. könnte „absolut eine Gefahr für die Öffentlichkeit” sein

Was genau Christian B. jetzt plant, verrät uns sein Verteidiger Friedrich Fülscher nicht. Die Staatsanwaltschaft will die Ermittlungen im Fall Maddie weiterführen und vielleicht kann dann irgendwann tatsächlich Anklage gegen Christian B. erhoben werden.

Lese-Tipp: So hat RTL-Reporter Ulrich Oppold den Maddie-Verdächtigen im Knast erlebt

Unser Reporter geht davon aus, dass B. in eine Behördenwohnung gebracht wird. Dann würden die Modalitäten festgelegt. Christian B. bekomme „eine ganz klare Anweisung, was er machen darf, was er nicht machen darf“, sagt er. Er vermutet, dass in einigen Wochen das erste Bild von Christian B. in Freiheit auftauchen wird. Mit Fußfessel? „Wir wissen nicht, ob er eine Fußfessel bekommt.“ Das entscheide eine Strafvollstreckungskammer des Gerichts in Hildesheim. Und weil diese Entscheidung nicht öffentlich sei, „können wir das nur vermuten.“

Nach Oppolds Einschätzung wird B. eine elektronische Fußfessel sowie weitere strenge Auflagen bekommen. Zurecht, wie er findet. Laut psychiatrischer Gutachten, die er gelesen habe, „ist dieser Mann absolut eine Gefahr für die Öffentlichkeit.“

Verwendete Quellen: RTL-Archiv, RTL-eigene Recherchen