Hamburger Zoll durchsucht Firmen in NorddeutschlandBekamen Russen Substanzen für Kampfstoffe aus Deutschland?

Markus Scholz
Ein Beamter trägt während seines Dienstes eine Schutzweste mit der Rückenaufschrift "Zoll". Foto: Markus Scholz/dpa/Symbolbild
deutsche presse agentur

Razzia im niedersächsischen Lilienthal: Zollfahnder haben am Dienstagmorgen das Unternehmen Riol Chemie durchsucht. Der Grund dafür: Die Firma soll in mehr als 30 Fällen chemische Substanzen und Laborbedarf nach Russland geliefert haben – ohne Erlaubnis. Doch damit nicht genug: Die Stoffe könnten die Basis für chemische und biologische Kampfstoffe gewesen sein.

Norddeutsche Firma belieferte Russland wohl über Jahre mit chemischen Substanzen und Laborbedarf

Nach Informationen von NDR, WDR und SZ handelt es sich bei den exportierten Stoffen um sogenannte "Dual-Use-Güter". Sie könnten also auch für legale Zwecke exportiert worden sein.

Auch Laborbedarf soll über Jahre nach Russland geliefert worden sein, so der Verdacht der Staatsanwaltschaft Stade. Ein Hauptabnehmer der Waren soll der Moskauer Chemie-Großhändler Khimmed gewesen sein. Er beliefert russischen Medienberichten zufolge auch Speziallabore des russischen Militärs und des Inlandsgeheimdienstes FSB.

Lese-Tipp: Beschuss vom Kernkraftwerk in Saporischschja: "Beide Seiten spielen mit unserer Angst vor radioaktiver Strahlung"

Experte: Chemikalien können bedeutende Rolle für Waffenprogramm gespielt haben

Nach den bisherigen Ermittlungen glauben die Hamburger Zollfahnder, dass die Riol Chemie relativ kleine Mengen der Chemikalien nach Russland geliefert hat. Chemiewaffen-Experten erklärten gegenüber NDR, WDR und SZ allerdings, dass auch diese Mengen für Waffenprogramme eine bedeutende Rolle spielen könnten.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Hat Riol Chemie GmbH Substanzen zur Herstellung von Nervengift Nowitschok an Russland geliefert?

ARCHIV - 29.02.2020, Russland, Moskau: Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny nimmt an einem Marsch zum Gedenken an den Oppositionsführer Nemzow teil. (zu dpa: "Kremlgegner Nawalny fordert härtere Sanktionen gegen Oligarchen") Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Kremlgegner Nawalny
PA mbu pat axs, dpa, Pavel Golovkin

Die Riol Chemie GmbH wird außerdem verdächtigt, auch Substanzen nach Russland geliefert zu haben, die zur Herstellung des Nervengifts Nowitschok verwendet werden können. Beispielsweise der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny soll mit einer Variante davon im August 2020 vergiftet worden sein.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte gegenüber NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung Durchsuchungen in insgesamt sieben Firmen und Privaträumen, darunter ein Logistikunternehmen in Bremen, die Geschäftsräume der R.R. Rhein Reserve GmbH in Konstanz, eine Steuerkanzlei sowie mehrere Privatwohnungen. 50 Einsatzkräfte des Zolls seien im Einsatz. (dpa/jmu)