Ein Kommentar zum Trigema-Boss

Wolfgang Grupp: Warum er sich mit seiner Homeoffice-Kritik selbst ins Aus befördert

Wolfgang Grupp, der Eigentürmer und Geschäftsführer des Textilunternehmens Trigema, spricht während eines Vortrags in Halberstadt mit Unternehmern aus dem Harz. Wolfgang Grupp ist 81 Jahre alt.
Trigema-Chef Wolfgang Grupp stößt immer wieder an.
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von Eva Johanna Onkels

Wolfgang Grupp (81) hat es schon wieder getan – und einen rausgehauen über die moderne Arbeitswelt.

Er schimpft auf das Homeoffice, er schimpft auf die Work-Life-Balance, er schimpft auf die Vier-Tage-Woche. Applaus aus der konservativen Ecke ist ihm damit sicher. Das wundert nicht, weil der Trigema-Chef nun mal ist, wie er ist. Dennoch ist seine Aussage vor allem eines nicht: zukunftsweisend für Trigema. Ein Kommentar.

Große Veränderungen gab es immer schon

„Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig. Je mehr die Leute studiert haben, desto mehr Homeoffice wollen sie – aber bei mir können sie sich dann auch gleich arbeitslos melden, weil sowieso keiner merkt, ob sie arbeiten oder nicht“, tönt der Trigema-Boss in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Und weiter: „Wenn ich zu allem ‚ja‘ sage, egal ob zur Vier-Tage-Woche oder zur Work-Life-Balance, darf ich mich nicht wundern, wenn immer mehr gefordert wird.“

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Das sind Ansichten aus dem letzten Jahrhundert – und sie zeigen, dass der 81-jährige Grupp nicht verstanden hat, dass sich die Arbeitswelt weitergedreht hat. Wie sie es übrigens schon immer tat. Als Grupp, der 1942 geboren wurde, noch ein Junge war, kam es zu zwei wegweisenden Revolutionen in der Arbeitswelt: zum arbeitsfreien Samstag für viele Berufsgruppen (1956) und zur 40-Stunden-Woche (1965). Damals wie heute war Arbeitskraft knapp. Heute gilt vielleicht sogar noch mehr als damals: Arbeitgeber sitzen nicht mehr am längeren Hebel – sie müssen aktiv auf junge Arbeitnehmer zugehen, um noch konkurrenzfähig zu bleiben.

Menschen, die aus dem Homeoffice arbeiten, sind nicht unwichtig

Sicher, jeder Mensch in Deutschland hat seine Meinung zum Thema Arbeit, Homeoffice, Work-Life-Balance, Vier-Tage-Woche… Die darf auch Herr Grupp haben. Was allerdings gar nicht geht: Eine pauschale Abwertung von Menschen, die anders arbeiten und arbeiten wollen als man selbst. Nur, weil jemand seinen Job im Homeoffice machen kann, heißt das nicht, dass er oder sie für einen Betrieb unwichtig oder verzichtbar ist.

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Es gibt ganz ohne Zweifel gesellschaftlich hochrelevante Berufe, in denen nicht im Homeoffice gearbeitet werden kann. Gesundheitspfleger, Müllwerker, Ärzte, Feuerwehrleute, Kindergärtner, Lehrer etc. Doch es gibt eben auch die relevanten Berufe, in denen problemlos vom heimischen Schreibtisch aus gearbeitet werden kann. Das sind Berufe, in denen Menschen sonst allein im Büro sitzen, in denen viel am oder mit dem Computer gearbeitet wird, in denen Stillarbeit zu Produktivität führt, es keinen Kundenverkehr gibt. Verwaltungs- und Personalsachen, kreative und redaktionelle Arbeit – und natürlich ein Großteil der IT.

Zumindest bei letzter bin ich sicher, dass die auch ein Unternehmen wie Trigema benötigt. Gerade die IT-Fachkräfte wissen übrigens um ihren Wert – und sie verhandeln hart. Hohe Löhne, eine gute Work-Life-Balance – das sind nur einige der Forderungen, die die wirklich guten Kräfte da stellen können.

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Wolfgang Grupp vertritt eine falsche Einstellung

Daher könnte Wolfgang Grupp seiner eigenen Firma langfristig mit seiner Einstellung einen Bärendienst erweisen: Denn der Arbeitsmarkt ist weitestgehend leergefegt. Arbeitgeber müssen sich heute anstrengen, passende Arbeitnehmer zu finden. Die Zeit der Rosinenpickerei ist einfach vorbei. Es mag sein, dass Trigema darunter noch nicht ganz so schlimm „leidet“ wie andere Firmen. Schließlich heißt es, dass viele Angestellte schon seit vielen Jahren dort arbeiten – also oft bis zur Rente bleiben werden. Aber die geburtenstarken Jahrgänge gehen jetzt – und auch ein ehrwürdiges Unternehmen muss sich da bewegen. Ob Grupp das nun will oder nicht.

Denn dass die Vier-Tage-Woche in zumindest einigen Berufen kommt, steht eigentlich außer Frage. Dafür gibt es zu viele Betriebe, die schon jetzt (fast) alles tun, um qualifizierte Fachkräfte zu bekommen. Die immer weiter fortschreitende Digitalisierung, der absehbare Einsatz von KI in vielen Bereichen, könnte auch dazu beitragen, dass wir in Zukunft nicht mehr, sondern weniger vor Ort arbeiten müssen.

Und wenn sich dann Homeoffice und Vier-Tage-Woche weiter etabliert haben, wird es für Trigema schwer werden, an der veralteten Vorstellung festzuhalten, dass nur der wertvoll ist, der fünf Tage die Woche im Büro hockt. Denn dann sind die modernen Unternehmen mit ihren weniger konservativen Chefs längst weiter. Arbeiten im Ausland? Kein Problem! Arbeiten zu jeder Tages- und Nachtzeit? Völlig in Ordnung! Betriebskindergarten? Ein Muss! Für Wolfgang Grupp wird es dann schwer, noch relevant bei der jungen Generation zu bleiben – und damit als attraktiver Arbeitgeber in Frage zu kommen. Da hilft auch kein Applaus mehr von der konservativen Seite.