Mit Merkformel für heikle GesprächeWie sage ich jemandem, dass er stinkt?
Puh, da müffelt doch was ... !
Gerade wenn es wärmer wird, fällt es mehr auf, aber auch sonst kennt vermutlich jeder einen Menschen in seinem Umfeld, der oder die manchmal nicht so gut riecht. Nur, wie spricht man das an, ohne den anderen zu verletzen? Ruth Marquardt, systemische Beraterin und Buchautorin, kennt die richtige Strategie für heikle Themen!
Geruch ist entscheidend bei der Partnerwahl
Geruch ist eine intime Sache. Entweder wir können „jemanden gut riechen“ – oder eben nicht! Auch in Liebesbeziehungen spielt der Geruch des Partners eine entscheidende Rolle. Menschen, die wir nicht gut riechen können, kommen für uns als Partner nicht infrage.
Der Grund ist weniger romantisch als biologisch begründet: Mag man den Geruch des anderen nicht, passen die Gene nicht gut genug zusammen, um gesunde Nachkommen zu zeugen. Wir meiden sie darum – aus Selbstschutz, wie Paarberaterin Ruth Marquardt im Interview erklärt.
Lässt sich der Körpergeruch ändern?
Unter anderem aus diesem Grund ist es auch gar nicht so einfach, ein intimes Thema wie den eigenen Körpergeruch anzusprechen. Trägt aber jemand nur ein zu starkes Parfüm oder hat ein unangenehmer Schweißgeruch eher mit mangelnder Hygiene oder Ernährung zu tun, lässt sich daran etwas ändern – es lohnt sich darum durchaus, den miesen Mief anzusprechen. Nur, wie macht man das, ohne den anderen zu verletzen?
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Stimmt ab!
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind nicht repräsentativ.
Wie spricht man es an, wenn jemand wiederholt unangenehm riecht?
„Wichtig ist, dass wir nicht lange um den heißen Brei herumreden“, erklärt Marquardt. „Einfach und direkt – allerdings in einem passenden Moment unter vier Augen – transportiert sich eine Botschaft, die uns möglicherweise unangenehm ist, am besten.“
Gibt es Tipps oder Strategien, um den anderen nicht zu verletzen?
Um zu vermeiden, dass sich unser Gegenüber dabei angegriffen oder verletzt fühle, sei unter anderem der Zeitpunkt des Gesprächs wichtig, erklärt Marquardt. „Nicht zwischen Tür und Angel!“ Außerdem sei ein höflicher Tonfall wichtig. „Die innere Haltung sollte sein: Ich verstehe dich. Ich bin freundlich mit dir – denn unsere Stimme verrät genau, wie wir es meinen.“
Warten wir zu lange damit, etwas anzusprechen, drohe die Gefahr, dass wir schon seit Wochen genervt seien und dann mit der Wahrheit rauspoltern. Das geschehe dann häufig vorwurfsvoll oder aggressiv, weiß die Paarberaterin. Genau das sei eben nicht hilfreich.
Marquardt rät: „Macht euch eines bewusst: Niemand riecht mit Absicht schlecht!“ Die Gründe hinter unangenehmem Mund- oder Körpergeruch können hingegen vielfältig sein – zum Beispiel könne eine nicht entdeckte Entzündung im Darm dahinterstecken, weiß die Expertin.
Podcast „Leben ohne Sinn“ auf RTL+ Musik
Unangenehmen Körpergeruch ansprechen - ein Beispiel:
Nehmt ihr bei einem Menschen in eurem Umfeld erst seit Kurzem einen unangenehmen Körpergeruch wahr, rät Marquardt zu folgender Form der höflichen und achtsamen Ansprache:
„Darf ich dich auf etwas hinweisen, was mir aufgefallen ist?“ – Wartet die Zustimmung kurz ab und fahrt dann fort:
„Du bist normalerweise immer so gepflegt, deshalb dachte ich, ich spreche dich an. In den letzten Tagen/Wochen riechst du nach Schweiß“ oder „mir ist in letzter Zeit ein unangenehmer Körpergeruch bei dir aufgefallen. Weil mir das schon selbst einmal so gegangen ist, war ich froh, dass mich jemand darauf angesprochen hat.“
Der Effekt: Auf diese Weise solidarisiert ihr euch mit eurem Gegenüber und räumt eigene Schwächen ein. Genau das schaffe eine Verbindung, die helfe, die unangenehme Nachricht anzunehmen, so die Expertin.
„Wir fühlen uns so weniger vor den Kopf gestoßen oder allein mit dem Thema. Ein wenig Höflichkeit und die Frage ‘Was würde ich mir in so einer Situation wünschen?’ kann helfen, ganz eigene Formen der Formulierung zu finden.“
Im Video: Wie sieht der Alltag ohne Geruchssinn aus?
Worauf sollten wir beim Ansprechen von heiklen Themen achten?
Gut sei es, mit einer Ich-Botschaft zu beginnen, sagt Marquardt. Der Grund: Das eigene Empfinden, die eigene Wahrnehmung, ist immer in Ordnung!
Mögliche Formulierungen sind:
„Mir ist aufgefallen, dass...“
„Ich habe seit einigen Tagen den Eindruck, dass du nach Schweiß riechst.“
„Ich habe gemerkt, dass ich seit einigen Tagen bei dir einen unangenehmen Geruch wahrnehme.“
Das Problem mit den anderen:
Wenn wir hinzufügen „das finden auch andere (im Büro)“, verkomplizieren wir die Sache Marquardt zufolge nur unnötig. Für unser Gegenüber könne dann schnell der Eindruck entstehen „Oh, die haben wohl schon über mich gesprochen.“ Das führe zu einem Gefälle und einem Ungleichgewicht „Alle gegen einen“ bzw. „einer gegen viele“ – und das möchte vermutlich niemand!
Hinzukomme: „Wir beschämen unser Gegenüber, das sich fragt, wer schon alles informiert ist, mit wem schon gesprochen wurde“, gibt die Expertin zu bedenken. So entstehe große Unsicherheit und genau diese Unsicherheit könne eine freundschaftliche Beziehung zueinander massiv angreifen.
Besser: Wir können Kritik besser im direkten Gespräch, am besten mit Augenkontakt und einer Haltung von Freundlichkeit, annehmen. Dann fühlen wir uns weniger bedroht, so Marquardt. „Kommen weitere Menschen ins Spiel, die nicht im Raum sind, führt das zu Verwirrung und vermutlich zu Ablehnung.“
Warum viele Menschen trotzdem andere mit als Zeugen aufführen? „Sie fühlen sich selbst unsicher, die unangenehme Botschaft zu überbringen und geben sich selbst allein nicht die Autorität, zu ihrer Empfindung auch mutig zu stehen“, weiß die Paarberaterin. So werde Autorität von anderen „geborgt“. Der Schuss gehe aber leider fast immer nach hinten los!
Merkformel: Wie ihr heikle Themen ansprecht
Neben möglichem Körpergeruch gibt es auch andere Themen, bei denen es unangenehm ist, sie anzusprechen. Marquardt rät zu folgender Vier-Punkte-Strategie für heikle Botschaften:
1. Aktuell
Sprecht heikle Themen zeitnah an! Je eher ihr die Situation benennt, desto weniger Druck baut sich auf und desto besser können sich alle an die Situation erinnern. Dinge, die wir schon seit Monaten oder Jahren vor uns herschieben, hat euer Gegenüber womöglich längst vergessen.
2. Konkret
Was habt ihr konkret in welcher Situation beobachtet? Formuliert genau das. Nichts aus der Vergangenheit oder von vor drei Jahren.
Beispiel: Statt „Du riechst IMMER unangenehm“ – „Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich einen unangenehmen Geruch bei dir wahrgenommen habe.“
3. Freundlich
Ein inneres Lächeln und Verständnis sind immer unterstützend in Gesprächen.
4. Ich-Botschaften
Sie sind eure beste Autorität. Sie dürfen gut für sich sorgen, Grenzen aufzeigen und unangenehme Dinge ansprechen. Dazu braucht es keine Verbündeten!