Inklusives Wohnen mitten in StuttgartWG-Leben mit Down-Syndrom: Tim, Jakob und Yannik ziehen in ihre erste Wohnung

WG-Casting für die inklusive WG von den jungen Männern mit Downsyndrom (von Links)  Tim und Jakob und Yannik, und Diakonie Stetten
Tim, Jakob und Yannik (von links nach rechts), die Trisomie 21 haben, wagen den Schritt in ein unbestimmteres Leben: Sie gründen eine inklusive WG in Stuttgart.
Ferdinando Iannone, Ferdinando Iannone

Es ist eine WG, wie es sie in solch einer Form bisher noch nicht gab: In Stuttgart sind drei junge Männer mit Down-Syndrom in ihre erste gemeinsame Wohnung gezogen. Und sie suchen noch Mitbewohner! Ein echter Meilenstein für die Freunde Tim, Jakob und Yannik.

Der Schritt in ein neues, unabhängigeres Leben

Erst vor kurzem fand die Schlüsselübergabe statt, bei der die „Stuttgarter Zeitung“ dabei war. Denn: Ab Mai läuft der Mietvertrag für die inklusive WG und die Jungs mit Down-Syndrom ziehen endlich in ihr neues Zuhause im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen-Rot. Tim, Jakob und Yannik, die alle 23 Jahre alt sind, sind schon ganz aus dem Häuschen, als der Sozialpädagoge Justin Weißmann von der Diakonie Stetten ihnen ihre Schlüssel für die Neubauwohnung überreicht. Sogar ein Filmteam der Produktionsfirma AV Medien hält diesen besonderen Moment fest. Seit Oktober werden die drei nämlich mit einer Kamera begleitet. Regisseurin Ines Kurzweg erzählt: „Wir glauben daran und finden es erzählenswert und wichtig.“ Sie schätze an dem Projekt vor allem den Umgang der Jungs, da sie sich „ohne Worte“ zu verstehen scheinen.

Die Schlüsselübergabe – für viele Menschen vermutlich ein eher unspektakulärer Moment. Aber nicht für das Trio. Für Tim, Jakob und Yannik bedeutet diese Moment nämlich viel mehr als Zugang zu einer Wohnung zu erhalten. Für sie ist es der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der mit einem unabhängigeren Leben einhergeht.

Lese-Tipp: Mutter kämpft für ihre Tochter mit Down-Syndrom: Mir schrieben Freunde "Mein Beileid"

Die inklusive WG mitten in Stuttgart ist ein ganz besonderes Projekt

Seit ihrer Kindheit kennen sich Tim, Jakob und Yannik, die allesamt mit dem Down-Syndrom geboren wurden. Über den Verein „46PLUS - Down-Syndrom Stuttgart e.V.“ lernten sich ihre Eltern damals kennen, seitdem sind die drei jungen Männer unzertrennlich. Kein Wunder also, dass die Gründung einer WG für sie der nächste logische Schritt in Richtung Erwachsenwerden ist. Und diese inklusive WG Ist etwas ganz besonderes: Wie die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet, ist es das erste Projekt dieser Art eines Trägers der Behindertenhilfe in Stuttgart. Als Kostenträger fungiert die Stadt selbst, unterstützt wird das Ganze zudem von der Diakonie Stetten.

Lese-Tipp: Hand in Hand durchs Leben! Mädchen (2) bringt Zwillingsschwester mit Down-Syndrom das Laufen bei

Doch Tim, Jakob und Yannik ziehen nicht alleine in die WG: Sie haben sich zuvor auf die herausfordernde Suche nach den passenden Mitbewohnern begeben. Wer darf ebenfalls Teil des Abenteuers werden? Zum Casting ging es rund zwei Wochen vorher in ein Bowling-Center. Eine potenzielle Mitbewohnerin habe sich herauskristallisiert, wie Maren Krebs, die Mutter von Tim, gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ erzählt. Eine 18-Jährige namens Felizia, deren ältere Schwester – genau wie Tim, Jakob und Yannik – mit Trisomie 21 zur Welt gekommen ist. Sowohl die Jungs als auch das Team der Diakonie und die Eltern seien ganz begeistert von ihr. Ob sie das Rennen machen wird?

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Bewerber Johannes und Felizia haben gute Chancen, ebenfalls einziehen zu dürfen

Ein Platz in der inklusiven WG wäre dann noch zu vergeben. Und Bewerber Johannes macht offenbar ebenfalls einen guten Eindruck: Auch er ist 23 Jahre alt, studiert Sonderpädagogik und kennt Jakob sogar schon von früher. Wenn das nicht die besten Voraussetzungen sind! Aus der Zeitung habe Johannes von dem WG-Projekt erfahren, Jakob wiedererkannt und sich sofort gedacht, dass er gerne einziehen würde. Schließlich sei er ohnehin auf der Suche nach einem WG-Zimmer gewesen.

Die große, helle Wohnung scheint ihm bei der Besichtigung zu gefallen. Als er und seine vielleicht zukünftigen Mitbewohner Tim, Jakob und Yannik sich die obere Etage anschauen, kommt er ins schwärmen: „Das ist auch ein schönes Zimmer“, sagt er, als er sich genauer umschaut. Sozialpädagoge Justin Weißmann hat vorgesorgt und eine Art Nachbarschaftstreffen organisiert, bei dem gegrillt werden soll. Einfach nur eine Wohnung besichtigen kann schließlich jeder. Wenig später sitzen alle zusammen auf einer Wiese in der Nähe der WG. Sie essen, plaudern über Fernsehserien und Sport und haben eine gute Zeit zusammen. Jakob offenbart den anderen, dass er Tuba spielt, woraufhin die anderen schon Panik bekommen: „Wird es in der WG dann laut?“ Aber der 23-Jährige gibt Entwarnung. Nicht, dass das „Projekt WG“ schon scheitert, bevor es überhaupt angefangen hat.

Dann ist es Zeit, über die ernsten Dinge zu sprechen: Hat Johannes den Aufnahmetest für die WG nun bestanden – oder nicht? Und was ist mit Felizia vom Bowling-Center? Wird auch sie einziehen dürfen? Tim, Jakob und Yannik lassen mit ihrer Antwort nicht lange auf sich warten und sagen „Ja.“ Jetzt müssen sich nur noch Johannes und Felizia kennenlernen und das Projekt „Inklusives Wohnen“ in einer ganz besonderen Wohngemeinschaft kann beginnen. (vdü)

Lese-Tipp: Erster Läufer mit Down-Syndrom schafft kompletten Ironman