Briten leiden unter Riesen-Inflation

Weil ihr Land den Bach runter geht - Mehrheit der Briten will zurück in die EU

Brexit
Eine neue Umfrage zeigt: Die Mehrheit der Briten will zurück in die EU und die Gruppe wächst.
deutsche presse agentur

Die Entscheidung FÜR den Brexit war damals knapp, doch offenbar bereuen viele Briten den Ausstieg aus der Union inzwischen: Eine Mehrheit würde am liebsten direkt wieder an die Tür der EU klopfen. Brexit und Ukraine-Krieg – das merken die Briten in ihrem Alltag mehr als deutlich.

Inflation in Großbritannien ist die höchste in Westeuropa

61 Prozent der Briten wollen wieder in die EU. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Omnisis. Das sind vier Prozent mehr als bei der letzten Umfrage vor einer Woche. Die Briten hatten den Brexit 2016 mit einer Mehrheit von knapp 52 Prozent beschlossen.

Und jetzt läuft es nicht im Land. Die Inflation in Großbritannien ist hoch. Trotz des Rückgangs im März bleibt die Inflationsrate die höchste in Westeuropa: Als einziges Land in der Region liegt sie im zweistelligen Bereich mit 10,1 Prozent. Der größte Preistreiber dabei sind die Lebensmittel. Die Preise für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke stiegen laut Statistikamt im März um sagenhafte 19,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist der stärkste Anstieg seit August 1977. Und darunter leiden die Briten massiv.

Auch die Arbeitslosigkeit ist in Großbritannien leicht auf 3,8 Prozent gestiegen. Das jährliche Lohnwachstum liegt unverändert bei 5,9 Prozent. "Die Löhne und Gehälter steigen weiter langsamer als die Preise, sodass die Verdienste real immer noch sinken - auch wenn sich die Kluft zwischen den Verdiensten im öffentlichen und im privaten Sektor weiter verringert", sagte Darren Morgan vom nationalen Statistikamt ONS.

„Der Brexit ist für die Briten abgehakt, die Menschen hier auf der Insel haben ganz andere Sorgen“, schätzt Ulrich Oppold, RTL-Studio London, ein. „Die Preisexplosion von 19 Prozent bei Lebensmitteln macht vor allem den Familien zu schaffen. Rund vier Millionen Kinder wachsen in Armut auf und die Wirtschaftskrise lässt die Briten immer mehr an ihrer Regierung zweifeln.“ Und weiter: „Fast niemand in Großbritannien macht den Brexit für die Wirtschaftsmisere hier auf der Insel verantwortlich. Nach einer YouGov-Umfrage glaubt dennoch einer von fünf Brexit-Befürwortern, beim Referendum 2016 einen Fehler gemacht zu haben. Vom Wunsch der EU wieder beizutreten, ist allerdings in Gesprächen weit und breit nichts zu hören.“

Wäre ein Rücktritt vom Austritt überhaupt möglich?

Der Brexit und seine negativen Folgen für Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft haben sich in Großbritannien zu einer Art Tabu-Thema entwickelt. In Medienberichten wird der EU-Austritt häufig nur unter ferner liefen genannt - etwa neben Pandemiefolgen und Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. „Es gibt hier seit einiger Zeit ein neues Wort, das heißt "Bregret" und bedeutet so viel wie den Brexit bereuen. Und so geht es tatsächlich vielen, auch manchen, die damals für den Brexit waren. Sprechen tut man allerdings recht wenig darüber, wahrscheinlich, weil die meisten Briten den Brexit am liebsten vergessen würden - das kommt erst nach dem dritten Pint im Pub vielleicht zur Sprache, erklärt London-Korrespondentin Katharina Delling.

Nach ihren Beobachtungen leiden die Menschen sehr unter den hohen Lebenshaltungskosten - so seien im Dezember und Januar 90 Prozent mehr Menschen zu Tafeln gegangen als im Jahr davor. „Und mittlerweile sind es auch viele arbeitende Elternteile, die auf Hilfe angewiesen sind. Auch wenn es um Sanitärprodukte, wie Tampons oder Binden geht, müssen viele Frauen inzwischen entscheiden ob sie sich diese oder Essen leisten können.“

Aber wäre ein Wiedereintritt in die EU überhaupt möglich? „Grundsätzlich kann jedes Land in Europa einen Beitritt beantragen – auch für Großbritannien ist das erneut möglich. Und direkt nach dem Brexit haben viele in Brüssel auch immer betont – die Tür steht grundsätzlich offen.“, erklärt RTL-EU-Korrespondentin Jasmin Gebele. „Nur ein Beitrittsprozess dauert Jahre, alle Mitglieder müssen zustimmen. Großbritannien hat den gesamten Prozess zwar schon einmal durchlaufen – aber eine Abkürzung für den Ex-Partner würde es nicht geben. Und Extrawürste so wie damals – u.a. Rabatte und kein Euro – auf die könnte Großbritannien in Brüssel jetzt auch nicht mehr hoffen.“ (eku/mit reuters)

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