"Menschenrechte haben nichts mit Kultur zu tun"
"Mr. Gay Germany" erwartet bei Katar-Reise Antworten der FIFA
Jeder Fußball-Fan ist willkommen, betonen die FIFA und ihr Präsident Gianni Infantino wenige Wochen vor Beginn der Fußball-WM in Katar gebetsmühlenartig. Die Realität in dem autoritär regierten Wüsten-Emirat sieht anders aus. Menschen aus der LGBTIQ-Gemeinde leben in Katar in Angst – in Angst, wegen ihrer sexuellen Orientierung verhaftet zu werden. Ein Thema, das Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bei ihrem Besuch in Katar ansprechen will.
RTL/ntv-Vizesportchef Timo Latsch reist mit Faesers Delegation an den Persischen Golf und hat vor dem Abflug nach Doha mit Benjamin Näßler gesprochen. Der 2020 zum „Mr. Gay Germany“ gewählte Fußball-Fan fordert seit langem mehr Toleranz im Sport, hat auch die Aktion „Liebe kennt keine Pause – gegen Homophobie in Katar“ initiiert. Näßler erwartet bei der Reise klare Antworten auf „dringende Fragen“ und fordert vor allem eins: Sicherheit für die LGBTIQ-Gemeinde. Einen oft vorgetragenen Wunsch der Kataris kann er dagegen nicht nachvollziehen.
Im Video: „Rote Karte statt Regenbogen – Homosexuelle in Katar“ (RTL-Dokumentation)
Näßler: "Würde mich aktuell nicht trauen, hinzufliegen"
Timo Latsch: Mit welchen Erwartungen fliegen Sie nach Katar?
Benjamin Näßler: Mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite haben wir die Berichte von Human Rights Watch gehört und auch den Ein-Mann-Protest gesehen, der Mann, der dann festgenommen wurde. Auf der anderen Seite haben wir noch einige Tage bis zur WM und ich hoffe natürlich, dass wir nach der Reise mit ein paar positiven Eindrücken, mit positiven Worten, seitens der FIFA, seitens des DFB zurückkommen, dass für die Sicherheit der Menschen gesorgt wird und dass natürlich auch die Menschen vor Ort mit einem positiven Gefühl nach der WM weiterleben können.
Sie sind Fußball-Fan, engagieren sich deshalb für diese Sache. Hätten Sie Angst, als „normaler Fan“ nach Katar zu reisen? Wir befinden uns jetzt ja im Schutz der Delegation.
Klar, die Bedenken kamen auch aus meinem Umfeld, sowohl familiär als auch aus meinem Freundeskreis. Die Berichte von Human Rights Watch, die ich schon angesprochen habe, waren ja sehr bedrückend, sehr eindeutig auch mit den Themen, die angesprochen wurden: Dass also Transpersonen oder LGBT eben festgenommen wurden. Nach dem Bericht würde ich mich aktuell nicht trauen, hinzufliegen.
FIFA soll Berichte ernst nehmen
Sie werden vermutlich auch mit FIFA-Präsident Gianni Infantino sprechen können. Was erwarten Sie für ein Statement von ihm?
Ich erwarte von ihm, dass für die Sicherheit der Menschen gesorgt wird, dass er diese Berichte ernst nimmt, dass er diese Berichte auch heranzieht, um mit den Kataris in den Austausch zu gehen, weil es aus meiner Sicht ein absolutes No Go ist, dass Menschen gegen ihren Willen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer persönlichen Identität festgehalten werden. Aus meiner Sicht ist ein No Go für eine Fußball-Weltmeisterschaft, dass genau das im Monat oder zwei Monate vor Beginn der WM stattgefunden hat.
Die Kataris argumentieren, wir sollten ihre Kultur berücksichtigen?
Ja, Kulturen respektieren auf jeden Fall. Aber Menschenrechte haben nichts mit Kultur zu tun, sondern sind ein grundlegendes Recht, das jeder Mensch auf der Welt hat. Jeder Mensch sollte so leben dürfen, wie er ist, das hat aus meiner Sicht nichts mit einer Kultur zu tun.
Was ist Ihr Ziel in den nächsten 48 Stunden?
Das Ziel ist es, Antworten auf dringende Fragen zu bekommen bezüglich der Sicherheit der LGBT-Community, auf die Aussicht, was passiert mit dieser Community in Katar nach der Fußball-WM. Da hoffe ich natürlich auf Antworten.
(tla/mar)